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Die menschliche Familie nach ihrer Entstehung und natürlichen Entwickelung. Friedrich von Hellwald
Читать онлайн.Название Die menschliche Familie nach ihrer Entstehung und natürlichen Entwickelung
Год выпуска 0
isbn 4064066112547
Автор произведения Friedrich von Hellwald
Жанр Документальная литература
Издательство Bookwire
Die Tugend der ehelichen Treue muss man im allgemeinen allen in Einweiberei lebenden Vögeln zuerkennen, doch ist ein Unterschied zwischen beiden Geschlechtern zu machen. Von Seiten des Weibchens hat z. B. Pfarrer Snell, so lange und so sorgfältig er auch die Vögel beobachtete, niemals einen Fall von Untreue erlebt. Bei den Männchen kommen hingegen, wenn auch nur ausnahmsweise, solche Fälle vor. Wenn man erwägt, dass dem Weibchen von Natur eine grössere Zurückhaltung und Schüchternheit eigen ist, so wird man diesen Unterschied erklärlich finden. Wohl fehlen auch hier nicht Abirrungen vom „Rechte“. Wohl wird auch hier zuweilen der Hausfrieden gebrochen und weiss sich ein heiratslustiger Junggeselle in Ermangelung eines ledigen Weibchens in das Eheglück eines Paares einzudrängen und den vielleicht älteren, hässlicheren Gemahl auszustechen. So soll es unter den übrigens zu nicht ganz verdienter Volkstümlichkeit gelangten Störchen „Ehebrecherinnen“ geben, welche angeblich dann von den Männchen durch Schnabelstösse getötet werden. Mehrere solcher „Strafgerichte“ der Störche will man erst wieder in allerjüngster Zeit beobachtet haben.[28] Neuere Untersuchungen haben aber ergeben, dass alle diesbezüglichen Anekdoten unbewiesen oder doch die hier vorliegenden Beobachtungen einer andern Deutung fähig sind. Immerhin beweist das Beispiel der nicht einmal monogamen Pferde, dass Untreue wirklich empfunden wird. Hat sich eine Stute einer der verwilderten Pferdeherden in Südamerika mit einem Hengste einer anderen Herde abgegeben, so wird sie nicht mehr von dem Leithengste ihrer Stammherde geduldet. Gar nicht selten ist die Untreue gerade unter den sich zärtlich schnäbelnden Tauben, die doch als das Muster des Gegenteils gepriesen werden, und unter Beobachtung gewisser Vorsichten ist es gelungen, wenigstens den Kanarienvögeln eine nichts weniger als unfruchtbare Polygamie aufzunötigen oder richtiger mehrere in verhältnismässig kurzen Zwischenräumen nacheinander folgende, nachkommenreiche Monogamieen zwangsweise zuzuerkennen. Endlich kommen auch Ehescheidungen bei den Vögeln vor, so gut wie bei den Menschen, freilich bloss bisweilen, und auch nur die Weibchen vollziehen manchmal freiwillig die Trennung von dem Gatten.
So sind denn die einzelnen Tierarten mit sehr verschiedenen Empfindungen oder Gefühlen ausgestattet. Geschlechtsliebe wie auch Mutterliebe können freilich, strenge genommen, nicht als wirkliche Äusserungen des Gefühles betrachtet werden, denn das Tier, festgehalten im Zwange der Natur, mit gering entwickeltem Intellekt, muss rücksichtslos seinen Trieben folgen, und besonders der Paarungstrieb ist für dasselbe um so zwingender, als er auf eine kurze und bestimmte Zeit eingeschränkt ist. Immerhin lässt sich nicht verkennen, dass in einigen Tierehen, und zwar nur in monogamen, ein Gefühl Platz greift, welches, wenn auch entfernt, jenem der Liebe im menschlichen Sinne sich nähert, wie die angeführten Beispiele darthun. Gewiss, die idealisierte Liebe, wie die Dichter sie schildern, diese Liebe ist dem Tiere unbekannt, wie alle im Menschen gesteigerten und im Kulturmenschen besonders verfeinerten Empfindungen. Aber hier wie dort wirkt der Paarungstrieb, so wenig idealisiert als möglich, dennoch seine Wunder. Niemals und nirgends völlig unterdrückt, vermag er indes auch seltsame Einschränkungen zu erleiden, wie in den Tierstaaten der Bienen und Ameisen, in welchen die Sorge für die öffentliche Wohlfahrt die Instinkte des einzelnen in solchem Masse besiegt hat, dass infolge fortgesetzter Teilung der Arbeit das Zeugungsgeschäft die Aufgabe nur einiger weniger Individuen geworden ist, ein Vorgang, der nicht ohne Beispiel auch in der menschlichen Gesellschaft ist.
