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Irgendwann schrieb ich ihr zurück, wann sie wohl endlich gedachte zuzugeben, dass sie auf meinen Bruder stand.

      Ich bekam keine Antwort mehr.

      Den Freitagabend verbrachte ich damit, Mia beim Spielen Gesellschaft zu leisten und Mr Blacks Roman zu lesen, bis mich die Müdigkeit schließlich übermannte.

      Nun war es Samstagnachmittag, ich war gerade am Lernen, als die Zimmertür mit einem lauten Knall aufschwang und Poppy, mit mehreren Taschen auf dem Arm balancierend, mein Zimmer betrat. Ich hob lediglich eine Braue und warf einen prüfenden Blick auf ihre Taschen, der meine dunkle Vorahnung bestätigte; sie schleppte ihren halben Kleiderschrank mit sich herum.

      »Aha. Und du willst mir weis machen, dass du nicht auf meinen Bruder stehst?«, argwöhnisch beäugte ich ihren mühsamen Versuch, all ihre Taschen zu meinem Bett zu bugsieren.

      »Wie geht es eigentlich Mr Black?«, parierte sie daraufhin, grinste mich über den Berg von Kleidern auf ihren Armen hinweg an und ließ schwer atmend den Ballast auf mein Bett fallen. Bei ihren Worten verzog ich grimmig das Gesicht. Poppys spitze Zunge hatte ich fast schon vergessen.

      »Na schön, dann lass mal sehen, was dein Kleiderschrank zu bieten hat«, mit einem ergebenen Seufzen ließ ich von meinen Schulsachen ab und machte es mir auf dem Bett bequem. Poppys Lippen verzogen sich zu einem breiten Lächeln. Einen Augenblick später war sie auch schon zur Musikanlage getänzelt und startete ihre Playlist.

      Die Modenschau begann.

      Nach sechzehn Outfits und wiederholtem Abspielen ihrer Playlist war sie endlich zufrieden mit ihrem Aufzug. Sie trug ein schwarzes bauchfreies T-Shirt, auf welchem das Logo von Captain America abgebildet war. Das Shirt kombinierte sie mit einer schwarzen Jeans, an deren Knie zwei ausgefranste Löcher zierten. Abgerundet wurde das Outfit mit ihren hochhackigen geschnürten Stiefeletten.

      Zufrieden betrachtete sie sich im Spiegel. Dann drehte sie sich wieder zu mir um und ein breites Grinsen umspielte ihre Lippen. Ich ahnte Böses.

      »Jetzt bist du dran.«

      Poppys Augen funkelten aufgeregt, während sie auch schon auf meinen Kleiderschrank zuhielt. Ich unterdrückte ein Stöhnen und ließ mich in die Kissen zurücksinken.

      »Poppy, ich bin wirklich nicht in Stimmung für eine Modenschau. Ich werde einfach ein paar Jeans und ein T-Shirt anziehen«, murmelte ich, als mein Blick auf das Jane Austen Buch glitt. Zu gerne wäre ich einfach zuhause geblieben und hätte weiter gelesen, meine Ruhe gehabt.

      Ich sah wieder zu Poppy rüber. Ihre enttäuschte Miene entging mir keineswegs.

      »Ach komm schon, Drea. Das haben wir früher immer gemacht«, ihre Lippen verzogen sich zu einem Schmollmund.

      Innerlich fluchend senkte ich meinen Blick und versuchte mein schlechtes Gewissen zu vertreiben. Poppy und ich hatten uns damals vor jeder anstehenden Party bei mir zuhause getroffen und eine Modeschau veranstaltet. Es war zu so etwas wie einem Ritual geworden. Aber wie Poppy bereits sagte, war es früher einmal so gewesen. Und nichts war mehr wie früher. Ich war nicht mehr wie früher.

      »Dann lass mich wenigstens etwas für dich raussuchen«, bettelnd blickte sie mich mit ihren großen Augen an. Poppy einen Wunsch auszuschlagen war ein schier unmögliches Unterfangen. Also willigte ich mit einem genervten Grummeln ein, woraufhin sie sich mit neuem Elan mit dem Inhalt meines Kleiderschrankes beschäftigte.

      Während sie sich durch meine Kleidung wühlte, sprang ich schnell unter die Dusche. Zurück in meinem Zimmer, sah ich, dass ihre Wahl auf eine blaue Jeans und ein weißes eng anliegendes Shirt gefallen war.

      Widerstrebend und wohlwissend, dass ich gegen Poppys Auswahl keinerlei Einsprüche erheben konnte, zog ich mich an.

      Als mein Blick jedoch auf ihre Schuhauswahl wanderte, traf mich der Schlag.

      High Heels. Niemals würde ich freiwillig solche Dinger tragen. Nicht wenn es unbedingt nötig war. Also schlug ich einen Handel heraus und schnappte mir meine geliebten schwarzen Converse, die schon völlig ausgelatscht waren.

