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Dialog über die beiden hauptsächlichsten Weltsysteme. Galileio Galilei
Читать онлайн.Название Dialog über die beiden hauptsächlichsten Weltsysteme
Год выпуска 0
isbn 9783843804387
Автор произведения Galileio Galilei
Жанр Математика
Издательство Bookwire
Ungefähr zu derselben Zeit, wo Galilei mit der Ausarbeitung jener denkwürdigen Schrift beschäftigt war, schickte der Dominikanerpater Lorini dem Präfekten der Indexkongregation eine Abschrift des Briefes an Castelli ein, nicht ohne einige bedenkliche Verstärkungen des Ausdrucks anzubringen, mit der Aufforderung, gegen die Kühnheit der Galileisten einzuschreiten. Die Denunziation Lorinis wurde dem heiligen Officium übermittelt und dieses tat sofort Schritte, um sich in den Besitz des Originals von Galileis Brief zu setzen; trotz aller angewendeten Schlauheit führten diese Bemühungen jedoch nicht zum Ziele. Der Prozess der Inquisition war damit gegen Galilei eröffnet. In die Einzelheiten desselben einzugehen ist an dieser Stelle nicht nötig. Es genügt das Ergebnis, soweit es festgestellt ist, mitzuteilen. Im Dezember 1615 war Galilei nach Rom gereist, sowohl um seiner persönlichen Angelegenheit willen, als um das drohende Verbot der kopernikanischen Lehre zu hintertreiben. Das gegen ihn eröffnete Verfahren scheint ihn nicht sehr beängstigt zu haben; er mochte über den vermutlichen Ausgang durch seine mit den Verhältnissen vertrauten Freunde beruhigt worden sein und in seinem heiligen Eifer für die Sache der Wahrheit seine privaten Interessen fast vergessen haben. Eine fieberhafte Tätigkeit, eine glänzende Beredsamkeit entfaltete er nach den Schilderungen von Ohrenzeugen in jener Zeit; in den Zirkeln, vor denen er mit den Gegnern disputierte, erzielte er große moralische Erfolge; man ist entzückt über die feine Ironie, mit der er anscheinend noch das Gewicht der gegnerischen Gründe verstärkt, um sie dann in ihr Nichts zerfallen zu lassen, ganz wie es Salviati im Dialoge tut; er trägt dem Kardinal Orsini seine Theorie der Gezeiten vor und schickt ihm (am 8. Januar 1616) eine schriftliche Ausarbeitung seines Vortrags zu, dieselbe Schrift, aus deren Umarbeitung und Erweiterung nachmals der vierte Tag des Dialogs hervorging. An dem Felsen der Kirche aber prallte ebenso seine irrige Fluttheorie ab wie bessere Argumente. Am 24. Februar 1616 gaben die theologischen Konsultoren der Inquisition ihr Gutachten über die beiden folgenden, ihnen vorgelegten Sätze ab: 1) Die Sonne ist der Mittelpunkt der Welt und besitzt keinerlei Ortsbewegung. 2) Die Erde ist nicht der Mittelpunkt der Welt und nicht unbeweglich, sondern bewegt sich als Ganzes sowie in täglicher Bewegung.65 Diese sonderbar formulierten Sätze wurden folgendermaßen begutachtet. Ad 1) Alle sagten, genannter Satz sei philosophisch töricht und absurd, außerdem formell ketzerisch, insofern er ausdrücklich den an vielen Stellen der Heiligen Schrift sich findenden Lehren widerspricht, hinsichtlich des Wortlautes sowohl als hinsichtlich der gemeinen Erklärung und Sinnesdeutung seitens der heiligen Väter und der Doktoren der Theologie. Ad 2) Alle sagten, dieser Satz sei philosophisch ebenso zu beurteilen, rücksichtlich seiner theologischen Wahrheit sei er zum mindesten irrig im Glauben. – Am folgenden Tage, dem 25. Februar 1616 beschloss das heilige Officium aufgrund dieses Gutachtens seiner Konsultoren: Kardinal Bellarmin solle Galilei zu sich bescheiden und ihn ermahnen, genannte Meinung aufzugeben; wenn er sich weigere zu gehorchen, solle ihm der Kommissar der Inquisition vor Notar und Zeugen den Befehl erteilen, dass er sich durchaus enthalte, sotane Lehre und Meinung zu lehren oder zu verteidigen oder über sie zu handeln; wenn er sich dabei aber nicht beruhige, solle er eingekerkert werden.66 – Außerdem wurde (vermutlich in derselben Sitzung der Inquisition) beschlossen, von dem ergangenen Gutachten der Index-Kongregation Kenntnis zu geben, deren Aufgabe bekanntlich darin besteht, kirchlich anstößige Bücher zu verbieten oder zu suspendieren, bis das Anstößige entfernt ist, sowie die zu diesem Behufe notwendigen Korrekturen vorzunehmen.
