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machen.

      »Hör mal Poppy, du kannst wirklich über alles mit mir reden«, setzte ich an und spürte ihren überraschten Blick auf mir ruhen. »Naja, du weißt schon, über Lukas. Ich verurteile dich nicht oder bin sauer oder so etwas«, ich zuckte mit den Schultern und wandte mich wieder dem Spiegel zu. Es herrschte Stille zwischen uns, sodass ich schon damit rechnete, keine Antwort mehr zu erhalten. Aber dann brach sie das Schweigen.

      »Nein, das ist es nicht«, sie schüttelte den Kopf und durch den Spiegel sah ich, dass sie sich auf dem Bett niederließ.

      »Ich mag ihn tatsächlich sehr. Aber er ist vierundzwanzig, sechs Jahre älter als ich. Zudem gehe ich noch in die High School, während er schon einen wichtigen Job hat, sogar eine Firma leitet, zusammen mit deinem Dad. Was würden meine Eltern wohl sagen? Außerdem weiß ich ja nicht mal ob er mich auch mag. Und zu allem Überfluss ist er... ist er auch noch dein Bruder. Ich will nicht, dass das irgendwann zwischen uns steht«, sie senkte den Blick auf ihre Hände und ich spürte die Unsicherheit in ihrer Stimme. In diesem Moment hätte ich sie am liebsten in den Arm genommen. Ich drehte mich auf meinem Stuhl wieder zu ihr herum.

      »Poppy, du machst dir völlig unnötige Gedanken. Ich bin die Letzte, die etwas dagegen hätte, das musst du mir glauben«, ich hielt kurz inne. »So lange ich euch nicht bei einer wilden Knutscherei erwische oder naja … Du weißt schon was.«

      Bei diesen Gedanken verzog ich angewidert das Gesicht. So sehr ich meinen Bruder auch mochte, über sein Liebesleben wollte ich wirklich nicht mehr wissen als unbedingt nötig. Poppy kicherte.

      »Danke. Das bedeutet mir viel, aber ich weiß ja nicht einmal, ob er mich ebenfalls auf diese Art und Weise mag.«

      Sie nestelte nervös an dem Saum ihres T-Shirts herum.

      »Glaub mir, das tut er, das ist ja wohl kaum zu übersehen«, erwiderte ich sarkastisch und schnappte mir Handy und Geldbeutel, um beides in einer kleinen Tasche zu verstauen. Meine Schlüssel passten leider nicht mehr hinein, was aber nicht weiter tragisch war, da Lukas ja mit dabei war.

      »Ehrlich?«, ein aufgeregter Hoffnungsschimmer keimte in ihren Augen auf.

      »Ja, ehrlich«, ich erwiderte ihr Lächeln und warf mich neben ihr aufs Bett. Minutenlang lagen wir einfach nur stillschweigend nebeneinander, starrten an die Decke und ließen unseren Gedanken freien Lauf.

      Kaum zu glauben, dass ich vor einer Woche noch jegliche soziale Kontakte gemieden hatte und nun im Begriff war, feiern zu gehen. Für einen kurzen Moment spürte ich das schlechte Gewissen in meinem Innern aufkeimen. Doch sogleich fielen mir Lukas' Worte wieder ein.

      Mom hätte nicht gewollt, dass du dich im Haus vergräbst und keinen Spaß mehr hast.

      Natürlich hätte sie das nicht gewollt. Lukas hatte Recht. Doch ich vermisste sie so sehr, dass die Tatsache auszugehen und zu feiern mir erschien, als lebte ich einfach weiter, als wäre nichts geschehen, als würde ich Moms Tod verleugnen.

      Von der Treppe aus waren die Rufe meines Bruders zu vernehmen. Ich schob meine Gedanken schnell beiseite und schnappte mir meine Tasche. Poppy und ich gingen nach unten in die Küche, wo Dad mit Mia auf dem Schoß irgendwelche Unterlagen durchging.

      Als Poppy und ich hereinkamen, sah er überrascht auf. Über die Lesebrille hinweg musterte er uns.

      »Ihr seht hübsch aus«, ein Lächeln erschien auf seinen Lippen und ich war froh, Dad so unbeschwert zu sehen. Es war das erste Mal seit Mom weg war, dass er einigermaßen entspannt wirkte.

      »Daddy, ich will auch so Schuhe haben wie Poppy!« Mias Rehaugen klebten förmlich an Poppys hochhackigen Schuhen, als wären sie das Erstaunlichste was sie jemals gesehen hatte. Dad verzog grimmig das Gesicht und Lukas prustete los. Poppy dagegen warf Mia nur einen bösen Blick zu, was mir ein Schmunzeln entlockte. Sie konnte nicht besonders gut mit Kindern.

      »Oh nein, meine Kleine. Dafür bist du noch zu jung. Du kommst schnell genug in dieses Alter«, brummte Dad. »Viel zu schnell, wenn du mich fragst.«

      Die letzten Worte murmelte er mehr zu sich selbst und tätschelte dabei Mias Rücken. Für Eltern war es immer schwierig, wenn die Kinder plötzlich erwachsen wurden.

