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Dialog über die beiden hauptsächlichsten Weltsysteme. Galileio Galilei
Читать онлайн.Название Dialog über die beiden hauptsächlichsten Weltsysteme
Год выпуска 0
isbn 9783843804387
Автор произведения Galileio Galilei
Жанр Математика
Издательство Bookwire
In unmittelbarem Zusammenhang mit der Diskussion über das kopernikanische System stehen dagegen die Erörterungen Galileis über das Beharren der Bewegung; denn nur, wenn die von der Erdbewegung einem irdischen Körper mitgeteilte Bewegung diesem verbleibt, auch nachdem er nicht mehr in Verbindung mit der Erde steht, lässt sich das kopernikanische System mit den alltäglichen irdischen Vorgängen in Übereinstimmung bringen. Lange Zeit hindurch war es üblich, Galilei, eben weil er die Verträglichkeit der alltäglichen Erfahrung mit der Erdbewegung so klar erläutert hat, ohne Weiteres als den Entdecker des Beharrungsgesetzes zu betrachten, desjenigen Teiles des Beharrungsgesetzes wenigstens, der aussagt, dass ein in Bewegung befindlicher, unter dem Einflusse keiner bewegenden Kraft mehr stehender Körper sich geradlinig mit gleichförmiger Geschwindigkeit ohne Ende weiterbewegt. So frühe nun auch Galilei, wie wir sahen, in die Fußstapfen Benedettis tretend, von der wunderlichen aristotelischen Auffassung sich losgemacht hatte, so hat er doch niemals die erwähnte oder eine gleichwertige Formulierung des Beharrungsgesetzes ausgesprochen. Er kennt nur oder benutzt jedenfalls nur die eine vermeintliche Tatsache, dass ein Körper beih o r i z o n t a l e rA n f a n g s b e w e g u n g ,unter welcher G. stets eineK r e i sbewegung um den Erdmittelpunkt versteht, diese Kreisbewegung in gleichförmiger Geschwindigkeit beibehält. Die einzige im Dialog enthaltene Andeutung einer allgemeineren Auffassung34 findet sich p. 278 f., wo gesagt wird, dass die aus einem schräg gerichteten Rohre abgeschossene Kugel in Richtung des Laufes weiterfliegen würde, wenn die Schwere sie nicht nach unten ablenkte. Dabei ist aber weder von der Gleichförmigkeit der ferneren Bewegung die Rede, noch wird eine allgemeine Formulierung versucht. Ebenso findet sich in den Discorsi eine lichtvolle Stelle35, wo »die begründete Vermutung« (admodum rationabile videbitur, si accipiamus …) des Beharrens auch in schiefer Richtung gelegentlich ausgesprochen wird, ohne dass jedoch von dieser Erkenntnis in den späteren Entwicklungen Gebrauch gemacht würde, so naheliegend dies nach moderner Auffassung gewesen wäre. Am allerwenigsten hat Galilei je die Fallbeschleunigung aus dem Zusammenwirken der einmal erreichten Geschwindigkeit mit dem in jedem Moment hinzutretenden Impuls der Schwere abgeleitet. Näheres über das Verhältnis Galileis zum Beharrungsgesetz enthält die mehrfach erwähnte vortreffliche Studie Wohlwills; vgl. auch die Anmerkungen zu Dial. p. 125, 135, 245, 251 f., 279, 281, 284. Hier sei nur bemerkt, dass gerade der spezielle Anlass zu der Beschäftigung mit der Frage der Beharrung, nämlich die Vereinbarkeit der täglichen Erfahrung mit dem kopernikanischen System, ein Hindernis für die volle Erkenntnis war, insofern eben hierdurch nahegelegt wurde, die Beharrung in der Kreislinie als Naturgesetz anzusehen. Hätten ausschließlich seine mechanischen Untersuchungen Galilei auf die Spur des Beharrungsgesetzes gebracht, so würde er schwerlich die reife Frucht ungepflückt gelassen haben. Da er aber um der kopernikanischen Lehre willen zunächst zu dem kreisförmigen Beharren um das Erdzentrum geführt wurde, und ein Zweifel an der strengen Gültigkeit dieser Art der Beharrung nie in ihm aufstieg, und da jene Kreisbewegungen keine Verallgemeinerung auf den Fall eines Beharrens in beliebiger Richtung zuließen, so war es ihm unmöglich einen festen unverrückbaren Standpunkt in dieser Frage zu gewinnen. »Und doch genügte, als Galilei seine Forschung abgeschlossen, ein Geist vom RangeB a l i a n i s ,ein klarer Kopf ohne hervorragende schöpferische Begabung, um den Worten des Meisters zu entnehmen, was dieser unausgesprochen gelassen hatte. Es genügte, möchte man sagen, dass er als zweiter an die gleiche Gedankenfolge trat, dass der Ursprung und die Entwicklungsgeschichte des neuen Prinzips ihm nicht ein innerlich Erlebtes waren, und dass eben deshalb jene beschränkenden Bestimmungen in der Formulierung und Auffassung für ihn die Bedeutung verloren hatten.