      Obwohl ich in den letzten Wochen sehr abgenommen hatte, passten mir die Jeans und schmiegten sich um meine Beine wie eine zweite Haut. Dies lag aber eher daran, dass sie ein Fehlkauf gewesen waren. Versehentlich hatte ich sie eine Nummer zu klein gekauft. Ich griff nach dem hellen Oberteil und zog es mir über den Kopf. Es betonte meine dunklen Augen und mein braunes Haar, das mir in Wellen bis zur Brust reichte.

      Kaum war ich angekleidet, drückte mich Poppy auch schon auf einen Stuhl und begann mich zu schminken. Da sie wusste, dass ich zu viel Make-Up nicht mochte, vertraute ich ihr in dieser Hinsicht und war mit dem Ergebnis recht zufrieden.

      Poppy hatte es geschafft meine Augen mithilfe von Eyeliner und etwas Wimperntusche noch mehr hervorzuheben, ohne dass es zu künstlich wirkte. Lediglich der rote Lippenstift stellte einen harten Kontrast dar. Als Poppy jedoch gerade nicht hinsah, wischte ich schnell mit einem Tuch über meine Lippen.

      Kurz darauf klopfte es an der Tür und Lukas streckte den Kopf herein. Sein Blick lag sofort auf Poppy und ein breites Lächeln huschte über seine Lippen.

      »Na wen haben wir denn hier? Hi Grandma‘«, begrüßte er sie mit einem provokanten Funkeln in den Augen. Seit Poppy ihre Haare grau gefärbt hatte, zog Lukas sie immer mit diesem Spitznamen auf. Entnervt rollte ich mit den Augen. Jetzt würden diese Sticheleien wieder beginnen, die mich jedes Mal eher an ein Vorspiel erinnerten, anstatt eines kleinen Wortgefechtes.

      »Hast du immer noch keinen besseren Spitznamen für mich gefunden?«, konterte Poppy und auch ihre Augen glitzerten aufgeregt. Wie immer stand sie meinem Bruder in nichts nach und warf ihm einen herausfordernden Blick zu.

      »Kannst du später mit uns überhaupt mithalten oder umarmst du um Mitternacht schon die Kloschüssel?«

      Der Schalk stand Lukas regelrecht ins Gesicht geschrieben.

      »Dass ich nicht lache. Ich würde euch ausnahmslos unter den Tisch saufen«, demonstrativ verschränkte sie die Arme vor der Brust. Lukas brach in lautes Gelächter aus. Sein Lachen klang so aufrichtig und schön, wie ich es schon seit einer halben Ewigkeit nicht mehr von ihm gehört hatte.

      »Das bezweifle ich«, erwiderte er auf Poppys Aussage.

      »Soll das eine Herausforderung sein?«, angriffslustig schob sie ihr Kinn nach vorn. Ich konnte nur fassungslos den Kopf schütteln. Poppy würde haushoch gewinnen. Niemand war in der Lage so viel Alkohol zu konsumieren und dabei immer noch Herr seiner Sinne zu bleiben. Meine beste Freundin kippte das Zeug herunter, als wäre es Wasser. Mal ganz ungeachtet dessen, dass wir im Grunde erst mit einundzwanzig Alkohol zu uns nehmen durften.

      »Die Wette gilt«, Lukas grinste.

      Der Abend würde nicht gut für ihn ausgehen, das war sicher. Doch eine Warnung erschien mir überflüssig. Er würde sich so oder so nicht davon abbringen lassen. Noch einige Sekunden lang grinsten sie sich einfach nur an. Ihr Lächeln ging beinahe schon ins Laszive über, was ich nun wirklich nicht sehen wollte.

      »Okay Leute, das reicht«, unterbrach ich die beiden. »Könntet ihr euch diese Blicke nicht für ein andermal aufheben? Das ist echt ekelhaft.«

      Mit aller Macht vertrieb ich das Kopfkino, das sich hinter meinem inneren Auge abspielte und warf einem nach dem anderen einen mahnenden Blick zu.

      Lukas verfiel in schallendes Gelächter und teilte uns mit, dass wir in einer halben Stunde losfahren würden. Dann war er auch schon wieder verschwunden. Poppy dagegen lief hochrot an. Offenbar hatte sie meine Anwesenheit während des Gesprächs mit Lukas völlig vergessen. Schnell wandte sie sich ihren Kleidern zu, die mittlerweile in meinem gesamten Zimmer verstreut lagen und begann, etwas Ordnung zu schaffen.

      Schweigend beobachtete ich sie dabei und überlegte, wie ich sie am besten auf das Thema Lukas ansprechen konnte. Jedes Mal, wenn man sie nach meinem Bruder fragte, wich sie aus. Es war mehr als offensichtlich, dass sie für Lukas schwärmte. Dennoch schien sie es nicht zugeben zu wollen oder aber sie fühlte sich unwohl dabei, sich mit mir über ihn zu unterhalten.

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