Скачать книгу

Zufällen preisgegebenen Keimen geht die Mehrzahl zu Grunde, es überleben ihrer aber dennoch genug, um die Erhaltung der Art zu sichern. Auf dieser Stufe existiert noch keine Familie, nicht einmal im allerrudimentärsten Zustande. Sehr allgemein ist dagegen die Brutpflege schon bei den Spinnen und Insekten. Wie es scheint, geht dieselbe aus Wahrnehmungstrieben hervor; allein es wirken auch Empfindungstriebe, die durch das Gefühl vom Legen der Eier und durch die Berührung derselben, nachdem sie gelegt sind, hervorgerufen werden. Wenn die Tarantelspinne den Eikokon an die Spinnwarzen heftet, die Uferfliege die Eier an den Bauch klebt, um sie dann klümpchenweise ins Wasser fallen zu lassen, und der Kotkäfer, der im Miste lebt, unter demselben Löcher in die Erde gräbt, einen Pfropfen Mist in jedes Loch steckt und dann in jeden Pfropfen ein Ei legt, so wirken hierbei wohl hauptsächlich Empfindungstriebe. Ebenso sind es vornehmlich Tastempfindungen, welche das Insekt beim Legen der Eier in andere Tiere, in junge Triebe, in die Erde u. s. w. leiten, wie schon aus den tastenden Bewegungen, welche sie mit der Legeröhre oft machen, hervorgeht. Auch manche Krokodilweibchen zeigen ein wenig Sorge um die Brut; sie versuchen die Eier zu verbergen und tragen mitunter die eben ausgekrochenen Jungen in das Wasser. Am Rio Guayaquil in Südamerika legt das Krokodilweibchen seine Eier in den Sand, kehrt aber zur rechten Zeit zurück, zerbricht sie mit Vorsicht und trägt dann die Jungen auf dem Rücken in den Fluss.

      Bei den höheren Tieren ist es hauptsächlich das Lustgefühl, das mit der Umarmung der Jungen verbunden ist, aus welchem Empfindungstriebe zur Pflege der Nachkommen entstehen. Darin wurzelt auch einer der wesentlichsten Hebel in der Familie: die Mutterliebe, welche mit ihrer aufopfernden Hingabe und unermüdlichen Fürsorge so oft zur Bewunderung Anlass giebt. Welch’ glänzendes Beispiel von mit äusserster List und Klugheit gepaarter Mutterliebe bieten Vogelmütter dar, welche beim Herannahen des Verfolgers sich flügellahm stellen und denselben, indem sie in kurzen Sätzen vorwärts trippeln oder am Boden hinfliegen, auf ihre eigene Verfolgung hin- und von den Kindern abzulenken suchen, oder auch die Elefantenmütter, von denen Schweinfurth erzählt! Letztere suchen bei den durch Anzünden der verbergenden Ufergebüsche veranstalteten Jagden in Afrika ihre Jungen dadurch zu retten, dass sie ihre Rüssel voll Wasser saugen und dieselben damit bespritzen, während sie selbst dabei rösten. Auf dem Gute „Tralauer Holz“ in Holstein sah eine Stute ihr Füllen, an dem eine Operation vorgenommen werden sollte, an den Hinterbeinen aufgezogen im Hofe hängen und kläglich schreien. Sie stürzte sofort tot zusammen und die Sektion ergab, dass ihr eine grosse Herzader gesprungen, „das Herz gebrochen“ war. Aber diese opferwillige Mutterliebe durchdringt durchaus nicht die ganze Tierwelt, sondern erwacht erst in den höheren Arten. Und auch bei diesen giebt es in der Mutterliebe zahlreiche Abstufungen, gerade wie in der Art des Zusammenlebens der Eltern.