«36 Trotzdem die Formulierung des Gesetzes bei Galilei also nicht allgemein ist, da sie sich nicht auf beliebig gerichtete Anfangsbewegungen bezieht, ja strenge genommen nicht richtig ist, insofern sie die Beharrung in der Kreislinie, nicht die geradlinige Beharrung behauptet, so ist dennoch der Wert seiner Ergebnisse nicht hoch genug anzuschlagen. Wenn es dafür noch des Beweises bedürfte, so brauchte man bloß die staunende Bewunderung in Betracht zu ziehen, mit der die Zeitgenossen die diesbezüglichen Stellen des Dialogs entgegennahmen37, die in der Tat nach Form und Inhalt zu den glänzendsten Partien desselben zu zählen sind. Bei einigen der hierher gehörigen Betrachtungen lässt sich bis auf den Tag genau angeben, wann die erste Idee derselben dem Verfasser kam; so finden sich mitten zwischen Aufzeichnungen Galileis über Ausgaben und Einnahmen unter dem Datum des 11. April 1607 Notizen über die ruzzola (Rollscheibe) und über relative Bewegungen; es sind kurze Andeutungen dessen, was Sagredo im Dialog ausführlich erörtert.38
Ein weiterer im Dialog mehr episodisch behandelter Stoff39, dem Galilei in Padua seine vollste Aufmerksamkeit zuwandte, waren die magnetischen Erscheinungen. Wir finden ihn spätestens seit 1602 mit dem Studium derselben beschäftigt, angeregt offenbar durch das im Jahre 1600 erschienene Buch Gilberts »De Magnete«. Mit seinen Freunden Fra Paolo Sarpi und Francesco Sagredo betrieb er gemeinsam die Lektüre des von ihm hochbewunderten Engländers, und wiederholte, ja überbot teilweise die Gilbertschen Versuche. Er adoptierte fast durchweg die Ansichten Gilberts; namentlich glaubte er irrigerweise wie dieser, dass das ganze Erdinnere aus Magneteisen bestehe und dass die Unveränderlichkeit der Erdachsenrichtung eine Folge des Erdmagnetismus sei; doch trat er anderen Irrtümern freimütig entgegen, wie der Vermutung Gilberts, dass eine freischwebende Magnetkugel von selbst rotiere. Am Schlusse der Gespräche des dritten Tags widmet Galilei dem berühmten Zeitgenossen und seinen Leistungen eine ziemlich ausführliche Besprechung; er war sich bewusst, in ihm einen Mitstreiter zu haben, nicht nur für die kopernikanische Sache, sondern überhaupt für eine moderne Art des naturwissenschaftlichen Betriebs gegenüber der vergilbten Papierweisheit der Peripatetiker.
So wenig Galilei schon vor der Zeit seines glänzenden Eroberungszugs am Himmel die Wahrheit des kopernikanischen Systems bezweifelte, so sehr mussten ihn doch die überraschenden Entdeckungen, die er mit Hilfe des von ihm verbesserten und zuerst für astronomische Zwecke benutzten Fernrohres machte, in seinen Ansichten bestärken und ihm den Wunsch nahelegen, auch die Zeitgenossen von der Bedeutung dieser Entdeckungen für die neue, scheinbar so phantastische Lehre zu überzeugen. Im März 1610 erschien sein »Sternenbote«, der Sidereus nuncius, der allenthalben bei Freund und Feind gewaltigsten Aufruhr erregte. Vor allem waren es die im Januar desselben Jahres zuerst aufgefundenen Jupitersmonde, die mediceischen Gestirne, wie Galilei sie nannte, die mit unerbittlichster Klarheit dem sinnlichen Auge einerseits bewiesen, dass das Zentrum der Planetenbewegungen nicht durchweg die Erde sein könne, und die andererseits den weiteren wichtigen Einwand gegen die kopernikanische Lehre hinfällig machten, dass ihr zufolge der Mond eine ungebührliche Sonderstellung einnehme, da er allein von allen beweglichen Himmelskörpern nicht die Sonne umkreisen sollte, sondern die Erde. Hatte man doch jetzt einen gar von vier Monden umkreisten Planeten. Die Analogie zwischen Erde und Himmelskörpern oder, wie man sich damals häufig ausdrückte, der Umstand, dass die Erde ein Stern sei, war der von den Gegnern vielleicht zumeist bestrittene Punkt der Diskussion; er wurde damit verständlich. Galilei deutet dies selber am Schlusse des Berichtes über die von ihm gemachten Entdeckungen an40 und wagt damit zum ersten Male öffentlich sich zu Gunsten der Lehre von der Erdbewegung auszusprechen. Nachdem er so lange verschwiegen, wessen sein Herz voll war, glaubte er durch die Wunderbotschaften, die er vom Himmel brachte, endlich das Recht erwirkt zu haben, seine Stimme für die fast greifbar gewordene Wahrheit zu erheben. Auch die gebirgige Natur des Mondes, die durch das Fernrohr erschlossen war, und die übrigen Analogien zwischen Erde und Mond, welche ähnlich wie später im Dialog41 schon im Sidereus nuncius hervorgehoben werden, benutzte er als Argumente für die im Wesentlichen gleichartige Natur der Erde und der Himmelskörper. Betreffs ausführlicherer Erörterungen