ТОП просматриваемых книг сайта:
Dialog über die beiden hauptsächlichsten Weltsysteme. Galileio Galilei
Читать онлайн.Название Dialog über die beiden hauptsächlichsten Weltsysteme
Год выпуска 0
isbn 9783843804387
Автор произведения Galileio Galilei
Жанр Математика
Издательство Bookwire
Inzwischen hatten die Gegner Galileis geschickt operiert, um ihn auf den schlüpfrigen Boden theologischer Erörterungen zu locken; man war sicher, dass, wenn er erst diesen betreten, es ein Leichtes sei, ihn zu Fall zu bringen. Die fromme Mutter des Großherzogs Cosimo II., Christina von Lothringen, spielte dabei, wohl mehr geschoben als schiebend, eine Hauptrolle. Ein Tischgespräch über Galileis Entdeckungen und Ansichten wurde an der großherzoglichen Tafel inszeniert und zwar in Gegenwart des Galilei treuergebenenC a s t e l l i ;dabei fiel die Äußerung, die kopernikanische Lehre sei mit der Heiligen Schrift unvereinbar. Castelli nahm sich seines Lehrers an, die Großherzogin Mutter widersprach, nach Castellis Empfindung hauptsächlich, um Gegengründe zu hören. Selbstverständlich ließ Castelli seinem Meister über den Vorfall Bericht zugehen und dieser antwortete in einem längeren Schreiben vom 21. Dezember 161360, worin er eine ausführliche Darlegung seiner Ansichten über Bibelexegese gab und die so gewonnenen Grundsätze auf die streitigen Stellen der Heiligen Schrift anwendete. So interessant es dem Theologen sein mag, diese Ansichten kennen zu lernen, für die Geschichte der Wissenschaft sind sie nur insofern von Wichtigkeit, als man aus jenen Sätzen, die von höchster Ehrfurcht für die Bibel und die Kirche Zeugnis ablegen, die aber andererseits mit einem für damalige Zeitläufte nicht genug zu bewunderndem Mute für das Recht der freien Naturforschung plädieren, einen Strick zu drehen suchte, um ihren Urheber zu Fall zu bringen. Es ist wohl überflüssig zu bemerken, dass Galileis Versuche, die Heilige Schrift mit der kopernikanischen Lehre in Einklang zu bringen, Sophismen sind, so ernsthaft er selbst von ihrer Beweiskraft überzeugt war. Die biblischen Äußerungen über den Bau des Weltalls geben in naiver Weise die Eindrücke eines Volkes wieder, dem es zwar nicht an Naturgefühl, wohl aber an allen naturwissenschaftlichen Kenntnissen fehlte, und stehen daher wirklich in Widerspruch nicht nur mit dem kopernikanischen, sondern auch mit dem ptolemäischen Systeme. Galilei aber war nicht wenig stolz auf seine in der Tat von subtilstem Scharfsinn zeugende Leistung; er verschickte Abschriften an seine Freunde und hoffte nicht nur seine persönlichen Gegner abgefertigt zu haben, sondern wahrscheinlich auch durch seine Argumente einen Druck auf die Entschließungen der Kirche auszuüben.