Aus all dem Gesagten ergiebt sich, dass gemeinsames Zusammenleben und Zusammenwirken der Geschlechter im Tierreiche lange nicht vorherrschen. Nicht das eheliche Leben zwischen zweien, sondern Vielmännerei und Vielweiberei, Junggesellenwirtschaft, Vagabundentum und allerhand Laster, um mit unseren Begriffen zu reden, sind da an der Tagesordnung. Wenn man aber die Frage aufwirft, warum die Formen des Geschlechtsverkehrs in der Tierwelt so mannigfache seien, so kann es wohl nur eine Antwort darauf gaben: einzig und allein in dem Wettbewerb, in den Heischesätzen des Kampfes ums Dasein ist die Ursache dafür zu suchen. Die Zerstreuung oder Verdichtung der Individuen, das Zahlenverhältnis der beiden Geschlechter zu einander spielen sicherlich die bedeutsamste Rolle in dem Vorwalten der Promiskuität, der Polygamie oder Monogamie bei den einzelnen Spezies. Jene Eheform, welche der Fortpflanzung der Art am besten dient, welche sich den Umständen der Wohnstätte, der zu besiegenden Nebenbuhlerschaften u. s. w. anpasst, jene nützliche Form ist notwendigerweise mit Vorliebe gewählt, dann Gewohnheit, endlich Instinkt geworden. Die nämlichen Gesetze, die nämlichen Notwendigkeiten haben auch die verschiedenen menschlichen Gesellschaftskreise in diese oder jene Form der Ehe gezwängt, und um die Wahrheit zu gestehen, hat darin der Mensch, wie vernünftig er auch ist, sich kaum erfinderischer gezeigt als das Tier. Nur hat er sein Geschlechtsleben durch gesellschaftliche Vereinbarungen geregelt, die freilich weit davon entfernt sind, überall und immer die Bindekraft strenger Gesetze zu besitzen.
[25] Charles Darwin. Die Abstammung des Menschen. Stuttgart, 1875. Bd. II. S. 324.
[26] O. Mohnicke im „Ausland“ 1872, S. 850.
[27] Paul Duchaillu. Explorations and adventures in Equatorial Africa. London, 1861. S. 231–232.
[28] „Echo“. Bd. I. S. 23–24 und 93.
IV.
Das Familienleben der Tiere.
Wie verschiedenartig auch der geschlechtliche Verkehr in der Tierwelt sich gestalten möge, die vereinigende Begegnung hat doch nur in wenigen Fällen die Familie zur Folge. Natürlich ist zur Erhaltung der Art die Erzeugung von Jungen unerlässlich; unerlässlich auch, dass diese in genügender Menge am Leben bleiben. Aber dieses Ziel kann auf verschiedenerlei Weise erreicht werden. Als allgemeine Regel gilt, dass die Anzahl der Keime oder Nachkommen desto grösser ist, je tiefer eine Art steht, je ärmer sie an Intellekt ist und je weniger die Erzeuger sich um die Aufbringung der Brut kümmern. Dies ist bei den meisten niederen Tieren der Fall, weil die Empfindungstriebe nur bei den entwickelteren Geschöpfen, besonders bei den Gliederfüssern (Arthropoden) und Wirbeltieren (Vertebraten) ausgebildet sind. Viele der niederen Arten lassen die Eier einfach ins Wasser fallen, und diese entwickeln sich zu Larven, welche ein vom Muttertiere ganz unabhängiges Leben führen; die Fälle, in welchen Wirbellose den Eiern einige Aufmerksamkeit widmen, sind ungemein selten. Von den Astdärmern oder Plattwürmern (Plenarien) ist bekannt, dass sie die Eier in einem Kokon an Steinen und Pflanzen befestigen. Noch interessanter ist die Eierpflege der Janthina, der Amethyst-Schnecke. Das Tier schwimmt an der Oberfläche des Wassers, nimmt durch Umbiegen des zungenförmigen vorderen Körperendes Luftblasen herunter ins Wasser, welche durch einen abgesonderten Schleim zusammengehalten werden, so dass sie ein Floss bilden;