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Mittelschiffjoche eine bedeutende Höhenentwicklung (Bamberg 2 : 1, Ebrach 3 : 1); ferner eine im Gegensatz zu Bamberg große Entfernung der Gewölbkämpferlinie von den Arkadenbögen, Vorlagen in den Arkadenbögen, von Säulen getragen, nicht vollständige Herabführung der Mittelschiffdienste im Gegensatz zu den Seitenschiffdiensten und schließlich am Außenbau Strebepfeiler. Ebenfalls ist der Rundbogen in den Fenstern, der Spitzbogen in den Arkaden und im Gewölbe vertreten. In der Michelskapelle und zwar in deren jüngerem Teil kehren das sechsteilige Gewölbe, Verringerung der Mauerstärke des Lichtgadens und Aufsitzen des Schildbogens auf kleinen Säulen, außerdem nahverwandte Formen an den Halbsäulenkonsolen und an den Kapitälen wieder.

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      Abb. 15. Portal am südlichen Turm.

      Die soeben festgestellten Übereinstimmungen zwischen St. Sebald und der Ebracher Klosterkirche sind architektonische Elemente, welche dem Bamberger Dombau völlig fern liegen, und zum weitaus größten Teil konstruktiver Natur, in der Hauptsache: das Strebesystem und das System des einfachen Joches. Wir fragen uns nun: wie kamen bei Ebrach zu Anfang des 13. Jahrhunderts diese wesentlichen Elemente gotischen Stiles in die spätromanische Baukunst Ostfrankens?

      Bekanntlich war Frankreich das Kulturland des Mittelalters. Am meisten hatte Deutschland im 13. Jahrhundert den Einfluß Frankreichs im gesamten Bereich der Kultur zu verspüren und nicht zum mindesten in der Baukunst. Mit dem 13. Jahrhundert hatte die Gotik in ihrem Geburtslande Frankreich den Höhepunkt ihrer Entwicklung erreicht, und von dieser Zeit an datiert ihre Einführung nach Deutschland, und zwar in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts die Einführung der entwickelten Gotik, in der ersten Hälfte die Einführung einzelner Elemente dieses Stiles. Und die Einführung einzelner gotischer Elemente wurde von dem weit verbreiteten Orden der Zisterzienser besorgt.

      Gewiß fand in Ebrach auch nach Vollendung des 1126 gegründeten Klosters die Baukunst durch die Mönche und Laienbrüder weiterhin Pflege. Erweiterungen der Klosteranlage, welche durch den rasch anwachsenden Reichtum bedingt wurden, und Aufträge in der Umgegend werden genügend Arbeit zugeführt haben. Als jedoch das Kloster zu Beginn des 13. Jahrhunderts beschloß, einen bedeutenden Neubau dem Zeitcharakter entsprechend aufzuführen, da reichten die vorhandenen bau- und kunstverständigen Mitglieder des Ordens nicht aus, man bedurfte eines bedeutenden Zuwachses neuer Kräfte, insbesondere eines entsprechend geschulten Bauleiters. Es blieb daher nichts anderes übrig, als sich an das Mutterkloster zu wenden und sich von dort eine Anzahl von Konversen samt Baumeister, Parlieren und Steinmetzen kommen zu lassen. Nur auf diese Weise erklärt sich das plötzliche Auftauchen französischer Bauweise in Ostfranken, zumal in Ebrach.

      Zu Beginn des 13. Jahrhunderts waren für die Zisterzienser nicht mehr die fünf burgundischen Hauptkirchen die allein ausschlaggebenden Bauten. Dieselben waren im wesentlichen nunmehr Vorbilder in der Anlage. In allen übrigen Punkten kam jetzt die burgundische Schule überhaupt, also nicht nur die der Zisterzienser speziell, als Ausgangspunkt für neuere Bestrebungen in Betracht, und hier nahmen den ersten Platz die beiden im östlichen oder Niederburgund gelegenen Bauten, die gegen 1200 vollendete Kathedrale von Langres und die um 1220 erbaute mächtige Vorhalle von Cluny ein. Von da aus scheinen die beiden Hauptelemente der französischen Frühgotik, das einfache Wölbungssystem und die Verstrebung, bis nach Ostfranken und nach Nürnberg vorgedrungen zu sein. Auffällig ist nur, daß die dort einen Hauptteil der Hochwandgliederung bildende Triforiengalerie und der Strebebogen in Ebrach keinen Eingang fanden, um so mehr, als die Zisterzienser doch stets ein lebhaftes Streben nach Zweckmäßigkeit im Konstruktiven bekundeten. Nach dieser Richtung also kann Ebrach für St. Sebald nur eine vermittelnde Rolle gespielt haben und nicht selbst Vorbild gewesen sein.