Was zunächst den letzteren Beschluss betrifft, so erging am 5. März 1616 denn auch wirklich das berüchtigte Dekret dieser Behörde; in demselben werden zunächst einige andere Bücher verboten, sodann heißt es:67
»Und weil ferner zur Kenntnis vorgenannter heiliger Kongregation gelangt ist, dass jene falsche, der Heiligen Schrift durchaus widersprechende pythagoreische Meinung von der Beweglichkeit der Erde und Unbeweglichkeit der Sonne, welche Nicolaus Copernicus De revolutionibus orbium coelestium, sowie Didacus Astunica in Iob lehren, sich jetzt verbreitet und von vielen gebilligt wird; wie zu ersehen ist aus einem gedruckten Briefe eines gewissen Karmeliterpaters, dessen Titel lautet: Lettera del R. Padre Maestro Paolo Antonio Foscarini, Carmelitano, sopra l’opinione de Pittagorici, e del Copernico, della mobilità della Terra, e stabilità del Sole, et il nuovo Pittagorico Sistema del Mondo, in Napoli per Lazzaro Scoriggio 1615, worin genannter Pater zu zeigen versucht, vorgenannte Lehre von der Unbeweglichkeit der Sonne im Mittelpunkte der Welt und von der Beweglichkeit der Erde sei in Übereinstimmung mit der Wahrheit und widerspreche nicht der Heiligen Schrift: Darum, damit sotane Meinung nicht zum Schaden der katholischen Wahrheit um sich greife, beschloss man, genannten Nicolaus Copernicus de revolutionibus orbium und Didacus Astunica in Iob zu suspendieren, bis sie verbessert würden, das Buch des Karmeliterpaters Paulus Antonius Foscarini aber ganz zu verbieten und zu verdammen, und alle anderen Bücher, die dasselbe lehrten, gleichermaßen zu verbieten. Wie sie denn durch gegenwärtiges Dekret alle respektive verboten, verdammt und suspendiert werden. Zu Urkund dessen ist gegenwärtiges Dekret mit Unterschrift und Siegel Sr. Erlaucht und Hochwürden des Herrn Kardinals von S. Caecilia, Bischofs von Albano, unterzeichnet und ausgefertigt worden am 5. März 1616.«
Wir ersehen aus dem Wortlaute des Dekrets, dass das Werk des Kopernikus nicht ohne Weiteres verboten wurde, dass nur diejenigen Bücher als verdammenswert bezeichnet werden, die wie das Foscarinische es sich zur Aufgabe machten, die Wahrheit der Lehre und ihre Konkordanz mit der Heiligen Schrift zu erweisen. Es lag also nicht in der Absicht der Kongregation, die Berechnung der Planetenbewegung aufgrund der kopernikanischen Annahmen zu verbieten, nur durften diese Annahmen nicht als Wahrheit, sie mussten als mathematische Fiktion gelehrt werden. Demgemäß wurde denn auch Kopernikus in der Folge (1620) verbessert, d. h. alle die Stellen seines Werkes, die apodiktisch von der Erdbewegung und dem Stillestehen der Sonne reden, wurden auf eine hypothetische Form gebracht. Die hypothetische Behandlung seiner Lehre ließ man also im Allgemeinen zu und von dieser Erlaubnis wurde Gebrauch gemacht.
Wie stand es nun aber mit der Ausführung des anderen, speziell auf Galilei bezüglichen Beschlusses, der in der Sitzung vom 25. Februar gefasst wurde? DurchW o h l w i l l sscharfsinnige Studie »Der Inquisitionsprozess des Galilei« ist diese Frage angeregt und in zahlreichen Schriften behandelt worden, sie ist noch immer kontrovers. – Am 26. Februar beschied nämlich Bellarmin Galilei zu sich, machte ihm Mitteilung von dem bevorstehenden Dekret der Indexkongregation und ermahnte ihn die kopernikanische Lehre aufzugeben. Soweit ist der Tatbestand verbürgt; und wenn damit alles Vorgefallene wiedergegeben ist, wenn Galilei sich dabei beruhigte, so war zwar der Schlag für ihn schmerzlich genug. Er durfte von nun ab an einer der Lebensaufgaben, die er sich gestellt, nur mit gefesselten Händen arbeiten; denn von dem, was er als Wahrheit erkannte, musste er wie die ganze katholische Christenheit als von einer Hypothese reden. Aber er durfte immerhin davon reden, und er konnte bei seiner Kunst der Darstellung hoffen, dass er auch so, trotz aller Erschwerung, dem verständigen Hörer verständlich sein werde. Hat nun aber Galilei der Ermahnung Bellarmins Widerspruch entgegengesetzt? Wurde also auch die im Beschluss der Inquisition vorgesehene andere Möglichkeit aktuell? Wenn dies geschah, so musste der Kommissar der Inquisition einschreiten, vor Notar und Zeugen Galilei verbieten, irgendwie, auch nur hypothetisch, über die kopernikanische Lehre zu handeln, und ihn für den Fall der Widersetzlichkeit mit Einkerkerung bedrohen. Wenn es soweit kam, war Galilei für alle Zeiten in Sachen der Erdbewegung mundtot gemacht. Die Entscheidung der Frage ist von erheblicher