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weil sie dem Zeitgeist am besten entsprach und weil die in ihrem Wesen begründet liegende Einfachheit im Raum sowohl wie in der Konstruktion und die daraus sich ergebende größere Sparsamkeit der Bauausführung ihr den Vorzug vor dem basilikalen Bausystem gaben. Am meisten wurde die neue Bauart in der deutschen Spätgotik in zwei ganz verschiedenen Gegenden kultiviert: in Hessen und in Westfalen einerseits, in Schwaben und in den bayerischen Ländern andererseits. Dabei hatten sich bald verschiedene Typen gebildet oder es wurden frühere Typen wieder aufgegriffen und so entstanden Hallenkirchen mit glattem Schluß der Schiffe, solche mit polygon geschlossenem, vorgeschobenem Chor und solche mit Chorumgang. Der letztere Typus hatte sich vornehmlich im nordöstlichen Schwaben, in Bayern und Österreich eingebürgert, und so scheint auch unser Ostchor von St. Sebald mit in die Gruppe zu gehören.

      Der erste Bau dieser langen Reihe von unter sich mehr oder weniger verwandten Hallenkirchen war die Heiligkreuzkirche zu Schwäbisch-Gmünd, erbaut von dem aus Köln gebürtigen Meister Heinrich Parler.[36] Die Bauzeit dieser Kirche umfaßt nahezu ein Jahrhundert: in den zwanziger Jahren des 14. Jahrhunderts wurde an Stelle einer romanischen Kirche mit dem Bau des Langhauses begonnen, 1351 wurde der Neubau des Chores in Angriff genommen und erst 1414 fand die Einweihung des ganzen Bauwerkes statt. Aus den letzten Jahren dieser Bauzeit wird die Einwölbung dieses Langhauses stammen. Das Gewölbe des Chores gehört erst dem Ausgang des 15. Jahrhunderts an.

      In der Anlage nun ist die Heiligkreuzkirche in Gmünd eine dreischiffige Hallenkirche mit Chorumgang und Kapellenkranz. Die Seitenschiffe sind bedeutend schmäler als das Mittelschiff, im Chor noch mehr als im Langhaus; die Gewölbfelder im Mittelschiff sind rechteckig, die in den Seitenschiffen haben fast quadratische Form. Der Abschluß des Binnenchors ist aus drei Seiten gebildet, welchen im Chorumgang sieben Seiten entsprechen, so daß in der Mittelachse ein Chorfenster liegt. Die Strebepfeiler des Chores sind in ihrer unteren Hälfte zur Bildung von Kapellen eingezogen, welche geradlinig geschlossen sind. Von der ursprünglich geplanten Wölbung kann nicht viel gesagt werden, doch soviel scheint sicher, daß die Scheitelhöhe der Gewölbe auch damals schon in den drei Schiffen einander gleich gedacht war; daraus hätte sich dann, ebenso wie es jetzt der Fall ist, für das Mittelschiff eine gedrücktere, für die Seitenschiffe eine schlankere Form der Gewölbe und eine ungleiche Verteilung der Drucklinien ergeben. Die Gewölbe ruhen auf Säulen.

      

      Der Bau des Ostchors von St. Sebald, in der Bauzeit mit der Gmünder Kirche teilweise sogar zusammenfallend, scheint unter dem Einflusse derselben zu stehen.

      Das Prinzip der Hallenkirche ist beim Ostchor von St. Sebald viel reiner zur Erscheinung gekommen als bei der Heiligkreuzkirche zu Schwäbisch-Gmünd. Die langgestreckte Ausdehnung hier konnte bei St. Sebald leicht vermieden werden, da es sich in Wirklichkeit nur um einen Chor und nicht um eine ganze Kirche handelte, und auch das gleiche Maß der Schiffsbreiten, wenn auch nicht bei jedem Joch genau eingehalten, war mit dem Anschluß an die drei Quadrate des romanischen Querschiffes gegeben. Und infolge der gleichen Höhe der drei Schiffe wird der Schub der mittleren Gewölbe aufgehoben, die inneren Pfeiler sind nur senkrecht belastet und den Strebepfeilern außen obliegt lediglich die Aufgabe des Widerstandes gegen den Gewölbeschub der äußeren Schiffe. Es hat somit eine in jeder Weise gleichmäßige Gestaltung des Baues bewirkt werden können, und so sieht der Beschauer im Innern des Chores nach jeder Richtung hin das gleiche System, wohl das Endziel des Hallenbaues, was bei der Heiligkreuzkirche in Schwäbisch-Gmünd bei weitem nicht der Fall ist.

      Nun liegt allerdings zwischen der 1326 mit dem Schiffe und 1351 mit dem Chor begonnenen Heiligkreuzkirche zu Gmünd und dem 1361 begonnenen Ostchor von St. Sebald der Bau der Nürnberger Liebfrauenkirche. Man fragt sich unwillkürlich, ob nicht diese Kirche das Bindeglied zwischen den beiden verwandten Bauten darstellte, d. h. ob denn ohne den Vorgang der Liebfrauenkirche die Fortschritte am Bau von St. Sebald wohl denkbar gewesen wären.