      Hält manche Tiere der überaus rege Fortpflanzungstrieb beisammen, wie in der Ordnung der Nager, so finden wir gerade aus diesem Grunde bei ihnen wenig Beispiele zärtlicher Mutterliebe. Es werden nämlich die Jungen so früh alt und kommen der Jungen so viele nacheinander, dass einigermassen anhaltendere Beschäftigung mit ihnen seitens ihrer Mutter wohl nicht zu verlangen ist. Am besten thun sich noch unter den Nagern, was geselliges familiäres Zusammenleben anbelangt, die Murmeltiere hervor, welche jährlich höchstens zweimal Junge zur Welt bringen, die Biber, die einander beim Aufbau ihrer Burgen und Dämme hilfreich beispringen, die Meerschweinchen, die sich mit grosser Zärtlichkeit immer und immer liebkosen, einigermassen auch die Kaninchen, bei welchen bisweilen ein Paar mit grosser Anhänglichkeit zusammenhält. Rührende Episoden erzählt man von dem Löwenmute der bedrängten Mäusemutter, von ihrer Kampfwut und der Blindheit, mit der sie sich in Todesgefahr stürzt, um ihre bedrohten Kinder zu retten. Doch kennt man auch unrühmliche Beispiele des Gegenteils. Aglaia von Enderes, eine aufmerksame Beobachterin der Tierwelt, besass ein lustiges Pärchen zahmer Albinomäuse. Da kam ein neues Ereignis in ihr harmloses Mäuseleben. Eines Morgens lagen zehn wohlkonditionierte kleine Mäusekinder in dem Lager der Eltern; aber mit diesem Kindersegen kam eine erstaunliche Charakterwendung über die Alten. Sie wurden misstrauisch und unstät, scheu gegen die Menschen und zanksüchtig unter einander. Kleine häusliche Szenen fanden statt, infolge deren sich der Gatte plötzlich aus dem Staube machte. Die Mutter besann sich einige Tage und nährte ihre Kinder; als aber der lieblose Vater nicht wieder kommen wollte, verdross sie die Kinderstube und ihre Mühen, und ohne weitere Veranlassung überliess sie ihr holdes Mutteramt andern Händen und ging auf und davon. Ein wahrhaft abschreckendes Beispiel zuchtlosen Familienlebens bieten die Ratten, die bei ihrer überaus raschen Vermehrung und dem dadurch oft bedingten Nahrungsmangel sich selbst gegenseitig anfallen. Nicht minder das zänkische Hamsterpaar, bei welchem des Männchens anfängliches Minnespiel gar bald in bissige Wut gegen das Weibchen übergeht, das nun, wenn es nicht totgebissen werden will, ohne Säumen des Gemahls ungastliches Haus fliehen und ein eigenes Heim sich wählen muss. Einsam bringt sie dann ihre Jungen zur Welt, die aber, wie sie etwas herangewachsen sind, sich mit ihrer Mutter nicht mehr vertragen und dieselbe gleich ihrem Vater verlassen. Nicht besser steht es um das Familienleben der Insektenfresser. Einsam und verlassen liegt des Swineigels Gattin auf selbstbereitetem Wochenbett mit ihren Kleinen. Und echte Einsiedler beide, hausen Maulwurf und Maulwürfin in getrennten Behausungen. Im Frühjahr, wenn über der Erde alles grünt und spriesst, fängt der Paarungstrieb auch in der kleinen Maulwurfsbrust sich zu regen an. Unruhig verlässt er seinen Bau — das grösste Wunder bewirkt der Zauber des neuen Gefühles, und der scheue, mürrische Weltfeind läuft des Nachts in drängender Sehnsucht und heissem Verlangen über die offene Erde hin, um sich sein Liebchen zu suchen. Wie es schon in seinem Charakter liegt, nimmt er die Liebe ernst und schwer. Er gaukelt nicht, er spielt nicht und liebelt nicht; er sucht seine Braut mit Gefahr seines Lebens; er kämpft manchen harten, heissen Strauss mit seinesgleichen, ehe es ihm gelingt, die Auserwählte heimzuführen; und wenn er endlich an diesem ersehnten Ziele ist, sie sein eigen nennt, wenn er sie in seinem Hause weiss, wenn sie die Sorge für den künftigen Haushalt übernommen hat und in der neuen Heimat zu schaffen beginnt, selbst dann kommen keine süssen Flitterwochen, selbst dann kommt der sorglose Jubel der Liebe nicht auf. Wie es sein einsames, scheues Leben mit sich bringt, fehlt ihm der Glaube an seine Stammesgenossen, das Vertrauen auf sein Weib, und mit der Angst des finsteren, brütenden Grillenfängers sperrt er seine junge Gattin in ihr eigenes Haus und forscht und spürt mit mordgierigem Verlangen nach Nebenbuhlern und Schelmen, die ihm den neuerworbenen Besitz stören könnten. Ist diese erste Zeit vorüber, das Othellogefühl im kleinen Maulwurfsherzen zur Ruhe gebracht, haben sich die beiden Sonderlinge aneinander gewöhnt, dann beginnt die Sorge für die Zukunft; das Lager wird bestellt, Gräser und Halme werden eingetragen zur warmen Stätte für die drei bis fünf winzigen Maulwurfskinder, welche nach wenig Wochen den futterbedürftigen, ewig hungrigen Haussegen der glücklichen Eltern repräsentieren. In die Jugendzeit dieser Kinder fällt alles, was der Maulwurfsvater an Liebenswürdigkeit zu leisten vermag. Mit Hingebung und Treue widmet er sich Weib und Kind; er pflegt sie, schützt sie, hält in Gefahr und Tod bei ihnen aus und wagt sein Leben, wenn es ihre Rettung gilt. In dieser Zeit ist ihm seine Familie alles, und es geht von ihm die schöne Sage, dass er sich zuweilen über den Verlust von Weib und Kind zu Tode härme. Leider hält diese Selbstverleugnung nicht lange vor; die sonnige Zeit der Liebe und des Glücks geht wie ein Traum vorüber, die Kinder werden nach wenigen Wochen gross und verlassen das Elternhaus, um sich eine eigene Existenz zu gründen; die Mutter sucht ihre frühere Wohnstätte auf, und der alte Sonderling, vereinsamt und verlassen, schliesst sein verödetes Haus, um sein zornerfülltes, düsteres Räuberleben voll Blut- und Mordgeschichten von neuem zu beginnen, um von nun an niemandem zu leben, als sich und seinem Hunger.

      Bezüglich des Familienlebens der Seehunde und Wale hat man wohl noch wenig beobachtet; von der Fischotter aber weiss man, dass sie ihre Jungen gegen jede Gefahr mit dem grössten Mute verteidigt. Nicht nur kein Familienleben, nicht einmal lebhaftere Mutterliebe finden wir bei den Zahnarmen. So säugt die Gürteltiermutter ihre Jungen nur ganz kurze Zeit und überlässt sie dann sich selbst. Das Faultierweibchen lässt sein Junges mit beispielloser Gleichgültigkeit an sich hängen und ohne weiteres sich rauben. Nur vom Weibchen des Ameisenbären sagt man, dass es sein Junges ein Jahr lang mit sich führe und tapfer verteidige. Die Beuteltierweibchen schleppen ihre unbehilflichen Kleinen in der Beuteltasche mit sich herum oder lassen sie, wie die Surinamsche Beutelratte, auf ihrem Rücken herumkriechen, während diese ihre kleinen Schwänzchen um den Schwanz der Alten schlängeln. Einen ausgeprägten Sinn für Häuslichkeit und Familienleben

Скачать книгу