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Dialog über die beiden hauptsächlichsten Weltsysteme. Galileio Galilei
Читать онлайн.Название Dialog über die beiden hauptsächlichsten Weltsysteme
Год выпуска 0
isbn 9783843804387
Автор произведения Galileio Galilei
Жанр Математика
Издательство Bookwire
Die Ruhe, die zur Fertigstellung dieses wie der anderen geplanten Werke nötig war, hoffte Galilei nach 21-jähriger, von beispiellosem Erfolg begleiteter Lehrtätigkeit besser finden zu können, wenn er von der Pflicht des Kollegienlesens entbunden würde. So bewarb er sich denn um die Stellung eines Großherzoglich Toskanischen Mathematikers und Philosophen, auf die er umso eher rechnen durfte, als er dem Erbgroßherzog Cosimo II., der nunmehr seit 1609 den Thron bestiegen hatte, während der Universitätsferien regelmäßig mathematischen Unterricht erteilt hatte. Es waren gewiss nicht bloß materielle Gründe und ehrgeizige Absichten, die ihn zu diesem verhängnisvollen Schritte bewogen. Er dachte sicherlich vor allem durch den vielbeneideten Glanz, der den Hofmann nun einmal umstrahlte, hinreichende Autorität zu gewinnen, um seine innersten Überzeugungen aussprechen zu dürfen; er hoffte, dass seine Feinde, die bornierten sowohl wie die boshaften, fernerhin nicht mehr wagen würden, die neuen von ihm vertretenen Gedanken lächerlich zu machen oder zu ignorieren. Er hatte empfunden, dass zur Bekehrung der Massen gute Gründe nicht ausreichten; die Machtstellung des Mannes, nicht die Güte der Sache sah er auch in wissenschaftlichen Fragen häufig den Ausschlag geben; und da er endlich einen Erfolg seiner Mühen und Arbeiten sehen wollte, trachtete er danach, seine goldenen Früchte auch in silbernen Schalen aufzutischen. Aber es sollte die Zeit kommen, wo er nur allzu schmerzlich fühlte, dass die scheinbaren Annehmlichkeiten seiner Stellung teuer erkauft waren durch Nachteile anderer Art. Der Ruhm seiner astronomischen Entdeckungen würde ihm, wo immer er seinen Wohnsitz aufschlug, trotz aller Neider die Aufmerksamkeit der ganzen wissenschaftlichen Welt gesichert haben. Und wären ihm auf dem Katheder zu Padua auch Kämpfe nicht erspart geblieben, der starke Arm der Republik Venedig, die selbst vor dem Bannstrahle des Papstes sich nicht beugte, hätte ihn vor dem Äußersten geschützt, während das toskanische Fürstenhaus unter jesuitischem Einfluss stand und nimmer gewagt hätte, sich mit Rom zu überwerfen, am wenigsten dem Hofmathematikus zu liebe, mochte dieser auch ein Galilei sein.
Kurz vor seiner im September 1610 erfolgenden Übersiedlung nach Florenz fügte Galilei seinen astronomischen Entdeckungen eine neue hinzu; er beobachtete Ende Juli 1610 die auffallende Gestalt des Saturn, den er für begleitet von zwei Nachbargestirnen hielt. Die wahre Figur zu ermitteln gelang ihm nicht, es blieb dies Huyghens vorbehalten. – Endlich fallen vielleicht noch in die nämliche Zeit, allerdings aufgrund von Zeugnissen, die aus bedeutend späterer Zeit stammen, auch die ersten Beobachtungen der Sonnenflecken, die indessen einstweilen zu unbestimmten Ergebnissen geführt haben müssen. Galilei würde sonst schwerlich verfehlt haben, in seinem Briefwechsel mit Kepler und Belisario Vinta davon zu sprechen. Er selbst datiert in dem ersten Briefe an Welser diese Entdeckung vom November 1610, im Dialog aber schon aus der Zeit der paduanischen Professur.43 Ein erbitterter Prioritätsstreit, auf den wir mehrfach zurückzukommen haben, entspann sich später darüber und trug nicht wenig dazu bei, die künftigen Schicksale über Galilei heraufzubeschwören.
Gleich nachdem Galilei festen Fuß in Florenz gefasst hatte, richtete er von neuem sein Augenmerk auf die Literatur über die Weltsysteme, er bittet alsbald den toskanischen Gesandten in Prag, Giuliano de’ Medici, der mit dem gleichfalls dort weilenden Kepler engste Fühlung hatte, um Zusendung einschlägiger Bücher.44 Aber mehr als durch irgendwelches Bücherstudium förderte er seine Sache – denn alss e i n eSache sah er nunmehr die Verteidigung der kopernikanischen Lehre an, und der Volksmund bezeichnete bald die Kopernikaner als Galileisten – durch eine neue Entdeckung von der größten Tragweite. Am 11. Dezember konnte er, zunächst noch in der Form eines Anagramms, wie er sie ähnlich vorher bei Veröffentlichung seiner Saturnbeobachtungen benutzt hatte, nach Prag, bald darauf nach Rom an Clavius und nach Brescia an seinen treuen Schüler und Freund Castelli berichten, dass Venus und wahrscheinlich auch Merkur eine Phasenänderung durchmache ähnlich wie der Mond. Damit war im Wesentlichen jedweder Einwand gegen die zentrale Stellung der Sonne im Planetensystem entfallen, und der Beweis für die Dunkelheit der Planeten erbracht, also eine neue Analogie zwischen Erde und Planeten festgestellt. Nur die physikalischen Gründe, die Erscheinungen auf der Erde selbst, durften den Verständigeren unter den Gegnern noch Bedenken gegen die kopernikanische Lehre zurücklassen; denn Galilei hatte noch nichts von der im Wesentlichen schon fertigen neuen Bewegungslehre, die auch diese Schwierigkeiten beseitigte, in weiteren Kreisen bekannt gegeben. Von astronomischer Seite stand der Erdbewegung nichts mehr entgegen, wenn man die mangelnde Parallaxe der Fixsterne nicht etwa als Gegengrund betrachten will.
