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eine verdammte Tomate«, sie grinste, während ihre dunklen Augen belustigt aufblitzten. Poppy war wirklich hübsch. Sie hatte wunderschöne braune Augen, die außen leicht nach unten deuteten. Doch am schönsten war noch immer ihre Stupsnase, die perfekt ihre sanften Gesichtszüge ergänzte.

      Sogar ihre grauen Haare standen ihr überirdisch gut, wenngleich ich ihr anfangs davon abzuraten versucht hatte. Poppy war jemand, der sehr zufrieden mit sich war. Das Einzige jedoch, was sie an sich selbst nicht mochte, war ihre Größe. Mit ihren gerade mal ein Meter fünfzig war sie mit Abstand die Kleinste auf der ganzen High School und dennoch war sie unverkennbar. Sie stach aus der Menge heraus, wie ein kleiner, tobender Tornado.

      »Was wollte er von dir?«, fragte sie mich und schenkte mir einen neugierigen Blick.

      »Nichts«, antwortete ich knapp, da ich über dieses Thema nicht mehr sprechen wollte.

      »Wie nichts?«, sie hob die Brauen und noch immer zierte dieses dämliche Grinsen ihre Lippen. Die Augen verrollend setzte ich mich in Bewegung und lief vor zu den Spinden, um meine Bücher für die nächste Stunde zu holen. Poppy schloss trotz ihrer Größe schnell auf und lief neben mir her.

      »Du stehst definitiv auf ihn«, feixte sie und betrachtete dabei ihre Nägel, als wären sie das Interessanteste auf der Welt.

      »Tue ich nicht!«, keifte ich zurück. So langsam ging mir dieses Gespräch gehörig auf den Zeiger. Gut, ich hatte schwitzende Hände und ein klein bisschen Herzklopfen gehabt, mehr aber nicht. Und selbst das rührte nur daher, dass ich heute einfach etwas durcheinander war. Morgen wäre das schon ganz anders.

      »Hey, ich bin der letzte Mensch, der dich deswegen verurteilt. Ich gebe dir ja recht, er sieht echt heiß aus«, sie grinste breit und lehnte sich neben mir an das Schließfach.

      Ich seufzte resigniert und gab den Versuch, sie von diesem Thema ablenken zu wollen, auf.

      »Lass uns einfach zur nächsten Stunde gehen, ja?«

      Poppy lachte laut auf, folgte mir aber und beließ es, Gott sei Dank, dabei.

      ∞

      Als die Schule sich endlich dem Ende neigte, schlenderte ich durch den Ausgang in Richtung meines Wagens. Ich konnte es kaum erwarten mich in meinem Zimmer zu verkriechen. Zuhause angekommen spülte ich zuerst die leere Brotbox, damit mein Dad Notiz davon nahm, dass ich etwas gegessen hatte. Dafür hatte ich allerdings das Essen in der Mittagspause ausfallen lassen, da ich der Gefahr, Danny in der Cafeteria zu begegnen, aus dem Weg gehen wollte. Von dieser Tatsache musste Dad jedoch nichts erfahren.

      Ich begann in der Küche etwas aufzuräumen und zu putzen, um Dad etwas Arbeit abzunehmen. Schweigend entfernte ich Mias Essensreste vom Boden, die sie durch das Spielen mit ihrem Frühstück hinterlassen hatte. Danach bereitete ich ein Abendessen für Dad und Lukas vor, welches sie sich später aufwärmen konnten.

      Nach dem Aufräumen der Küche stieg ich die Treppen nach oben in mein Zimmer und erledigte meine Hausaufgaben. Gerade als ich das Heft zuschlug, hörte ich die Haustür ins Schloss fallen.

      Lukas.

      Ich ging erneut nach unten, um ihn zu begrüßen. Als ich ihn ansah, erkannte ich Erschöpfung auf seinem Gesicht. Er war der Einzige in der Familie, der Moms blaue Augen geerbt hatte und wie so oft, wenn ich ihn ansah, sah ich auch Mom.

      »Hey. Ich habe dir und Dad Auflauf gemacht. Steht im Kühlschrank«, informierte ich ihn und war schon wieder im Begriff nach oben zu flüchten, als Lukas mich auf der ersten Stufe plötzlich am Handgelenk packte. Er hielt mich zurück. Fragend wandte ich mich ihm zu. Seine Züge hatten sich zu einer besorgten Grimasse verzogen.

      »Was ist mit dir? Hast du schon gegessen?«, wollte er wissen und ich spürte, wie er meine Statur musterte.

      »Nein, ich habe keinen Hunger.«, ich wollte mich losmachen, doch Lukas hielt mich nach wie vor mit eisernem Griff fest.

