Скачать книгу

des Binnenchores die Verbindung von Kreuz- und Sterngewölbe anzunehmen. Was nun den Chorumgang anlangt, so wäre die einfachste Lösung gewiß die: anschließend an die Seitenschiffe zunächst je ein vierteiliges Kreuzgewölbe mit ungleichen Seiten und Diagonalen, dann je zwei dreiteilige Gewölbe und zum Schlusse wieder ein vierteiliges Kreuzgewölbe. Die Stützen der Gewölbe sind runde Säulenschäfte, deren Kapitäle meist aus zwei Blattwerkkränzen mit polychromer Platte bestehen. Also von einer organisch-konstruktiven Verbindung von Gewölbe und Gewölbstütze keine Rede.

      Anders bei St. Sebald. Das Wölbungssystem stimmt mit dem an der Gmünder Kirche eben rekonstruierten so ziemlich überein, bis auf den Chorumgang, dessen Einwölbung sich hier infolge des für den Binnenchorabschluß gewählten Achtecks natürlicher gestalten mußte: es wechseln vier dreieckige Felder mit drei rechteckigen ab. Der Hauptunterschied liegt jedoch darin, daß hier das Gewölbe nicht auf runden, sondern auf polygonalen Stützen ruht, d. h. nicht auf Säulen, sondern auf Pfeilern, und zwar haben diese Pfeiler achteckige Form mit vier vorgelegten Diensten. Ferner ist der Ansatz des Gewölbes nicht durch ein Kapitäl markiert, sondern Scheidbögen, Gurtbögen und Rippen wachsen gleichsam unmittelbar aus den Diensten, zum Teil auch aus dem polygonalen Pfeiler selbst heraus. In Anbetracht der dem Wesen des Hallenbaues zugrunde liegenden Tendenz der Vereinfachung alles Konstruktiven bedeuten also die Pfeiler im Chor von St. Sebald gegenüber den Säulen der Gmünder Kirche einen Fortschritt in der Entwicklung.

      Vorbildlich für die Pfeilerbildung im Ostchor von St. Sebald mag die Frauenkirche in Eßlingen gewesen sein. Bekanntlich besteht die Schwäbische Schule des 14. und 15. Jahrhunderts aus zwei Gruppen, von welchen der einen die Hallenbauten mit Chorumgang, der andern diejenigen mit vorgeschobenem Chor und einem in der Mitte der Fassade stehenden Turm angehören. Die erstere Gruppe wird vor allem vertreten durch die Heiligkreuzkirche in Schwäbisch-Gmünd, die letztere wird repräsentiert durch Bauten wie die Frauenkirche in Eßlingen und das Ulmer Münster. Wohl war die Gmünder Kirche zugleich auch der Ausgangspunkt für die große zumeist auf bayerischem Boden befindliche Gruppe von Hallenbauten, wie den Kirchen St. Georg in Nördlingen und Dinkelsbühl, St. Lorenz in Nürnberg, St. Martin in Landshut, der Frauenkirche in München. Allein bei den engen baugeschichtlichen Beziehungen zwischen den beiden Schwäbischen Schulen ist es ja ganz natürlich, daß auch Elemente der zweiten Schule bei Bauten der bayerischen Gruppe Eingang gefunden haben. So ist z. B. die Fassade der Nürnberger Frauenkirche nicht nur, wie bereits oben erwähnt, von der Gmünder Kirche, sondern in viel höherem Grade von der Frauenkirche in Eßlingen beeinflußt.

      Was nun die vorbildliche Bedeutung der letztgenannten Kirche für den Ostchor von St. Sebald in Bezug auf die Pfeilerbildung anlangt, so sei zunächst darauf hingewiesen, daß zwischen der Gmünder Kirche und der Eßlinger Frauenkirche trotz Verschiedenheit in der Anlage eine nahe Verwandtschaft besteht. In die Augen springend ist dieselbe — abgesehen von der erwähnten Fassadenbildung — ja nicht. Allein eine Reihe von gleichen Steinmetzzeichen an beiden Bauten geben einen unwiderleglichen Beweis hiefür, was man bei der geringen geographischen Entfernung der beiden Orte und bei dem Umstand, daß das Langhaus der Gmünder Kirche zum Teil ebenso wie der östliche Teil der Eßlinger Frauenkirche dem zweiten Viertel des 14. Jahrhunderts angehören[37], ganz selbstverständlich findet. Die Eßlinger Kirche hat wie der Ostchor von St. Sebald polygone Pfeiler mit vorgelegten Diensten, welche, ohne von Kapitälen unterbrochen zu werden, unmittelbar in Gurte und Rippen übergehen, um vierteilige Gewölbe zu tragen. Also auch hier war der Baumeister bestrebt, gegenüber dem bisher Üblichen eine wesentliche Vereinfachung eintreten zu lassen. Nur hat, möchten wir hinzufügen, der Eßlinger Meister eine schönere und auch konstruktiv richtigere Lösung in der Pfeilerbildung gefunden, während der Baumeister des Ostchores von St. Sebald, ohne besondere Rücksicht auf das Gewölbesystem, mehr auf eine gleichmäßige Gestaltung des Grundrisses gesehen hat. Denn dort gruppieren sich auf den beiden Schiffsseiten eines Pfeilers je drei Dienste, von welchen sich jeder einzelne als Rippe, beziehungsweise Gurt fortsetzt und die Arkadenbögen setzen am Pfeilerkern selbst an, hier dagegen wachsen die Arkadenbögen aus Diensten heraus und den drei Rippen (zwei Diagonalrippen und eine Gurtrippe) an einer Schiffsseite steht nur ein einziger Dienst zur Verfügung. Durch den Ansatz mehrerer mit Hohlkehlen profilierter Rippen an einem Dienst sind aber ganz neue Bildungen entstanden, wie sie häufig erst an späteren Bauten, wir erinnern nur an die St. Georgskirche in Dinkelsbühl, wiederkehren, allerdings dort infolge der im 15. Jahrhundert üblichen reichen Sterngewölbe in komplizierterer Form. Allein trotz dieser Unterschiede der Pfeiler im Ostchor von St. Sebald von den Pfeilern der Eßlinger Frauenkirche erscheint doch die Annahme gerechtfertigt, daß der Baumeister von St. Sebald die ganze Idee, polygone Pfeiler mit vorgelegten Diensten zu schaffen und dieselben ohne Kapitäl gleich direkt ins Gewölbe überzuführen, der Eßlinger Frauenkirche entnommen hat.