Am Schlusse dieses für ihn so ereignisreichen Jahres hätte Galilei einen befriedigenden Rückblick auf die errungenen Erfolge werfen können. Er hatte wissenschaftlich erreicht, was er ein Jahr zuvor in seinen kühnsten Träumen nicht hoffen durfte; er hatte auch äußerlich das erlangt, was er ersehnte. Aber ein Tropfen Bitterkeit vergällte ihm den Freudenkelch. Er sah noch immer das Häuflein derer, die sich um Kopernikus scharten, klein, verschwindend klein gegen die Nachbeter ererbten Formelkrams. Es ergriff ihn bisweilen eine verzweifelte Hoffnungslosigkeit, sodass er seine eigenen Bestrebungen gleichsam verhöhnte. So schreibt er am 30. Dezember 1610 an Castelli45: »Um die eigensinnigen Gegner zu überzeugen, die einzig und allein auf den eiteln Beifall der blöden dummen Menge Wert legen, wäre es auch dann noch nicht genug, wenn die Sterne zur Erde herabstiegen und von sich selber Zeugnis ablegten. Seien wir auf das eine bedacht, selbst uns Erkenntnis zu verschaffen, und suchen wir in dieser unseren einzigen Trost. In der Volksgunst uns weiter zu bringen oder den Beifall der Büchergelehrten zu gewinnen, das zu wünschen und zu hoffen, wollen wir unterlassen.« Dieses Gefühl der Resignation aber, das als vorübergehende Stimmung nur zu sehr begreiflich ist, war denn doch nicht von langer Dauer. Es begann eine Periode, wo im Gegenteile Galilei in der mannhaftesten Weise die Pläne, die er bei Übernahme seiner neuen Stellung zweifelsohne im Stillen gefasst, ins Werk setzte. Auf dem Gipfel seiner geistigen Höhe stehend, entfaltete er auch die höchste moralische Kraft, er legte alle Menschenfurcht beiseite und wirkte unverdrossen an der dornenvollen Aufgabe, den steinigen unfruchtbaren Boden der herrschenden Naturphilosophie umzupflügen und ihm als erste Frucht die allseitige Billigung, die Popularisierung der Lehre von der Erdbewegung abzugewinnen.
Von dem Enthusiasmus für dieses Ziel erfüllt, reiste er am 23. März 1611 nach Rom, zunächst mit der Absicht, dort die Wahrheit seiner Entdeckungen, an der man vielfach noch zweifelte, zur Anerkennung zu bringen. Gelehrten und geistlichen Würdenträgern zeigte er die Jupiterstrabanten, die Mondgebirge, die Phasen der Venus und die Sonnenflecken. An der Richtigkeit der Tatsachen ließ sich fürder nicht mehr zweifeln, ja es wurde von dem berühmten, dem Jesuitenorden angehörigen KardinalR o b e r tB e l l a r m i nausdrücklich ein Gutachten des römischen Jesuitenkollegiums provoziert, durch welches Clavius nebst drei anderen Professoren des Kollegiums die Wahrheit der neuen Entdeckungen attestierten. Galilei erlebte Triumphe wie wohl kein Astronom oder Mathematiker zuvor. Papst Paul V. empfing ihn aufs Gnädigste, mit Entzücken lauschten Kardinäle seinen durchsichtigen Vorträgen, in denen er sein unvergleichliches Lehrtalent zur Geltung brachte. Er wurde zum Mitgliede der Accademia dei Lincei (Akademie der Luchsäugigen) ernannt, die FürstF e d e r i g oC e s iim Jahre 1603 in Rom gegründet hatte; auf die Zugehörigkeit zu dieser Akademie spielt er an, wenn er sich in seinen dialogischen Schriften als den Akademiker bezeichnen lässt. – Der Hauptzweck seiner Reise war diesmal gewesen, die Tatsachen zur Anerkennung zu bringen; inwieweit er aus diesen in seinen Vorträgen Schlüsse auf die Gültigkeit des kopernikanischen Systems zog, ist nicht genau bekannt. Er scheint darin Vorsicht geübt zu haben, um das nächste Ziel, das er erstrebte, nicht zu verfehlen. Aber welch tiefen Eindruck die