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Gotik auf deutschem Boden schon zur Vergangenheit, hier hat die Gotik deutsches Bürgerrecht erworben. Die Seitenschiffe stehen aber auch schon hart an der Grenze, jenseits welcher man zu reduzieren begonnen hat. Sie sind eine Schöpfung der Hochgotik mit allen Vorzügen derselben. Sie sind das Beste, was die gotische Baukunst in Nürnberg geschaffen hat.

      Die Fensterausbrüche im Querschiff und Westchor. Die der Kirche durch die breiten neuen Fenster der Seitenschiffe zugeführte Lichtmenge war bedeutend und mußte den Wunsch erwecken, auch an anderen Wänden der Kirche die romanischen Fenster durch Ausbrüche zu verbreitern, um so mehr, als in bezug auf größere Lichtfülle die in der Vollendung begriffene St. Lorenzkirche zur Nacheiferung aufforderte. So sehen wir denn weiterhin an Stelle der romanischen Kreisfenster in den Querschiffwänden breite vierteilige Maßwerkfenster entstehen, von denen die Kämpferkapitäle jetzt noch vorhanden sind und zeigen, daß beim späteren Ostchorbau nur eine Verlängerung der schon vorhandenen Fenster stattgefunden hat.

      Aus dem gleichen Bedürfnisse erwuchs schließlich auch die Umwandlung der romanischen Fenster in den drei mittleren Feldern des Westchores, die bis dahin, wie die noch vorhandenen seitlichen Fenster ausweisen, aus je zwei Öffnungen bestanden, in zweiteilige gotische Maßwerkfenster. Über die genauere zeitliche Reihenfolge dieser Fensterausbrüche läßt sich völlig Sicheres nicht feststellen.

      Auf diese Weise hatte also der romanische Bau eine ganz veränderte Beleuchtung, nämlich die heute noch vorhandene, erhalten. Die ursprünglich gedämpfte und feierliche Lichtwirkung, die in den Schiffen und Chören der romanischen Kirche geherrscht hat, können wir uns nur mehr in der Vorstellung vergegenwärtigen.

      Einen eigentümlichen Reiz muß in dieser Zwischenperiode die ganze Erscheinung der Kirche, namentlich das romanische Querschiff mit seinen gotischen Maßwerkfenstern, geboten haben.

      Die neuen Portale am Querschiff. Im Zusammenhang mit diesen baulichen Veränderungen ist hier schließlich noch die Anlage zweier neuer Portale an den ersten Querschiffjochen zu erwähnen, die offenbar bereits dieser Bauperiode der Kirche angehört: das Brautportal (Taf. IV und Abb. 22 und 22a) im östlichen Joch des nördlichen Querschiffarmes zwischen den romanischen Strebepfeilern, zeigt ein reich profiliertes Gewände, innerhalb dessen die Statuen der klugen und törichten Jungfrauen auf Konsolen unter Baldachinen aufgestellt sind. Nach oben schließt das Portal mit einem Spitzbogen und darüber horizontal in rechtwinkeliger Form ab. In der Spitze des Bogens ist das Brustbild des segnenden Heilands, zu beiden Seiten sind die Statuen Adam und Eva angebracht. Das jetzt leere Tympanonfeld kann ehemals eine Skulptur, vielleicht aber auch nur ein Maßwerk enthalten haben.

      Eine wirkungsvolle Zutat, die aber einen Teil der früheren Anlage verdeckt, erhielt das Portal ein paar Dezennien später durch den Vorbau eines reich ausgebildeten durchbrochenen Maßwerkes, neben dem zwei Statuen — rechts der hl. Sebald und links Maria mit dem Christuskinde — auf Konsolen und unter Baldachinen ihren Platz fanden.

      Am südlichen Querschiffarme, ebenfalls zwischen den romanischen Strebepfeilern des westlichen Joches, wurde das Dreikönigsportal angelegt. In einfacherer Weise als beim Brauttor zeigt das Portal ein reich profiliertes Gewände und als Abschluß einen Spitzbogen, in dessen Tympanonfeld heute eine nach dem Innern der Kirche hin gerichtete Holzskulptur (Epitaphium der sel. Ebnerin) angebracht ist. Nach außen wurde zwischen den Strebepfeilern durch den Einbau eines Gewölbes mit profilierten Rippen eine Vorhalle geschaffen, an deren Wänden in Nischen auf vier Konsolen Maria mit dem Christuskinde und je einer der drei Weisen mit ihren Geschenken als Rundfiguren angebracht sind.

       Inhaltsverzeichnis

      Der im Jahre 1309 begonnene Umbau der Seitenschiffe konnte, wenn auch die Kirche ungefähr 100 qm an Flächenraum gewann, nicht als eigentlicher Erweiterungsbau gelten. Es waren eben nur die Seitenschiffe, welche bei dem Besuch der Kirche während des Hauptgottesdienstes wenig in Frage kommen, erweitert worden, Mittelschiff und Chor waren geblieben, wie sie in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts angelegt waren.