      Noch in einem anderen Punkte des Aufrisses verrät der Ostchor von St. Sebald gegenüber der Heiligkreuzkirche in Gmünd einen hohen Grad von Selbständigkeit; es betrifft dies in der Hauptsache auch mit die Gestaltung des Außenbaues.

      Während an der Gmünder Kirche die Wände des Schiffes lange, bis hinauf an die Wölbung reichende Fenster aufweisen, sind die Chorwände in zwei Stockwerke geteilt. Es sind dort nämlich die Strebepfeiler in ihrer unteren Hälfte eingezogen, oder besser gesagt, die Chorwand ist in ihrer unteren Hälfte hinausgeschoben, so daß sich um den Chorumgang eine Reihe von Kapellen gruppiert. Beim Ostchor von St. Sebald dagegen hat man auf den Kapellenkranz verzichtet und wie beim Langhaus der Gmünder Kirche — auch hierin kann die Frauenkirche in Eßlingen anregend mitgewirkt haben — hohe, die ganze Länge der einzelnen Wandabteilungen einnehmende Fenster gewählt. Dies hat zur Folge, daß hier die Beleuchtung des ganzen Chors viel stärker wird als im Chor der Gmünder Kirche und andererseits, daß dort die Chorwand eine reichere Gliederung erhält. Der Baumeister von St. Sebald hat nun unter gleichzeitiger Erhöhung des gewonnenen Vorteils den entstandenen Nachteil dadurch gemindert, daß er die Breite der Fenster fast bis an die Strebepfeiler hin ausdehnte und so die Mauerfläche gleichsam in eine Reihe von Gewölbestützen auflöste. Und was die Außenansicht allein anlangt, so wurde der Mangel an Gliederung noch weiter durch eine reiche Ausstattung ersetzt. Von dem in der Höhe der Fensterbänke sich herumziehenden Gesims an weisen die in drei Stockwerken sich abstufenden Strebepfeiler, übergreifend auf den kleinen Rest von Wandfläche, eine Fülle von Schmuck auf, bestehend in vielem Blendenwerk, Konsolen, Baldachinen und Fialen. Um nun von den mächtigen, aber monoton wirkenden Chordach soviel wie möglich zu verdecken, hat der Meister einen bereits an der Gmünder Kirche zum Ausdruck gebrachten Gedanken wiederholt, indem er auf die Mauer eine Galerie aufsetzte, welche mit den die Fenster überragenden Wimpergen und den die Pfeiler bekrönenden Fialen dem Chor ein geradezu prächtiges Aussehen verleiht.

      Also auch nach dieser Seite hat es der Baumeister von St. Sebald, der seine Zugehörigkeit zur Schwäbischen und speziell zur Gmünder Schule nicht verleugnen kann, aber völlig frei ist von sklavischer Abhängigkeit, verstanden, den im Wesen der Hallenkirche begründet liegenden Anforderungen gerecht zu werden. Er hat durch Vereinfachung und Reduzierung aller konstruktiven Elemente, wodurch zunächst eine willkommene Sparsamkeit in der Bauausführung erzielt wurde, eine Vervollkommnung des Prinzips der Hallenkirche erreicht.

      Der Baumeister. Lebhaftes Interesse erregt nun die Frage: Wer mag wohl der Schöpfer dieses herrlichen, kunstgeschichtlich so bedeutenden Bauwerkes gewesen sein? Wie heißt er?

      Die Zugehörigkeit des Ostchores von St. Sebald zur Gmünder Schule wurde im Vorhergehenden sehr wahrscheinlich gemacht. Es hatte sich gezeigt, daß beide Bauten in den engsten verwandtschaftlichen Beziehungen zueinander stehen, ja, daß der Hallenbau von St. Sebald ohne den Vorgang von Schwäbisch-Gmünd vielleicht überhaupt nicht, jedenfalls nicht in seiner jetzigen Gestalt möglich gewesen wäre. Denn der Ostchor von St. Sebald weist eine Summe von Erscheinungen auf, welche sich nur aus dem Bau der Heiligkreuzkirche oder durch Vermittlung desselben aus anderen Bauten erklären lassen. Dieses Abhängigkeitsverhältnis wird auch durch das Vorhandensein einer großen Anzahl von gleichen Steinmetzzeichen an beiden Kirchen bestätigt, woraus mit Sicherheit folgt, daß eine ganze Gruppe von Steinmetzen von Schwäbisch-Gmünd nach Nürnberg gezogen ist, um hier an dem Bau von St. Sebald zu arbeiten. Es befinden sich sogar unter den gleichen Steinmetzzeichen häufig wiederkehrend solche, welche infolge ihrer gleichen Grundform einen engeren

Скачать книгу