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seine beiden kräftigen, wohlgepflegten Hände und sagte:

      „Der Schein ist gegen Dich, das stimmt. Man mußte Dich verurteilen. Wir werden die Sache jedoch aufklären.“

      Lossen hatte schon mehrmals heimlich mit verlangenden Blicken nach der Platte mit den appetitlich belegten Brötchen hingeschaut, was dem Baron nicht entgangen war.

      Blendel stand daher auf und sagte:

      „Ich werde mich unten nach Scharfer umsehen. Du darfst bei dieser Handwerkerarbeit nicht verkommen. Iß inzwischen ein paar Bissen.“

      „Ich habe Hunger“, meinte Lossen schüchtern. „Es werden viele Bissen werden, wenn Du gestattest.“

      Blendel drückte dem Freunde stumm die Hand und verließ das Zimmer, das so täuschend ähnlich in ein kirgisisches Filzzelt umgewandelt war.

      Lossen legte zwei Brötchen aufeinander und begann zu essen. Er ging dabei in dem merkwürdigen Gemach auf und ab und besichtigte die alten Waffen, die hier und da an Gestellen an den Zeltwänden hingen. Dem Eingang gegenüber bemerkte er nun auch einen zweiten Vorhang. Als er ihn aufhob, gewahrte er dahinter eine Tür, die offenbar in das Nebenzimmer führte. Die Neugierde ließ ihn den Drücker ergreifen. Die Tür war unverschlossen, der Raum jedoch dunkel.

      In demselben Augenblick hörte er Stimmen. Einer Eingebung folgend, ließ er den Vorhang fallen und befand sich nun zwischen Zelt und Tür im Finstern. Er scheute sich, Fremden hier zu begegnen, denen er hätte eine Erklärung abgeben müssen, wie er in das Klubhaus gelangt sei. Und Blendel konnte noch nicht zurück sein. – Verlegenheit und Menschenscheu hatten ihn das Versteck aufsuchen lassen. Und diese Regungen sollten recht seltsame, wichtige Folgen für ihn haben.

      Eine schleimige, unangenehme Stimme sagte jetzt:

      „Ah – ist jemand hier gewesen. Wir müssen vorsichtig sein.“

      Dann eine zweite, hellere Stimme von recht energischem Klang:

      „Schnell, – was wollen Sie von mir? Etwas Wichtiges?“

      „Allerdings. – Mit Oltendorf geht es zu Ende. Man muß sehen, was man aus dem Zusammenbruch noch retten kann. Hier habe ich einen Brief kurz entworfen. Wir müssen versuchen, Hand auf seine Edelsteinsammlung zu legen. Das wird nicht ganz leicht sein.“

      Pause. Dann die helle Stimme sehr erstaunt:

      „Edelsteinsammlung?! Aber die ist doch damals …“

      „Unsinn“, unterbrach ihn der mit dem heiseren Organ, „Unsinn, mein Lieber! Das ist ja gerade der Witz bei der Sache! Nur die Imitationen …“ …

      Das weitere konnte Lossen nicht verstehen, da der Schleimige sehr leise flüsterte.

      Der junge Maler stand wie auf Kohlen in seinem Versteck. In seinem Kopf führten die Gedanken einen wilden Tanz aus.

      Oltendorf … Edelsteine … Diebstahl …!! – Mein Gott – was bedeutete das alles?! Und der Schleimige hatten mit so überzeugendem Spott dieses „Unsinn!!“ ausgesprochen, so, als ob …

      Nun wieder die helle Stimme.

      „Also gut. Wird gemacht. Er muß ja unter diesen Umständen klein beigegeben. – Eine tolle Geschichte! Der arme Dieb! Ne nette Enttäuschung!“

      „Freilich – dafür sind zwei Jahre Loch etwas viel gewesen! Und das beste: man hat noch den Falschen erwischt. Davon bin ich überzeugt!“

      „Auch das noch?! – Unglaublich! Also ein Justizirrtum.“

      „Was geht’s uns an?! – Kommen Sie, ich will noch …“

      Die beiden Herren, von denen Werner Lossen nur die Stimmen gehört hatte, entfernten sich wieder. Hinter ihnen fiel die Tür ins Schloß. Der junge Maler aber stand noch eine ganze Weile unbeweglich da. Er war wie betäubt, hatte die Rechte gegen die Stirn gepreßt, als fürchte er, der Schädel müßte ihm vor diesem Ansturm von Gedanken gesprengt werden. Wie ein Trunkener schwankte er endlich aus seinem Versteck hervor und ließ sich schwer auf eines der fellbedeckten Ruhebetten fallen. Seine Finger tasteten nach dem noch halb vollen Sektglase. Und gierig trank er wie ein Verschmachteter.

