Скачать книгу

Zudem zeigte sich derselbe auch frei von dem Streben nach der in der Spätzeit so beliebten Kontrastwirkung und hat kleinliche Details streng vermieden. Bei dem Gebrauch des dekorativen Elementes hat er sich eine weise Beschränkung auferlegt.

      Die Struktur des Außenbaues (Taf. VII, VIII, IX) ist analog der Gestaltung der Innenwand an sich wenig reich an Gliederung. Es wechseln die schlanken Strebepfeiler mit den fast ebensolangen Fenstern ab, also in der Hauptsache ebenfalls Betonung des Vertikalen. In Vereinigung mit den Fensterbänken zieht sich ein kräftiges Gesims um den ganzen Chor herum, die Streben mitinbegriffen, und als zweite Horizontallinie kann die auf der Chormauer aufsitzende Galeriebrüstung betrachtet werden. So einfach, ja man möchte sagen, so primitiv die Gliederung des durch die Hallenanlage bedingten Außenbaues ist, schwerfällig kann derselbe keineswegs genannt werden. Denn mit der Wahl von sieben Seiten des Sechzehnecks für den Chorabschluß wurde eine enge Aneinanderreihung der Streben erzielt, so daß die verhältnismäßig schmalen Fenster nahezu die ganze Zwischenwand einnehmen und somit das Mauerwerk wesentlich auf den konstruktiven Bedarf reduziert wird. Und auch Eintönigkeit und Einförmigkeit, die eine natürliche Folge im Außenbau einer solchen Anlage hätten sein müssen, sind durch Gliederung im einzelnen und durch reichen Aufwand an Dekoration gänzlich vermieden worden.

      Eine Gliederung des Mauerwerks unterhalb des in Fensterhöhe sich herumziehenden Gesimses ist unterlassen worden; nur ein schlichter Sockel, wie am übrigen Bau wellenförmig mit der Mauer verbunden, ist zu erwähnen. Erst von dem Hauptgesims ab beginnt die Architektur lebendig zu werden. Die sich verjüngenden Strebepfeiler sind in drei Stockwerke abgeteilt, wobei die markierenden feinen Gesimse auch auf die zwischen Pfeiler und Fenster als Rest verbliebenen Wandstreifen übergreifen. Die einzelnen Absätze nun sind mit einer Fülle von Blendwerk, jedoch in klarer Disposition, ausgestattet. Die Blendnischen der unteren Stockwerke enthalten zur Aufnahme von Statuen Baldachine (Abb. 27 und a, b) und Konsolen, welch letztere, bald auf Säulen ruhend, bald nur in die Wand eingelassen, ornamentalen und figürlichen Schmuck zeigen; neben den Fenstern sind, entsprechend dem Pfeiler, zu demselben Zweck Postamente, auf dem Hauptgesims stehend, und hohe, bis an das nächste Pfeilerstockwerk hinaufragende Baldachine angebracht. Das Blendwerk des zweiten Stockwerkes setzt sich auch auf die Wand bis an die Fenster hin fort; dagegen fehlen hier Konsolen und Baldachine. Vorne ist dieses Stockwerk dreieckig gestaltet, die Nischen der beiden Dreiecksseiten enthalten wiederum kleine Postamente und Baldachine; über dem Dreieck erhebt sich eine mit Krabben und Kreuzblume geschmückte Fiale bis über die Hälfte des nächsten Stockwerkes, dessen Blendwerkgliederung infolge des geringeren Umfanges wesentlich vereinfacht ist.

      Tafel VII.

      Grundrißentwicklung der Strebepfeiler am Ostchor.

      Tafel VIII.

      Ansicht eines Ostchorjoches.

      Tafel IX.

      Seitenansicht und Schnitt eines Strebepfeilers am Ostchor.

      

      Die Profilierung der Fensterleibungen ist ähnlich der an der Innenwand und wird hauptsächlich durch eine größere Hohlkehle bestimmt. Das Maßwerk der Fenster hat noch keine komplizierten Formen und erinnert meist an die Zeit der Hochgotik. Die vier Teile, in welche die Fenster durch einen stärkeren Mittel- und zwei schwächere Seitenpfosten geteilt sind, schließen einzeln mit Spitzbögen ab, welche wiederum paarweise zusammengefaßt sind, und die Füllung in diesen beiden Spitzbögen bilden gewöhnlich Dreipässe. Nur in den Fenstern des ehemals romanischen Querhauses, die durch Verlängerung der dort schon bestandenen gotischen Fenster entstanden sind, ist die Bildung der Maßwerkfüllung eine freiere, weniger zum Gesamtorganismus passende, es tritt sogar die Fischblase auf.

