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Beim nördlichen Seitenschiff ist die Galerie des Daches eine Neuschöpfung der letzten Restaurierung, zu der nur spärliche Anhaltspunkte vorhanden waren. Im Gegensatze hierzu bedurfte die Galerie des Portales nur einer Ergänzung; sie ist durch fünf freistehende und zwei Wandpfosten geteilt, welche schlichtes Maßwerk einschließen. Beim südlichen Seitenschiff fehlen sowohl die Wimperge über den Fenstern wie die abschließende Galerie.

      Portale. Die beiden Portale sind bis auf die Galerie, welche am Portal des südlichen Seitenschiffes (Abb. 20) fehlt, vollständig gleich in der Anlage. Das Gewände ist in je vier Abstufungen aufgelöst, deren Kanten durch Stäbe gegliedert sind und in deren Ecken ebensoviele Säulen stehen. Die Säulen bestehen aus je vier Einzelsäulen, sind also gleichsam Säulenbündel. Dieselbe Gliederung setzt sich in Basis und Kapitäl fort. Die Basen ruhen auf Würfelsockeln und diese ihrerseits auf einem glatten Postament. Die trichterförmig sich erweiternden Kapitäle haben bald figürlichen, bald ornamentalen Schmuck; ihre Platten sind durch eine Hohlkehle gegliedert und bilden das Hauptgesims. Der Bogen hat eine dem Gewände entsprechende Gliederung.

      Mauerwerk. Das Mauerwerk der Fassademauer besteht aus Werksteinen, das der Gewölbe aus Bruchsteinen in Mörtelbettung.

      Der eben in seinen Einzelheiten beschriebene Bau der Seitenschiffe von St. Sebald gehört nach der stilistischen Seite noch in die Periode der Hochgotik. Er weist in der ganzen Anlage, in der Verteilung der Massen, in den Proportionen, in der Art der Ausschmückung, in der Ornamentik selbst alle Vorzüge derselben auf.

      Der Meister, dessen Persönlichkeit festzustellen uns bis jetzt nicht gelungen ist, stammte zweifellos aus einer der ersten damaligen Schulen, und zwar aus einer Schule, in welcher die Gotik nicht mehr als französische Anleihe, sondern bereits als deutsches Eigentum behandelt wurde.

      Vielleicht kann ein in den ersten noch romanischen Strebepfeiler der ehemaligen nördlichen Querschiffwand nachträglich eingesetztes männliches Bildnis als Porträt dieses Meisters angesprochen werden.

      Tafel V.

      Grundriß der Sebalduskirche.

      Stilkritische Würdigung. Die bau- und kunstgeschichtlichen Beziehungen der Seitenschiffe zur allgemeinen Entwicklung nachzuweisen, ist nicht leicht. Daß bei den günstigen Maßverhältnissen, bei dem Reichtum des Aufbaues und bei der künstlerischen Ausführung der belebenden Ornamente ein Zusammenhang mit einer einflußreichen Bauschule Deutschlands bestanden hat, versteht sich ja von selbst. Allein die vermittelnden Bindeglieder fehlen, welche an den Ausgangspunkt führen. Zweifellos würden die Bauten der vier Bettelorden, die sich seit den zwanziger Jahren des 13. Jahrhunderts in Nürnberg ansiedelten, imstande sein, Aufschluß zu geben — wenn sie noch beständen. Erhalten ist nur die Barfüßerkirche, aber durch den Umbau im 17. Jahrhundert so verändert, daß ihr ursprüngliches Aussehen vollständig verschwunden ist. Auch mit den auf uns gekommenen Abbildungen der Bettelordenkirchen, meist Stichen des 17. und 18. Jahrhunderts, ist nichts anzufangen, sie sind in der Darstellungsweise zu sehr von dem Stilcharakter ihrer Zeit beeinflußt, als daß sie für eine kunstgeschichtliche Untersuchung in dieser Hinsicht in Frage kommen könnten. Freilich hatten die Kirchen der Bettelorden der Ordensregel entsprechend nirgends eine reichere Ausführung aufzuweisen, sodaß sie für eine direkte Beeinflussung stattlicher Pfarrkirchen überhaupt nicht von Belang sind. Nur indirekt können sie durch Grundrißanlage und Konstruktion des Aufbaues Fingerzeige bei Vergleichung bedeutender Bauten geben, was aber in dem vorliegenden Falle aus dem angeführten Grunde nicht mehr möglich ist.

      Abb. 20. Portal am südlichen Seitenschiff.

