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J. C. Houzeau. Etudes sur les facultés mentales des animaux. Mons, 1872. Bd. II. S. 110.

       Naturmensch und Urmensch.

       Inhaltsverzeichnis

      Die unter den zahlreichen Menschenstämmen der Gegenwart und der Vergangenheit — so weit wir davon Kunde besitzen — unleugbar obwaltenden Abstufungen gestatten nun, an ihnen bis zu einem gewissen Grade der Wahrscheinlichkeit die Entwicklungsgeschichte der ganzen Menschheit zu studieren. Unter den Wilden, und selbst unter den allerrohesten, bei denen unter den an die Oberfläche tretenden ursprünglichen, tierischen (primären) Instinkten kaum noch die Keime zu den jüngeren edleren Regungen zu erkennen sind, lässt sich lernen, wie unser Geschlecht allmählich zum menschlichen Dasein sich emporgearbeitet und die Grundlagen der Gesittung erworben hat. Dieser Fortschritt hat sich nicht lückenlos, sondern oft mit langen Stillständen, selbst mit vereinzelten, durch äussere Ursachen veranlassten Rückfällen vollzogen; immerhin ist gestattet den Weg der Menschheit rückwärts bis zu seinem Ausgangspunkt zu ahnen, den man frühestens in die Tertiärzeit und an die äusserste Grenze des Tierreichs verlegen darf, an jene denkwürdige Stelle, wo aus dem höchstbegabtesten Lebewesen der vermutlich sprachlose Urmensch ganz allmählich, ohne jeglichen Sprung, sich entwickelte. Es ist hier nicht meine Aufgabe, dem freundlichen Leser ein der allgemeinen Kulturgeschichte angehöriges Gemälde dieser Vorgänge im Lichte des wissenschaftlich Möglichen zu entrollen; nur Bruchteile des gesamten Kulturlebens, Familie und Ehe, sollen in diesem Buche Gegenstand der Betrachtung sein. Doch ist es unthunlich, dieselben aus dem Ganzen derart loszulösen, dass die dasselbe beeinflussenden Meinungen nicht auch für sie massgebend wären. Es darf daher nicht verschwiegen bleiben, dass der eben kurz angedeutete entwicklungsgeschichtliche Gedanke (dessen Durchführung in grossem Massstabe durch die ganze Menschheitsgeschichte zuerst, schon vor Jahren, versucht zu haben ich vielleicht wähnen darf), trotz des Anklanges, den er bei unbefangenen Denkern und Freunden der naturwissenschaftlichen Methode gefunden, durchaus nicht nach jedermanns Geschmack ist. Die Gegner sind namentlich auf dogmatischer Seite zu suchen, welche an dem biblischen Berichte von der ursprünglichen Paradiesesunschuld und dem darauffolgenden Sündenfalle festhält, welche die Bevorzugung des Urmenschen in Form göttlicher Belehrung oder einer ausserordentlichen Führung bis zur Möglichkeit der eigenen Fortbildung für „unvergleichlich anmutiger“ und „wissenschaftlich annehmbarer“ erachtet, als die „Herabwürdigung“ desselben zum tierischen Urerzeuger. Diese von ihrem Glaubenseifer völlig berauschte Schule erblickt auch in den kulturarmen, geschichtslosen Stämmen der Gegenwart nicht zurückgebliebene, sondern von ihrer uranfänglichen Reinheit in ihre dermaligen „Laster“ versunkene Menschen und spricht unter Berufung auf die ganz unerweisliche, leere Behauptung: philosophia quaerit, religio possidet veritatem der modernen Forschung das Recht ab, aus den bei den heutigen Wilden herrschenden Sitten und Empfindungen Schlüsse auf noch ältere Zustände, auf die Urzeit und den Urmenschen zu ziehen. Obwohl das Beharren bei diesem dogmatischen Gesichtspunkte in vielen Stücken lediglich subjektive Geschmackssache ist, die mit ernstem Forschen nach wissenschaftlicher, objektiver Wahrheit nichts gemein hat, scheint doch eine tiefere Begründung der für uns massgebenden Ansichten an dieser Stelle geboten.

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