Скачать книгу

Poppy mich plötzlich am Handgelenk und warf mir einen bedeutungsvollen Blick zu. Zuerst verstand ich nicht, was sie mir mitteilen wollte. Als sie jedoch mit einem Nicken nach vorne wies, sah ich Danny vor dem Englischsaal stehen.

      Er lehnte mit dem Rücken an der Wand, die Hände lässig in den Taschen seiner Collegejacke versteckt und lachte gerade über etwas, dass seine Freunde ihm erzählten. Wie immer war er umringt von einer Gruppe aus Schülern. Danny gehörte zu der High Society an unserer Schule. Dies rührte wohl daher, dass er Captain des Football Teams war.

      Mein Blick wanderte. Blonde Locken umschmeichelten die klaren, geraden Linien seines Gesichtes, das ich in- und auswendig kannte. Sehnsucht packte mich und erinnerte mich an die vielen gemeinsamen Momente und die Wärme, die sich in mir ausgebreitet hatte, wenn ich in diese vertrauten schokoladenbraunen Augen gesehen hatte.

      Sofort verkrampften sich meine Hände und mein Herz gefror zu Eis. Mein Blick wurde starr und ich musste tief einatmen, um den Schmerz zu vertreiben.

      »Du schaffst das, Drea. Wir ignorieren ihn einfach.«

      Ich nickte, sah zu Boden und folgte Poppy zu unserem Saal. Ich zwang mich, nicht aufzuschauen, ihn einfach links liegen zu lassen. Stark sein, Drea. Doch im nächsten Moment vernahm ich auch schon den Klang seiner bekannten Stimme hinter mir.

      »Drea… Hey.«

      Erschrocken zuckte ich zusammen und fuhr herum. Danny stand direkt vor mir und blickte auf mich hinab. Mein Herz zog sich schmerzhaft zusammen.

      Auch er schien sich sichtlich unwohl in seiner Haut zu fühlen. Seine Augen wanderten ruhelos umher. Verlegen kratzte er sich am Hinterkopf und ließ die Hände dann in den Hosentaschen seiner Jeans verschwinden.

      Sofort wurde mir wieder übel, als ich den Ausdruck von Mitleid in seinem Gesicht lesen konnte. Ich wollte sein Mitgefühl nicht, ich brauchte es nicht.

      Mir war natürlich klar, dass Danny nichts für seine Gefühle konnte. Wenn er schlicht und ergreifend nicht mehr ausreichend für mich empfand, dann war das so. Ich gab ihm keine Schuld, nicht im Geringsten. Doch der Schmerz war trotzdem da und ich hatte es satt, ihn ertragen zu müssen.

      »Ich habe versucht dich zu erreichen. Ich habe angerufen und geschrieben«, sprach er und sah dabei beschämt zu Boden. Die Situation war ihm mehr als unangenehm. Ich schluckte schwer und riss mich zusammen, um eine vernünftige Antwort zustande zu bringen.

      »Ja, ich weiß«, ich wollte nicht mit ihm darüber reden, nicht zwischen Tür und Angel. Und schon gar nicht vor den anderen Schülern, die das Geschehen offenbar mehr als interessant fanden und nun alle leise tuschelnd ihre Köpfe in unsere Richtung drehten. Generell wollte ich gar nicht mehr mit ihm sprechen. Es schmerzte einfach zu sehr und rief Erinnerungen in mir wach, die lieber verschlossen blieben.

      Er hob den Kopf und sah mich erneut voller Mitleid an. Wie ich diese Blicke hasste. Sie erinnerten mich daran, dass meine Mutter tot war und nie wieder zurückkommen würde. Als müsste man mich mit Samthandschuhen anfassen.

      »Wie geht es dir?«, fragte er schließlich. Ich konnte die Unsicherheit förmlich von seinem Gesicht ablesen, als wäre sie ihm auf die Stirn geschrieben.

      Ich wollte diese Frage nicht beantworten. Nicht schon wieder. So oft hatte ich sie in den letzten Wochen schon gestellt bekommen. Doch im Grunde interessierte es niemanden wirklich, wie es mir ging. Man fragte nur aus reiner Höflichkeit. Und jedes Mal antwortete ich mit gut. Was gelogen war. Aber was sollte ich schon sagen?

      Meine Mutter war gestorben, mein Freund hatte mich verlassen. Mein Leben glich einer einzigen Katastrophe?

      Plötzlich hörte ich, wie Poppy neben mir ein spöttisches Lachen ausstieß. Ich sah zu ihr rüber. Ihre Hände waren zu Fäusten geballt. Wut verzerrte ihr Gesicht und ihre gesamte Körperhaltung drückte pure Ablehnung aus. Dann trat sie einen Schritt vor mich und sah Danny mit Augen an, in denen ein Sturm hätte toben können.