      Eine weitere Vermittlerrolle ist der Schwesterkirche St. Lorenz zugefallen, deren Erbauung in den siebziger Jahren des 13. Jahrhunderts begonnen hat. Auch sie hat wie St. Sebald später mehrere durchgreifende Veränderungen erfahren: 1403 eine Erweiterung der Seitenschiffe, 1439–1477 den Bau des neuen Chores. Mit der Erweiterung der Seitenschiffe im Jahre 1403 fielen die alten Mauern und die neuen wurden in die Flucht der Querschiffmauern hinausgerückt. Was vom Mauerkörper der alten Seitenschiffe noch besteht, zeigt indessen eine so nahe Verwandtschaft mit den Seitenschiffen von St. Sebald, daß der Gedanke, es sei der gleiche Meister an beiden Bauten tätig gewesen, sich unwillkürlich aufdrängt. War es doch wohl auch das Nächstliegende, zu den baulichen Veränderungen, die St. Sebald in dieser Epoche erfuhr, Werkleute der eben im Bau begriffenen neuen Pfarrkirche heranzuziehen. Der alte Bau von St. Lorenz seinerseits deutet in stilistischer Hinsicht auf die Schule von Freiburg. Die Bauzeit deckt sich ungefähr mit der des Langhauses vom Freiburger Münster und dehnt sich noch über dieselbe aus. Vor allem erinnert der ganze innere Aufbau an Freiburg, nur mit dem Unterschiede, daß die bei beiden bereits vorhandenen Reduktionserscheinungen an der Kirche St. Lorenz noch um einen Grad stärker eingegriffen haben: die Hochwand ist durch den Mangel des die vorausgegangene Epoche auszeichnenden Triforiums wieder eine wirkliche Mauer geworden, die Fensteröffnungen sind verringert. Die Säulenbündeln ähnlichen Pfeiler sind nahe verwandt. An den Kapitälen fehlt bei St. Lorenz fast durchgehends schon das Laubwerk. Die Raumwirkung ist hier günstig, während bei Freiburg die Rücksichtnahme auf ältere Bauteile die Raumverhältnisse wesentlich beeinträchtigt hat. In der Anlage der Fassade geht St. Lorenz auf das Straßburger Münster zurück, wie überhaupt bei den Wechselbeziehungen zwischen Freiburg und Straßburg die Einflüsse einer dieser Schulen stets mit denen der anderen gemischt sind.

      Obwohl die Erweiterung der Seitenschiffe bei St. Sebald erst im Beginn des 14. Jahrhunderts in Angriff genommen wurde, sind hier die Reduktionserscheinungen relativ gering. So nehmen die Fenster die ganze Wandfläche ein, der ornamentale Schmuck ist noch reich. Dieser, die Pfeilerbildung, insbesondere die für Figuren bestimmten Nischen und Baldachine an den Pfeilern gemahnen an Freiburg. Dagegen wird die Frage der Herkunft der Fensterwimperge mit Freiburg nicht gelöst. Die Schönheit, welche in der fortlaufenden Abwechslung der bekrönenden Strebepfeilerfialen, Wimperge und Galerien liegt, hatte man im 13. Jahrhundert zu würdigen gewußt. Von Frankreich ausgehend, verbreitete sich dieses Motiv rasch über Deutschland. Alle bedeutenderen Bauten sind damit geziert. Zu den Reduktionserscheinungen im 14. Jahrhundert zählt auch der Verzicht auf die Wimperge, nur die Galerien wurden neben den Fialen beibehalten. Es ist anzunehmen, daß, wie bei St. Lorenz die ganze Anlage auf Freiburg und nur die Fassade auf Straßburg zurückgeht, so bei St. Sebald die Wimperge ebenfalls mittelbar oder unmittelbar eine Entlehnung vom Straßburger Münster bedeuten, wo sich dieselben nicht nur über Portalen und einzelnen Fenstern der Fassade,[45]

       [46]

       [47] sondern im Verein mit Fialen und Galerien an den Seitenschiffen finden. Die Wölbung hinwiederum ist der im Freiburger Münster eng verwandt, hier wie dort Gewölbe mit wagerechtem Scheitel, während bei den Gewölben des Straßburger Münsters Busung und konkave Scheitellinien anzutreffen sind.

      Abb. 21 a–d. Fenster-Maßwerke der Seitenschiffe.

      Abb. 22 und 22a. Brauttor.

      Der romanische Bau von St. Sebald war, so viele gotische Elemente er auch in sich aufgenommen hatte, in seinem Kern nur wenig berührt worden. Mit dem Umbau der Seitenschiffe dagegen hatte die Gotik in ihrer reifsten Form Ausdruck erhalten. Der gewaltige Umschwung, der sich während der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts in der deutschen Baukunst vollzogen hatte, ist aus diesem Gegensatz deutlich zu erkennen: Anfangs- und Endstadium stehen nebeneinander. Dort der Ausgang einer Epoche mit deutlichen Anzeichen des neuen Stiles, hier bereits ein fertiges Produkt desselben; die Zwischenstufen fehlen. Allein so sehr beim romanischen Bau die importierten Elemente auf den Schauplatz hinweisen, auf welchem der gotische Stil zur Entwicklung gebracht

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