      

      Abb. 16.Abb. 17.

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      Abb. 18. Romanisches Portal am südlichen Turme.

      Jedoch ist ein anderer Weg der Einführung nicht ausgeschlossen. Die Einwölbung des Bamberger Westchores ist ein Werk französischer Frühgotik aus den dreißiger Jahren des 13. Jahrhunderts und hat mit Ebracher Baukunst, als deren Werk oben der übrige Teil des Westchores bezeichnet wurde, nicht das geringste gemein. Im Gegenteil weisen verschiedene Spuren darauf hin, daß die Einwölbung von dem nämlichen Meister geleitet wurde, nach dessen Plänen auch die Westtürme ihre charakteristische Gestalt erhielten. Die beiden Westtürme wurden nach dem Muster der Türme der Kathedrale von Laon gebaut, und diese, das letzte bedeutendste Bauwerk der nordfranzösischen Frühgotik, dessen Vollendung in die Zeit vor 1226 fällt, scheint denselben Anteil an St. Sebald wie die Kathedrale von Langres und die Vorhalle von Cluny zu haben. Ein bestimmtes Ergebnis dürfte natürlich erst durch eine eingehende, die erwähnten Punkte besonders berücksichtigende örtliche Untersuchung jener Bauten zu erzielen sein. Vorerst jedoch hat die Vermutung viel für sich, es gingen die nahen verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen Bamberg und Laon zuletzt auch auf eine Vermittlung von Ebrach zurück und liege so für die Einführung französisch-frühgotischer Elemente in St. Sebald eine durch Ebrach bewirkte Verschmelzung von Einflüssen der beiden angrenzenden Gegenden Burgund und Champagne zugrunde. —

      Bamberg und Ebrach teilen sich in ihre Ansprüche auf die Gestaltung der Kirche St. Sebald. Konstruktion und System fallen Ebrach, Plananlage und Außenbau Bamberg, Ornamentik und Dekoration beiden zu. Man sollte glauben, daß die Wage sich dorthin, von wo Konstruktion und System entlehnt wurden, neigen müsse. Keineswegs. Der Baumeister von St. Sebald hat nie vergessen, daß er eine Pfarrkirche und nicht eine Klosterkirche zu bauen hatte. Das Programm der Zisterzienser lautete auf Verzicht von Krypten, St. Sebald birgt deren zwei, und eine reiche Verwendung plastisch-dekorativer Details wird noch durch die ebenfalls von den Zisterziensern verschmähte Polychromie besonders hervorgehoben. Durch die Kreuzung zweier so grundverschiedener Einflüsse wie die von Bamberg und Ebrach zählt St. Sebald nicht zu den gewöhnlichen Durchschnittsbauten des deutschen Übergangsstiles, sondern nimmt eine besondere Stellung ein. Freilich mußte darunter der einheitliche Charakter des Baues leiden. Einheitlich ist das Innere, einheitlich scheint auch der Außenbau, wenn wir von den Strebebögen absehen, gewesen zu sein; aber nach Ansicht des Außenbaues vermutet man beim Eintritt in das Innere nie und nimmer französische Frühgotik. Außenbau und Innenbau decken sich nicht. Und eben weil der Baumeister eine organische Verschmelzung beider nicht oder vielmehr noch nicht erreicht hat, muß der Bau den spätromanischen Bauten und darf nicht den frühgotischen Bauten eingereiht werden. Es hat sich in Deutschland nirgends aus der Vereinigung des spätromanischen Stiles mit französischen frühgotischen Elementen eine eigene Gotik herausgebildet. Die Gotik mußte als fertiges Ganzes von Frankreich herüber gebracht werden; erst dann konnte man in Deutschland gotisch bauen.

      Tafel IV.

      Das Brauttor.

      Fußnoten:

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