      »Was denkst du wohl wie es ihr geht? Dass du dich überhaupt wagst, sie auch noch anzusprechen! Lass Drea gefälligst in Ruhe, sonst garantiere ich für nichts, Danny.«

      Ich war schockiert über Poppys Wutausbruch und warf ihr einen entgeisterten Blick zu. Danny schien es offenbar nicht anders zu ergehen. Doch in seinen Augen lag noch etwas anderes, er wirkte auf gewisse Weise verletzt. Was nur natürlich war. Schließlich hatte Poppy auch zu Dannys Freunden gezählt und nun stieß sie ihn derart vor den Kopf. Wegen mir.

      Ich verspürte Gewissensbisse.

      »Poppy...«, setzte ich an, um sie zu beruhigen, aber sie ließ mich nicht zu Wort kommen.

      »Nein, er hat kein Recht dazu«, fuhr sie nun auch mich an. »Er…«, mit einem Mal hielt sie abrupt inne und stoppte ihre Erzählung.

      »Was ist?«, ich musterte sie argwöhnisch. Normalerweise konnten keine zehn Pferde Poppy aufhalten, wenn sie in Rage war. Verwirrt kniff ich die Brauen zusammen und warf nun auch Danny einen misstrauischen Blick zu, dessen Kopf hochrot angelaufen war.

      »Ich…«, Danny räusperte sich geräuschvoll. »Ich werd’ dann mal reingehen.«

      Beschämt wandte er sich ab und verschwand schnellen Schrittes in unserem Englischsaal. Ich drehte mich wieder zu Poppy um und musterte sie erwartungsvoll.

      »Was sollte das denn eben?«

      Sie schüttelte lediglich den Kopf, während sie hektisch in ihrer Tasche zu wühlen begann.

      »Ach nichts. Ich kann nur nicht glauben, dass er sich rausnimmt, dich auch noch anzusprechen, nachdem er dich so mies abserviert hat«, Poppy vermied es mir in die Augen zu schauen, während sie sprach. Nach einem letzten prüfenden Blick, beließ ich es jedoch dabei. Ich vertraute Poppy. Wenn es etwas gab, das ich wissen sollte, hätte sie es mir schon längst gesagt. Ich atmete tief ein und wieder aus, um mich zu beruhigen. Dann schüttelte ich den Kopf, um all diese wirren Gedanken beiseite zu schieben und um den Schmerz, der mir noch immer nach diesem Gespräch in den Knochen steckte, zu vertreiben.

      Es wäre besser, wenn ich von nun an auf Abstand zu Danny ging. Es würde zwar schwierig werden, da wir einige Kurse zusammen hatten, aber nicht unmöglich.

      Poppy und ich folgten dem Beispiel der anderen Schüler und traten in den Saal. Sofort ließen wir uns auf einem Platz möglichst weit hinten nieder, in der Hoffnung, Danny würde sich nicht in unsere Nähe setzen. Im Augenwinkel bemerkte ich, dass er sich ein paar Reihen weiter vorne einen Tisch suchte.

      Erleichterung machte sich in mir breit und das Atmen fiel mir etwas leichter, was sich jedoch sofort wieder ändern sollte. Ich nahm gerade meine Bücher aus der Tasche, als ich eine Bewegung an der Tür wahrnahm und aufblickte.

      Ich sah einen jungen Mann mit einem grauen Pullunder, weißem Hemd und Krawatte herein schlendern. Mein Herz klopfte für ein paar Augenblicke etwas schneller, beruhigte sich aber sogleich wieder. Es war der Mann, mit dem ich vorhin zusammengestoßen war. Und allem Anschein nach handelte es sich bei ihm um meinen neuen Englischlehrer.

      Noch hatte er mich nicht entdeckt, also rutschte ich etwas tiefer in meinen Stuhl und warf mein braunes Haar nach vorn. Vielleicht würde er mich ja nicht gleich erkennen, was jedoch sehr unwahrscheinlich war. Leider hatte ich nicht dieses Allerweltsgesicht. Meine Lippen waren etwas zu üppig, mein Kiefer etwas zu ausgeprägt und meine Augen waren zu groß. Eindeutige Erkennungsmerkmale, die ich nicht sehr mochte.

      Poppy bemerkte meinen Versuch mich unsichtbar machen zu wollen und hob eine Braue. Schnell sah ich nach vorne, was sich jedoch ebenfalls als Fehler erwies. Denn genau in diesem Moment nahm unser neuer Lehrer die Tasche von seinen Schultern, ließ sie aufs Pult fallen und blickte auf. Direkt in meine Richtung.

      Die Intensität seines Blickes lähmte mich und ich konnte das Blut in meinen Ohren rauschen hören. Es kam mir vor, als wäre eine Ewigkeit vergangen, während wir uns einfach nur ansahen. In Wahrheit waren es wohl nur ein paar Sekunden, bevor diese Intensität wieder verschwand und er den Blick flüchtig über die Klasse wandern ließ.

      Meine Wangen begannen zu glühen und mein

Скачать книгу