      Über den Fenstern ragen Wimperge, in Kreuzblumen endigend und mit Laubbossen auf den Kanten, empor; sie sitzen seitlich auf hohen, bis zur Fensterbank hinabreichenden Rundstäben auf und überschneiden oben die zinnenbekrönte, an ihrem Fuß mit Ranken und Blattwerkfries geschmückte Galerie. Ein weiteres, die Gesamtarchitektur belebendes Moment sind die mit Blendwerk, Krabben und Kreuzblumen ausgestatteten Fialen auf den Strebepfeilern.

      So ist es gelungen, durch Gliederung im einzelnen wie durch reiche, aber immer maßvolle Entfaltung ornamentalen Schmuckes den Mangel an Gliederung des Ganzen zu ersetzen. Und außerdem ist mit dem von der Chorgalerie, den Fensterwimpergen und Fialen gebildeten prächtigen Kranz für den Beschauer ein gut Teil des gewaltigen Daches verdeckt.

      Die Westwand des romanischen Querhauses, welche schon wegen der höheren Einwölbung des neuen Ostchores erhöht werden mußte, ist bis über den First des romanischen Mittelschiffes weitergeführt, jedoch nicht bis zum First des Chordaches, sondern, vielleicht um weniger Widerstand gegen Wind und Wetter zu bieten, vielleicht auch nur aus Sparsamkeitsrücksichten, abgewalmt.[35]

      Der Eindruck des Außenbaues auf den Beschauer ist ein mächtiger, um so mehr, als man beim Anblick unwillkürlich zum Vergleich mit den älteren, in kleineren Verhältnissen errichteten Bauteilen der Kirche gezwungen wird. Nur liegt hier die Sache anders als beim Innenbau. Dort wird der Hauptunterschied mehr in der Breitendimension gefunden, hier mehr in der Höhendimension.

      Ist auch das Mauerwerk des neuen Ostchors nicht bedeutend höher als die romanische Hochwand, so übt doch das Dach mit seiner mächtigen Ausdehnung eine geradezu erdrückende Wirkung auf den übrigen Bau aus, und zwar deswegen, weil die drei Schiffe mit einem einzigen Sattel überzogen sind. Angenommen, es wäre möglich gewesen, jedem einzelnen der Chorschiffe, wie es z. B. bei verschiedenen Bauten in Hessen öfters der Fall ist, eine besondere Bedachung aufzusetzen, so würden diese einzelnen Dächer ebenso wie das Mauerwerk das romanische Mittelschiff nur wenig überragt haben. So aber ist der neue Ostchor mitbestimmend für das Stadtbild geworden, was hundert Jahre später auch bei der Kirche St. Lorenz der Fall war. In der Silhouette der Stadt, welche mit der Burg und den beiden Turmpaaren von St. Sebald und St. Lorenz im wesentlichen gegeben ist, ragen auch die beiden Chorbauten empor; von Westen gesehen, blicken sie durch die Türme durch, von Süden gesehen gewähren sie den Anschein, als wäre jede Verbindung zwischen ihnen und ihren Türmen aufgehoben.

      Ein Vergleich des Neubaues mit dem alten Bau drängt sich aber noch bezüglich der Wirkung der Architektur selbst auf. Der Unterschied zwischen dem Ostchor und der romanischen Hochwand ist im Außenbau noch überraschender als im Innenbau. Denn hier fehlt beim romanischen Bau jegliche Struktur. Aus der glatten Wand mit den fünf rundbogigen Fenstern ist ein Rückschluß auf die Art der Innenkonstruktion, beziehungsweise der Einwölbung unmöglich. Doch tritt für den Beschauer der romanische Teil des Baues zu sehr in den Hintergrund zurück, als daß er unbedingt zu einem Vergleich mit dem Chor herausfordern würde. Anders verhält es sich mit den Seitenschiffen. Im Innern werden dieselben trotz ihrer erheblichen Breite kaum beachtet. Ihr Außenbau jedoch führt eine beredte Sprache. Seit 1309 begonnen, zeigen sie in der Gliederung der Architektur wie in der Dekoration den Geist der Hochgotik, voll Feinheit und Geschmack. Und der Stilcharakter im Außenbau des Ostchores scheint bei der über ein halbes Jahrhundert betragenden Zeitdifferenz nicht weit verschieden zu sein: dasselbe Prinzip der Gliederung und Dekoration hier wie dort, bestehend in Galeriebrüstung und überschneidenden Fensterwimpergen und Pfeilerfialen.

      Stilkritische Würdigung. Wir fragen uns nun, welche Stelle nimmt der Ostchor von St. Sebald in der Bau- und Kunstgeschichte seiner Zeit ein, in welchen Beziehungen steht dieser Bau zu anderen Hallenbauten und aus welchen Quellen hat sein Meister geschöpft?

      Die Hallenkirche

Скачать книгу