      »Drea... Du musst etwas essen. Sieh dich doch mal an«, erneut streiften seine Augen über mich hinweg. Die Sorge in ihnen war kaum zu übersehen und sorgten dafür, dass ich schließlich einlenkte.

      »Na schön«, seufzend folgte ich ihm in die Küche, wo ich uns beiden etwas von dem Auflauf auf einen Teller gab.

      »Wo ist Dad?«, fragte ich, da die beiden eigentlich stets zur selben Zeit nach Hause kamen.

      »Er ist mit Mia zum Arzt. Sie bekommt irgendeine Impfung oder so«, erwiderte er und machte sich über das Essen her. Er wirkte wirklich sehr müde.

      Seit die Erziehung einer vierjährigen allein auf Dads Schultern lastete, hatte er weniger Zeit, um in der Firma zu agieren. Daher war es nur logisch, dass Lukas einige von Dads Aufgaben übernahm, was auch der Grund für sein überarbeitetes Erscheinungsbild war.

      Mit der Gabel schob ich mein Essen hin und her, zwang mir jedoch einige Male einen Bissen herunter, um meinen Bruder zufriedenzustellen. Nachdem er mich noch ein paar Mal mit mahnenden Blicken dazu aufgefordert hatte, meinen Teller aufzuessen, war ich satt. Früher hatte ich alles Mögliche in mich herein stopfen können, doch seit den Sommerferien fiel es mir schwer überhaupt etwas anzurühren.

      »Hey. Ich gehe am Wochenende mit ein paar Freunden weg. Magst du nicht mitkommen?« Er warf mir einen hoffnungsvollen Blick zu. Unbehagen machte sich in mir breit. Seit dem Unfall war ich nicht mehr unter Menschen gewesen und im Grunde wollte ich das auch gar nicht.

      Alles was ich brauchte, um mich abzulenken war ein gutes Buch und meine Ruhe. Wenn ich daran dachte auszugehen, etwas zu trinken oder gar zu tanzen, fühlte ich mich furchtbar unwohl in meiner Haut. Es erschien mir oberflächlich, nach allem was wir durch Moms Tod erlitten hatten.

      »Ich weiß nicht …«, erwiderte ich und schob eine Erbse auf meinem Teller hin und her.

      »Komm schon, Drea. Es ist schon ewig her, dass wir zusammen etwas unternommen haben …«, mit einem Mal wurde sein Blick trüb. »Mom hätte nicht gewollt, dass du dich im Haus verkriechst und keinen Spaß mehr am Leben hast.«

      Meine Hände verkrampften sich. Eine altbekannte Übelkeit stieg in mir auf. Der Schmerz kehrte zurück und kratzte an meinem Herzen, drohte es zu zerreißen. Ich spürte wie Lukas nach meiner Hand griff und mir tief in die Augen sah. Für einen kurzen Moment dachte ich, in Moms Augen zu blicken. Ich unterdrückte die Tränen, die mir unweigerlich in die Augen stiegen.

      »Drea. Bitte...«, flüsterte er und sein Griff um meine Hand wurde fester, bittender.

      Erneut seufzte ich und nahm einen tiefen Atemzug, um mich etwas zu beruhigen. Es war schier unmöglich Lukas etwas auszuschlagen, wenn er mich so ansah.

      »Na schön«, widerwillig gab ich nach und sofort erschien ein Lächeln auf seinem traurigen Gesicht.

      »Aber nur unter einer Bedingung«, entgegnete ich.

      Lukas hob die Brauen und ich erntete einen misstrauischen Blick. »Die da wäre?«

      »Ich darf Poppy mitnehmen«, äußerte ich meine Bitte und sogleich erschien ein breites Grinsen auf Lukas’ Gesicht.

      »Natürlich darfst du sie mitbringen.«

      Lukas war ganz vernarrt in Poppy. Er lachte über jeden ihrer Witze und die beiden waren ununterbrochen dabei, irgendwelchen Unfug anzustellen. Manchmal fragte ich mich sogar, ob er sie nicht etwas zu sehr mochte.

      Während wir aufräumten, berichtete Lukas mir von dem Club, in den wir vorhatten zu gehen. Kurze Zeit später hörte ich erneut die Haustür und schon stand Dad im Türrahmen mit Mia auf seinem Arm.

      Wir begrüßten ihn und ich machte mich gleich daran, sein Abendessen aufzuwärmen. Ich sah, wie sein Blick über die beiden Teller und die Brotbox schweifte, die auf der Theke standen. Ein erleichternder Ausdruck huschte über sein Gesicht.

      Offenbar schien Dad genauso erfreut darüber zu sein, dass ich etwas gegessen hatte, wie Lukas. Auch wenn ich das fade Essen hatte herunter zwingen müssen, der befreite Ausdruck auf Dads Gesicht war es mir wert.

      Lukas

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