Скачать книгу

und ihre Strebepfeiler nur dem Schub der Seitenschiffsgewölbe Widerstand zu leisten haben. Außenmauern und Strebepfeiler hätten somit auf ihre geringste Stärke reduziert werden können, ebenso die Innenpfeiler, welche ja nur unter senkrechter Belastung stehen. Allein eine solche Reduzierung hätte für den Bestand des Bauwerkes gefahrdrohend sein müssen. Man wollte den ganzen Chor mit seinen drei Schiffen und seinem Umgang, wie es damals bei Hallenbauten üblich war, unter ein einziges Dach bringen, und ein solches Dach mußte bei den riesigen Dimensionen schon durch sein eigenes Gewicht, dann aber vor allem durch den Winddruck, den es auszuhalten, und die Schneemasse, die es zu tragen hatte, den Gewölbebau ganz beträchtlich belasten. Und so unterblieb die theoretisch zulässige Reduzierung von Pfeiler- und Wandstärke auf das Mindestmaß.

      Abb. 24. Innenansicht vom Ostchor gegen Nordosten.

      Die schlanken Innenpfeiler (Abb. 23) zeigen bereits ausgesprochenen spätgotischen Charakter: ihr Horizontalschnitt besteht aus einem regulären Achteck mit vier angelegten kreisrunden Diensten. Der Pfeilersockel hat die erweiterte Form des Pfeilers, mit dem Unterschied, daß der achteckige Grundriß an den Diagonalseiten zu einem rechteckigen ergänzt ist. Den Übergang vom Sockel zum Pfeiler stellt eine einmalige wellenförmige Abstufung mit zwei kleinen Hohlkehlringen, bei den Ecken eine pyramidenförmige dreiteilige Abstufung her. Kapitäle fehlen. Der Übergang von der Stütze zur Last sollte unmittelbar sein. Doch wurde es unterlassen, den Grundriß des Gewölbanfängers in Übereinstimmung mit dem Pfeilergrundriß zu bringen oder umgekehrt. Denn der Pfeiler hätte, wenn Dienst mit Rippe oder Gurt, Scheidbogen mit einem Teile des Pfeilerkerns selbst sich hätten decken sollen, eine achteckige Grundrißform haben müssen, indem die beiden in der Querachse liegenden Seiten mit je drei Diensten für je einen Gurt und zwei Rippen ausgerüstet gewesen wären; die beiden in der Längsachse liegenden Seiten würden den Scheidbögen entsprochen haben. So aber — bei einem achteckigen Pfeiler mit vier Diensten an den vier Hauptseiten — mußten die seitlich einmündenden drei Rippen, einschließlich eines Gurtes, enger zusammengefaßt werden und sich auf einen einzigen Dienst beschränken, während die übrigen zwei Dienste mit den anschließenden Teilen des Pfeilers in die gänzlich anders profilierten Scheidbögen übergehen. Aber auch die Rippenprofile sind wesentlich verschieden von der runden Form der Dienste, so daß das Gesamtbild des Gewölbanfängers keineswegs mit der Form des Pfeilers übereinstimmt. Gleichwohl wird dadurch, daß sich die einzelnen Rippen und Bögen nur allmählich im Pfeiler verlieren, im Beschauer die Meinung erweckt, als wenn sich der Übergang vom Pfeiler zum Gewölbe in weitem, unmerklichem Fluß vollziehen würde.

      Das in Anwendung gebrachte Gewölbesystem ist das einfache Kreuzgewölbe über quadratischem Grundriß. Der Gewölbescheitel liegt nahezu horizontal, auch in den beiden äußeren Gewölbevierteln der ersten Seitenschiffsjoche, welche wegen des vorhandenen romanischen Mitteldienstes geteilt wurden. Es steht demnach auch die Wandfläche als solche nur unter senkrechter Belastung. Rippen, Gurte, Schildbögen sind unter sich gleich stark und in gleicher Weise profiliert, die Schlußsteine sind kreisrund und führen die Profilierung der Rippen fort. Das Profil der Scheidbögen zeigt zwischen zwei tief einschneidenden Hohlkehlen einen polygonalen Vorsprung.

      Bei der Einwölbung der rechteckigen und dreieckigen Felder des Chorumgangs hatten sich Besonderheiten nicht ergeben. Ebensowenig bei der Einwölbung des Binnenchorabschlusses, indem zu den drei gleich großen Achteckseiten die beiden anstoßenden etwas größeren Pfeilerabstände hereingenommen wurden, so daß die Lösung der Wölbungsfrage in der einfachsten Weise geschehen konnte.

      Das Material des Kappengemäuers ist Bruchstein in Mörtelbettung.