      Innerhalb der schwäbisch-bayerischen Gruppe, und nur diese kommt hier in Betracht, ist die Liebfrauenkirche der erste Hallenbau mit gleich weiten Jochen, in die Länge wie in die Breite gemessen: der Grundriß besteht aus neun großen Quadraten. Abgesehen von diesem besonderen Punkte besteht im übrigen eine engere Verwandtschaft dieser Kirche mit der Heiligkreuzkirche in Gmünd. Es sei hier nur an die gleiche Bildung der Gewölbestützen in Form zylindrischer Schäfte oder runder Säulen mit Blattwerkkranz als Kapitäl und vor allem an die Gestaltung der Fassade erinnert. Die Verschiedenheit im Verhältnis des Mittelschiffes zu den Seitenschiffen hat aber aller Wahrscheinlichkeit nach darin ihren Grund, daß in Schwäbisch-Gmünd zum Teil der Grundriß der abgebrochenen romanischen Kirche, vielleicht auch deren Grundmauern mit in den Neubau aufgenommen wurden, und daß dem Baumeister die Anlage mit schmäleren Seitenschiffen gar nicht unwillkommen war wegen der einfachen Lösung der Frage der Umführung derselben um den Binnenchor, während an der Nürnberger Frauenkirche, als an einer Hallenkirche mit vorgeschobenem Chor, ohne Schwierigkeit das Prinzip des gleichen Maßes bei Mittel- und Seitenschiff zur Durchführung gelangen konnte.

      Und dennoch wird man zugeben müssen, daß in der Entwicklung von der Heiligkreuzkirche in Gmünd zur Sebaldkirche in Nürnberg die Frauenkirche ein Zwischenglied nicht bildet. Denn der einzige übereinstimmende Punkt bei den zwei Nürnberger Kirchen ist eben das bei Seitenschiffen und Mittelschiff gleiche Maßverhältnis.

      Wie oben bereits angedeutet, hängt beim Ostchor von St. Sebald die Teilung in drei gleiche Schiffe mit dem Anschluß an das vorhandene, in den Neubau übernommene romanische Querschiff zusammen. Von dem romanischen Querschiff wurde beim Neubau verwertet die ganze Westwand und die beiden Schmalwände. Auf das relativ hohe Gewölbe verzichtete man, da das neue Gewölbe im ganzen Chor durchweg noch um 1·5 m höher gelegt werden sollte. Dagegen ließ man die Mitteldienste an den Seitenwänden bestehen und, um sie nicht ohne Bestimmungszweck zu lassen, teilte man wie beim romanischen Bau die beiden äußeren Gewölbeviertel wiederum in je zwei Achtel.

      Daß die östlichen Vierungspfeiler neuen Pfeilern weichen mußten, erscheint selbstverständlich. Jedoch steht, wenn auch bei Errichtung der neuen Pfeiler das Fundament der alten Pfeiler mitbenutzt wurde, die Achse des nördlichen Pfeilers außerhalb der Achse des alten.

      Bei näherer Betrachtung des Grundrisses findet man zunächst, daß sich der ganze Chor von Westen nach Osten fortschreitend verbreitert, sowie ferner, daß seine Achse um einige Grade nach Norden verschoben ist.

      Was das Abbiegen der Längsachse anlangt, die man auch bei anderen mittelalterlichen Kirchen, wenn auch nicht in so starkem Maße, beobachten kann, so gibt es dafür verschiedene Erklärungsversuche, die sich auf die Annahme schlechten Baugrundes oder von Mängeln in der Visierung stützen. Einwandfrei ist jedoch diese Frage bis jetzt noch nicht gelöst worden.

      Die andere Unregelmäßigkeit in der Anlage des neuen Chors mag vielleicht darin ihren Grund gehabt haben, daß einer allzu großen Ungleichheit der Gewölbefelder bei dem sich verengernden Chorumgang dadurch vorgebeugt und zugleich für die am Hochaltar vorzunehmende Kulthandlung Raum gewonnen wurde. Ebenso beabsichtigt erscheint die allmähliche Verringerung der Abstände der Mittelpfeiler von Westen nach Osten, die es bewirkt, daß sich die Zwischenräume zwischen den Abschlußpfeilern des Binnenchors harmonisch dem Rhythmus der Pfeileranlage einpassen.

      Dabei wurden diese offenbaren Unregelmäßigkeiten vom Baumeister von St. Sebald in so unauffälliger Weise vorgenommen, daß wir, im Innern der Kirche stehend, von den einzelnen Verschiebungen, Verkürzungen und sonstigen Unregelmäßigkeiten, ohne vorher darauf aufmerksam gemacht zu sein, gar nichts wahrnehmen.

      Zeigen schon diese Maßnahmen, die sich zum Teil aus der Notwendigkeit ergaben, eine Choranlage von fortentwickelten Raumabsichten mit der ganz anders gearteten Raumwirkung der älteren Kirche in Einklang zu bringen, den Baumeister von St. Sebald als überlegenen Geist, dem wir ohne Zweifel auch einen wesentlichen Anteil an der Entwicklung der Baugedanken seiner Zeit zutrauen dürfen, so wird diese Vermutung auch durch die Betrachtung der Durchbildung des Aufrisses bestätigt.

      Wie bereits oben erwähnt, ist es uns bei der Gmünder Kirche nicht mehr möglich, die vom Meister Heinrich Parler ursprünglich geplante Wölbung mit Sicherheit zu rekonstruieren; wir wissen nicht, war ein komplizierteres oder ein einfacheres System gewählt worden. Mit Bezug auf

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