Denn unabhängig von dem widerlichen Intrigenspiel gegen die Person Galileis beschäftigte man sich im Schoße der Inquisition jetzt ernsthaft mit der Frage, wie die Kirche sich zu der Lehre von der Erdbewegung zu stellen habe. Das Werk des Kopernikus war zwar mehr als 70 Jahre unbeanstandet geblieben, sei es, weil ein kirchlich anstößiger Streit darüber sich nicht erhoben hatte, sei es, weil man sich täuschen ließ durch die den Absichten des Kopernikus völlig zuwiderlaufende Vorrede Osianders zu dem Werke des großen Reformators, und dass man daher des Glaubens lebte, es handle sich bei jener Reform nur um eine mathematische Fiktion zur Erleichterung der Berechnung der Planetenbewegungen. Seitdem aber diese »Fiktion« ernst genommen und als Wahrheit verteidigt wurde, wie es allein dem Sinne des Urhebers gemäß war, seitdem die Feinde und infolge davon auch die Freunde der Lehre immer wieder in theologische Erörterungen verfielen, sah sich das Heilige Officium veranlasst, Stellung zu diesen Fragen zu nehmen. Vor allem war es der Kardinal Bellarmin, der zu einer Entscheidung drängte; so groß sein Interesse an den neuen astronomischen Entdeckungen war, so sehr er Galilei persönlich schätzte und ihn zu schützen suchte, so unbeugsam war er in kirchlichen Angelegenheiten. Er erkannte die ganze der Kirche drohende Gefahr, die nicht nur in dem Widerspruche der kopernikanischen Lehre mit der Heiligen Schrift bestand – dieser ließ sich schlimmstenfalls zwar nicht wirklich, aber für die Zwecke der Kirche in ausreichender Weise weginterpretieren, wie Bellarmin in einem Briefe an Foscarini selbst zugab61; aber die weitaus größere Gefahr einer auf dem Boden der astronomischen Reform neu emporsprießenden Weltanschauung wird dem weiten Blick des Kardinals gleichfalls nicht entgangen sein. Auf diesen Mann einzuwirken, darauf war offenbar Galileis Wunsch und Hoffnung gerichtet; ihm sollte der Brief an Castelli vom 21. Dez. 1613 in die Hände kommen.62
Über die Erwägungen, die wahrscheinlich schon im Jahre 1614 im Schoße der Inquisition gepflogen wurden, verlautete zwar zunächst in Florenz noch nichts Bestimmtes; doch scheint man dort für die Richtung, in welcher der Wind wehte, feinfühlig genug gewesen zu sein, um sich zur Anwendung gröberen Geschützes gegen Galilei ermutigt zu fühlen. Ähnlich wie ein Jahrhundert zuvor in Mantua der Augustinermönch Ambrogio Fiandino die Kanzel missbrauchte, um die Ideen des großen Philosophen Pomponazzi zu bekämpfen, so wagte es jetzt in Florenz der Dominikaner Tommaso Caccini, gerade ein Jahr nach dem Briefe Galileis an Castelli, in der fanatischsten Weise gegen die Kopernikaner und die Mathematiker überhaupt zu predigen. Wenn die Absicht dabei war, einen Skandal zu provozieren, so wurde sie auf das vollständigste erreicht. Alle Welt war zwar entrüstet, selbst die Ordensgenossen Caccinis; aber probat war das Mittel doch gewesen, insofern es unzweifelhaft dazu beitrug, die Verhandlungen der Inquisition in Fluss zu bringen. Unmöglich konnte man solche Vorfälle sich des Öfteren wiederholen lassen. Caccini und seine Hintermänner »wussten, wie es gemacht wird«. – Galilei rüstete sich zur Abwehr. Dazu boten sich ihm zwei Wege: Entweder er suchte, ohne auf theologische Fragen einzugehen, mit dem Aufwande aller ihm zu Gebote stehenden Hilfsmittel die Erdbewegung naturwissenschaftlich zu erweisen, mittelbar also eine etwaige kirchliche Verwerfung des Systems in möglichst grellen Widerspruch zu allen Vernunftwahrheiten zu bringen; oder er wies einerseits hin auf die kirchliche Unanstößigkeit der Lehre, und hob andererseits die Gefahr hervor, die der Kirche aus der Parteinahme gegen eine möglicherweise wahre Lehre erwachsen könne. Der dem Naturforscher angemessenere Weg wäre, wie die maßgebenden Personen sehr wohl herausfühlten63, der erstere gewesen. Aber sei es, dass das Werk De systemate mundi noch nicht reif für die Veröffentlichung war – und Eile tat Not – oder dass Galilei, der auf seine theologischen Erörterungen hohen Wert legte, sich größeren Erfolg von der anderen Taktik versprach, wie sie denn auch anscheinend gefahrloser und versöhnlicher war: Kurz, um die mittlerweile akut gewordene Gefahr eines kirchlichen Verbots der Lehre abzuwenden, entschloss er sich, die in dem Briefe an Castelli ausgesprochenen Gedanken detaillierter auszuführen und zwar in Gestalt eines Schreibens an die Großherzogin Mutter Christine (Op. II, 26–64).
Was in dieser berühmten Schrift, wie auch in manchen Stellen des Dialogs, besonders wohltuend berührt, ist die scharfe Betonung des Gedankens, dass die beiden Systeme sich durchaus ausschließen, dass es keine Vermittlung gebe, dass man nicht, wie