      »Ich will trotzdem so welche haben«, Mia zog eine Schnute und ihr Blick haftete noch immer an Poppys Schuhen.

      »Bis morgen, kleine Motte.« Ich näherte mich Mia und drückte ihr einen dicken Schmatzer auf die Stirn, während sie nach Poppys Schuhen zu greifen versuchte. Dann verabschiedete ich mich von Dad und gab ihm ebenfalls einen Kuss auf die Wange.

      So einfach ließ Dad uns jedoch nicht gehen. Nicht, ehe er Lukas strikte Anweisungen gegeben hatte, wie er auf Poppy und mich Acht zu geben hatte. Die Augen verrollend stimmte mein Bruder zu und konnte es kaum erwarten das Haus zu verlassen.

      Zwanzig Minuten später standen wir in einer Warteschlange vor dem Lieblingsclub meines Bruders. Da Lukas den Besitzer kannte, dauerte es nicht lange und schon wurden wir an der Schlange vorbei nach drinnen geführt, wodurch wir uns einige schiefe Blicke der wartenden Leute einhandelten.

      Das erste, das ich wahrnahm, als wir das Innere des Clubs erreichten, war der schwere Geruch von Schweiß, Alkohol und Parfüm, der in der Luft hing. Die Disco hatte die Räumlichkeiten einer alten Lagerhalle. Oben befand sich eine Galerie, die rund um die Wände verlief, sodass man von dort aus einen perfekten Blick auf das unmittelbare Geschehen hatte.

      Bunte Discolichter durchfluteten die Halle mit Farbe. Heftige Bassklänge drangen in meine Ohren und erfüllten den Raum mit Leben. Überall sah man die verschiedensten Menschen herumlaufen.

      Auf der Tanzfläche bewegten sich Einige miteinander zum Takt der Musik, streckten die Hände in die Luft und grölten den Gesang bekannter Songs mit. Ein Pärchen stach mir besonders ins Auge. Es schien nichts anderes mehr wahrzunehmen, außer sich selbst und den Beat der Musik. Sie tanzten nicht wie die anderen, sondern viel aufreizender, fast schon anstößig.

      Peinlich berührt sah ich weg und konzentrierte mich auf den Weg vor mir. Zuerst erwies es sich als schwierig in diesem Gewirr aus Lichter und Blitze etwas zu erkennen. Doch schnell hatten sich meine Augen an die Umgebung gewöhnt und ich erkannte die Bar und einige Sitznischen am Rande der Tanzfläche.

      Mit einem Mal fühlte ich mich an die Zeit vor zwölf Wochen zurückerinnert. Wie oft hatte ich mich mit Poppy, Timmy und Danny in irgendwelche billigen Clubs und Bars geschmuggelt, um die Nacht durchzufeiern… Diese Clubnächte hatten mir einmal Spaß bereitet, waren ein Teil von mir gewesen. Unter der Woche in der Schule hatten Poppy und ich das Wochenende kaum erwarten können und nun fühlte ich mich furchtbar unwohl hier.

      Lukas schien wohl jemanden zu erkennen, denn er erhob die Hand zum Gruß und schnappte sich Poppy und mich, um uns in eine der Nischen zu bugsieren. Wir kämpften uns durch die sich zum Rhythmus wogende Masse hindurch, als ich auch schon zwei von Lukas Freunde erkennen konnte.

      David und Michael standen auf, um uns zu begrüßen. Lukas klopfte den beiden zur Begrüßung freundschaftlich auf den Rücken, bevor er Poppy mit seinen Freunden bekannt machte. David warf sein charmantestes Lächeln auf und fuhr sich durch seinen dunklen Lockenschopf, bevor er ihr die Hand gab. Er handelte sich dadurch einen warnenden Blick seitens Lukas ein, was selbst Poppy nicht entging. Schnell warf sie mir ein breites Grinsen zu und ihre Augen leuchteten glücklich, als sie vom Licht der Discokugel angestrahlt wurden.

      Michael dagegen gab sich freundlich und distanziert, was typisch für ihn war. Er war schon immer der Zurückhaltendste von allen gewesen. Er kannte meinen Bruder bereits seit Kindestagen. Bei ihm schien sich Lukas auch nicht die Mühe zu machen, sein Territorium zu markieren, was nicht weiter verwunderlich war. Denn Michael steckte in einer langjährigen Beziehung und war seit kurzem sogar verlobt. Gerade letzte Woche hatten wir die Hochzeitseinladungen erhalten.

      Auch ich begrüßte die zwei besten Freunde meines Bruders. Nachdem wir es uns gemütlich gemacht hatten, winkte Lukas eine Kellnerin herbei, die natürlich augenblicklich errötete und mit hochrotem Kopf an unseren Tisch geeilt kam. Ich konnte es der armen Frau kaum verübeln. Bei so viel Testosteron auf einem Fleck

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