      Auf die Dauer genügte demnach die Kirche St. Sebald ihrer immer mehr anwachsenden Gemeinde nicht. Wir wissen ja, daß die Stadtgrenze in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts mit jenem Mauerzug bestimmt wurde, welcher im heutigen Stadtbild am Weißen Turm und dem Laufer Schlagturm noch deutlich zu erkennen ist, und daß noch vor der Mitte des folgenden Jahrhunderts diese Grenze auf den jetzigen Stadtgraben hinaus verlegt wurde, was doch in Anbetracht der kurzen Zeit zweifellos auf eine rasche Bevölkerungszunahme der Stadt und insbesondere der Pfarrei St. Sebald schließen läßt.[18][19]

      Angesichts dieses starken Bevölkerungszuwachses konnte auch die in den Jahren 1355–1361 auf dem Markt erbaute Kapelle zu Unserer Lieben Frau keine Entlastung für die Kirche St. Sebald bedeuten.

      Mitbestimmend für die notwendige Erweiterung der Kirche St. Sebald war wesentlich folgender Punkt.

      Mit der Zunahme der Bevölkerung war auch Nürnbergs politische und kulturelle Bedeutung gestiegen.

      Tafel VI.

      Längenschnitt der Sebalduskirche.

      Die außerordentlich günstige zentrale Lage des Ortes, seine Stellung als bevorzugte Reichsstadt, in der sich die deutschen Könige und Kaiser oft und lange aufhielten und die sie durch bedeutende Handels- und sonstige Privilegien auf alle Weise förderten, die große Gunst und Liebe, die besonders die beiden Kaiser Ludwig der Bayer und Karl IV. der Stadt angedeihen ließen, dann aber, und das war nicht weniger wichtig, die unerschöpfliche Arbeitskraft und Arbeitslust seiner Bevölkerung sowie die Intelligenz und der Unternehmungsgeist seiner Geschlechter und der übrigen bedeutenden Kaufmannschaft, hatte das Wachstum und die Blüte Nürnbergs so mächtig gefördert, daß es bereits um die Mitte des 14. Jahrhunderts in sonst kaum beobachteter rascher Entwicklung sich eine weltgeschichtliche Bedeutung errungen hatte. Es ist richtig, die Entwicklung Nürnbergs auf allen Gebieten, dem des Handels und der Gewerbe, der Kunst und der Wissenschaft, tritt zu keiner Zeit so deutlich und herrlich in die Erscheinung wie gegen Ende des 15. und im ersten Viertel des 16. Jahrhunderts, wo eine auserlesene Schar hervorragender, ja einziger Kräfte auf dem Gebiete des Gewerbes, insbesondere des Kunstgewerbes in Nürnberg wirkten und, man möchte sagen, die Fürsten im Reiche der Kunst und des Kunsthandwerkes dieser einzigen Stadt ihren Glanz durch Jahrhunderte verliehen. Aber einen ersten bedeutenden Höhepunkt erreichte das Kunstleben der Stadt, entsprechend der bedeutenden Entwicklung, die das Gemeinwesen sowohl als auch die handelspolitische Bedeutung der Stadt genommen hatte, schon in der glanzvollen Epoche der gotischen Kirchenbauten. Da kann es denn nicht wundernehmen, daß man, als das Bedürfnis einer Erweiterung der Hauptpfarrkirche immer dringender hervortrat, an Stelle des Ostchors, für dessen Stilcharakter man kein Verständnis mehr hatte, und der auch den gesteigerten Ansprüchen viel zu bescheiden, ja armselig erscheinen mochte, einen stattlichen, dem modernen Geschmack angepaßten Neubau erstehen ließ.

      Ende der fünfziger Jahre wurde bereits für den Neubau zu sammeln begonnen, wie zwei Ablaßurkunden vom 23. Februar und 21. September des Jahres 1358 beweisen.[20] 1360 wurde ein am Friedhof von St. Sebald gelegenes und dem Egidienkloster gehöriges Haus gegen ein zum Kirchenvermögen von St. Sebald gehöriges Anwesen umgetauscht, was wohl nur daraus verständlich wird, daß jenes Haus hart an der Friedhofmauer, in nächster Nähe des alten Ostchores lag und behufs Niederlegen von der Kirchenverwaltung von St. Sebald erworben werden mußte.[21] Im Sommer 1361 nahm man den Neubau in Angriff.[22] Daß Geld stets vonnöten war, besagt unter anderem der 1362 zur Förderung des Neubaues erteilte Ablaß.[23] Im Frühjahr 1364 war der Bau bereits weit vorgeschritten; der Pfarrer Albrecht Krauter, der sich um den Neubau seiner Kirche sehr verdient gemacht hat, stellte der Stadt einen Revers über die Nichterweiterung des Friedhofes aus, obwohl das Areal desselben

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