      „… man hat noch den Falschen erwischt!“ – diese Worte hatten sich förmlich festgefressen in seinem Hirn. – Also auch andere Leute zweifelten an der Schuld des Juwelendiebes …!! Und doch hatte sich niemand gefunden, der für diesen Bedauernswerten eingetreten wäre – niemand – niemand!!

      Nach einiger Zeit abermals draußen Stimmen. Es war der dröhnende Baß Eginhards von Blendel. Und noch eine zweite …

      Lossen fuhr zusammen. Wahrhaftig – dasselbe schleimige, heisere Organ, genau dasselbe wie vorhin.

      Der Baron trat ein. Hinter ihm ein etwas korpulenter Mann in tadellosem Jackenanzug.

      Der Maler erhob sich, und Blendel machte die Herren miteinander bekannt.

      „Kommerzienrat Scharfer – mein Freund Werner Lossen.“

      Scharfer streckte Lossen die Hand hin.

      „Freut mich, Sie kennenzulernen. Der Baron hat mir kurz erzählt, welches Pech Sie gehabt haben. – Ich bin kein Mann von langen Worten. Wen ein Eginhard von Blendel mir empfiehlt, ist goldsicher. Kündigen Sie also Ihre Stellung bei den Filmmachern sofort. Ich werde Ihnen eine künstlerische Arbeit zuschanzen. Die Erbprinzessin von Sendlingen besitzt in dem Ostseebade Potgow eine Villa. Dort sind die Decken der Gesellschaftsräume auszumalen. Fertigen Sie also einige Skizzen an, – Seemotive natürlich, und kommen Sie damit übermorgen zu mir. Die Arbeit dürfte ein halbes Jahr dauern, und Sie werden dafür etwa achttausend Mark erhalten, vielleicht auch einen Orden, wenn Sie neben den künstlerischen auch gesellschaftliche Talente besitzen. Daran, daß Ihre Vergangenheit einen – hm, ja – einen so etwas pikanten Beigeschmack hat, stößt ihre Königliche Hoheit sich nicht.“

      Lossen war zum zweitenmal wie betäubt. Die Worte Scharfers rieselten wie ein leise rauschender Wasserfall auf ihn herab. Und dabei kam alles so natürlich heraus, was der Kommerzienrat sagte, so, als ob er sich nicht im geringsten mit seinem Einfluß bei der Erbprinzessin aufspielen wollte.

      Ein seltsamer Herr, dieser Scharfer, dachte Lossen. Jedenfalls aber eine Persönlichkeit trotz der etwas übertriebenen Eleganz und trotz des häßlichen, aufgeschwemmten Gesichts, in dem die dicken Lippen, die dicke Stupsnase und die zugekniffenen Augen hinter den blinkenden Kneifergläsern besonders auffielen.

      Dann durchzuckte den jungen Maler die Erinnerung an das Gespräch, das Scharfer vorhin hier in demselben Raume mit dem Herrn mit der hellen, energischen Stimme gehabt hatte. Und er sagte sich: in dieses Mannes Brust wohnen zwei Seelen. Welches ist die echte? Die, die mit kaltem Spott über einen unschuldig Verurteilten vorher Glossen gemacht, oder die, die sich soeben eines armen Künstlers angenommen hatte …?!

      Lossen verscheuchte diese Gedanken, stammelte ein paar Worte des Dankes und setzte sich wieder. Inzwischen hatte der Baron nach dem alten Leberecht Kniebel geklingelt und zwei weitere Flaschen Sekt bestellt.

      Auch Scharfer hatte Platz genommen. Er mochte etwa fünfzig Jahre alt sein, war aber noch recht frisch und beweglich trotz seines kleinen Bäuchleins.

      Der Baron begann jetzt, wohl absichtlich, ein ganz allgemein gehaltenes Gespräch: Sport, Politik, Theater.

      Scharfer zeigte hierbei durch manche geistvolle Bemerkung, daß unter seinem stark gelichteten Schädel ein nicht geringer Gedankenreichtum schlummerte. Für das Theater schien er am meisten übrig zu haben. Auffällig war es, daß die überlegene Ironie, die vorhin bei der kurzen Rücksprache so deutlich auch im Ton seiner Stimme zutage getreten war, sich jetzt in keiner Weise bemerkbar machte. Im Gegenteil: Lossen fühlte bald so etwas wie Sympathie für den reichen Bankier in sich aufkeimen, obwohl er Leute mit so belegten heiseren Stimmen sonst geradezu verabscheute.

      Blendel sagte jetzt mit gutmütigem Spott:

      „Unseres vielseitigen Kommerzienrats genaue Kenntnis der Berliner Theaterverhältnisse ist in der Hauptsache

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