      Dieselbe Einfachheit, mit der Grundriß und Aufriß, beziehungsweise Querschnitt durchgebildet sind, zeigt sich auch bei der Gliederung der Innenwand (Abb. 24). Die bereits gegebene Teilung wurde ohne eigentliche Zutat belassen. Die senkrechte Teilung in einzelne Wandflächen besorgen die Wandpfeiler, oder, besser gesagt, die Fortsetzungen der Wölbungsgurte, welche aber nicht besonders auffällig aus der Wand heraustreten, denn sie haben nicht nur die Profilierung der Rippen, sondern auch deren Stärke behalten. Etwa 4 m über dem Boden beginnen die Fensteröffnungen und ziehen sich hoch hinauf bis an das Gewölbe. Diese starke Betonung des Vertikalen wird nur unterbrochen durch ein in der Nähe und in Verbindung mit den Fensterbänken horizontal um den Chor herumlaufendes Gesims, das jedoch an den Mauerdiensten absetzt. Als einziger Schmuck wurden zu beiden Seiten der Fenster für noch zu stiftende Statuen Konsolen und reich gestaltete Baldachine angebracht (Abb. 25).

      Abb. 25. Baldachin im Ostchor.

      In der Profilierung der Fensterleibungen wechseln mehrere Hohlkehlen, Rundstäbe und Stege miteinander ab. Charakteristisch ist außer der Betonung einer größeren Hohlkehle die Anfügung des Rundstabes, der mit einem Doppelpolster auf einem kanellierten stabförmigen Sockel aufsitzt.

      Die Anwendung der Polychromie war nur spärlich. Trotzdem war der Eindruck des Innenraumes auf den Beschauer ein malerischer. Die Kirche war von Anfang an getüncht, so daß die scharfe Wirkung, welche die nackte Steinarchitektur ausgeübt hätte, wesentlich gemildert erschien. Ungemein wohltuend wirkten dann die einzelnen bemalten Stellen, gleichsam Farbflecke im Gesamtbilde der Architektur. Die Leibungen der Fenster waren mit roter Steinfarbe gestrichen, mit einfachem Strichmuster waren die Gewölbrippen belebt, bunte Fassung mit reichlicher Verwendung von Gold zeigten nur die Schlußsteine. Die farbige Ausschmückung der Chorwände unterhalb der Fensterbank und auch der Baldachine war dem Wohltätigkeitssinn der Patrizier und anderer reicher Familien überlassen, ebenso wie die Ausfüllung der großen Fensterflächen mit Glasmalereien.

      Der Eindruck des Innenraumes an und für sich, des Raumbildes selbst, ist ein überaus günstiger. Schon in der Beleuchtung des Raumes liegt eine Reihe von Vorzügen. Dadurch, daß sämtliche Schiffe gleiche Höhe haben, verteilt sich das Licht gleichmäßig auf den ganzen Raum, es entsteht nirgends eine finstere Ecke. Gesteigert wird diese Wirkung noch durch den Umstand, daß fast sämtliche Fenster mit Glasmalereien bis zur halben Höhe ausgestattet sind, beziehungsweise bei der 1379 erfolgten Einweihung ausgestattet waren, so daß die Beleuchtung den Gewölben zu verstärkt, nach unten gedämpft wird und daß andererseits die tief herabgezogenen Seitenfenster weniger stören.

      Der Charakter des Hallenbaues kommt voll und ganz zum Ausdruck. Die Verzichtleistung auf ein Querschiff und somit auf die Kreuzform überhaupt, der in die Breite gehende Aufbau bei verhältnismäßig kurzer Längenausdehnung des Ganzen haben zur Erreichung des Hallenprinzips den größten Teil beigetragen. Die breite Anlage, der kühne Aufbau kommt erst recht zur Geltung, wenn man von dem romanischen Langhaus in den neuen Chor übertritt. Ein gewisses beengendes Gefühl, das einen in den fest geschlossenen Schiffen — die gotischen Seitenschiffe nicht ausgenommen — überkommt, schwindet mit einemmal, man atmet auf und glaubt in freier Luft zu sein.

      Welch gewaltiger Unterschied liegt da zwischen dem Bauwerk der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts und dem der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts! Ruhen dort die Vorzüge in der Darstellung und in der bis zu einem gewissen Grade konsequenten Durchführung des Organischen, so breitet hier die Raumkunst ihre gesamten Vorteile in mächtiger Entfaltung aus. So verhältnismäßig kurz der dazwischenliegende Zeitraum auch ist, aus dem älteren Bau kann der Neubau nicht erklärt werden; man glaubt vor einem Rätsel zu stehen. Denn der im Anfange des 14. Jahrhunderts erfolgte Umbau der Seitenschiffe des romanischen Langhauses gibt, obwohl er mit ein Glied in der Entwicklungskette bildet, keinen Aufschluß und kann auch keinen geben, da das basilikale System beibehalten worden ist und daher die Seitenschiffe wegen ihrer untergeordneten Bedeutung nicht in Frage kommen können.

      Das Innere des Ostchores zeichnet sich aber auch noch durch besondere Vornehmheit in der Gesamtwirkung aus, ganz im Gegensatz zu der Nüchternheit

Скачать книгу