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Dialog über die beiden hauptsächlichsten Weltsysteme. Galileio Galilei
Читать онлайн.Название Dialog über die beiden hauptsächlichsten Weltsysteme
Год выпуска 0
isbn 9783843804387
Автор произведения Galileio Galilei
Жанр Математика
Издательство Bookwire
Ob Galilei rückhaltslos seine innersten Überzeugungen in Rom offenbarte oder nicht: Bei seinen Freunden und Feinden stand es fest, dass er vollüberzeugter Kopernikaner sei. Da die Zahl sowohl seiner prinzipiellen Gegner als der persönlichen, deren Neid durch die ihm widerfahrenen Ehren wachgerufen war, sich stetig mehrte, so begann nun bald ein Intrigenspiel, das den fürchterlichen Mann verderben sollte, der die versteinerte Wissenschaft zu neuem Leben zu erwärmen, der tote und lebende Autoritäten von ihrem Piedestal zu stürzen drohte. Wissenschaftlich ihm beizukommen war schwer, man musste also den Kampf auf ein anderes Terrain hinüberspielen, auf das Gebiet des Glaubens. Nicht als ob die kopernikanische Lehre jetzt zum ersten Male an dem Maßstabe der Heiligen Schrift gemessen worden wäre. So sehr auch Kopernikus von vornherein in der Widmung seines Werks sich gegen das Hereinziehen der Bibel verwahrt, so hatte doch schon Luther den Narren Kopernikus verspottet, der die Welt auf den Kopf stellen wollte und im Widerspruch zu der bekannten biblischen Erzählung im Buche Josua, die Sonne ruhen, die Erde sich bewegen ließ. Einer der ersten Anhänger des Kopernikus,J o a c h i mR h ä t i c u s(eigentlich Georg Joachim) hatte in einer eigenen Schrift Kopernikus und Bibel in Einklang zu bringen versucht, Tycho de Brahe hatte in seinem Briefwechsel mitC h r i s t o p hR o t h m a n n ,dem Hofastronomen des Landgrafen Wilhelm IV. von Hessen-Kassel, auf den Widerspruch mit der Heiligen Schrift hingewiesen, Kepler bemühte sich des Öfteren die Bibel im kopernikanischen Sinne zu interpretieren: Kurzum die üble Gewohnheit, die Bibel in den Streit auch über andere Materien als über Glaubenswahrheiten hineinzuziehen, war zu jener Zeit allenthalben im Schwange. Dabei war zweifelsohne die herrschende Anschauung, dass es wissenschaftlich nicht fair sei so zu verfahren: etwa wie man heutzutage es missbilligt, in politischen Kämpfen die Ansicht und Person des regierenden Fürsten als Kampfesmittel zu verwenden. Die Verehrung und Rücksicht der Wissenschaft für die Bibel sollte darin ihren Ausdruck finden, dass man unabhängig von ihr die Wahrheit erforschte und nachträglich die Heilige Schrift so auslegte – und das war die Aufgabe der Theologen –, dass sie mit dem anderweitig für wahr Erkannten übereinstimmte. So schwer das oft auch möglich war, ein ultimum refugium blieb stets, von dem man allerdings nicht gerne Gebrauch machte; man sagte, die Bibel bequeme sich in ihrer Ausdrucksweise dem Verständnis der großen Menge an. Niemals hat Galilei, und schwerlich je ein anderer Kopernikaner, die Bibel als Beweismittel für die Lehre der Erdbewegung anführen wollen. Es ist darum einer der sinnlosesten, nichtsdestoweniger häufig gegen Galilei ausgesprochenen Vorwürfe, dass er nachmals nicht als schlechter Astronom, sondern als schlechter Theologe verurteilt worden sei. Anzunehmen, dass ihn gar Feindseligkeit gegen die Kirche beeinflusst hätte, wie es etwa bei Giordano Bruno der Fall war, ist völlig ausgeschlossen. Er war ihr gegenüber voll kindlicher, echt katholischer Fügsamkeit, die festhält an einer von frühester Jugend unauslöschlich eingeprägten Ehrfurcht vor allem, was mit der Kirche zusammenhängt, einer Ehrfurcht, die vielleicht etwas Äußerliches, Gewohnheitsmäßiges hatte, die aber ganz und gar mit ihm verwachsen, nicht künstlich gemacht war. Bis zur genannten Zeit hatte er sich über das Verhältnis der kopernikanischen Lehre zur Heiligen Schrift überhaupt nicht geäußert. Umso auffallender, dass während seines römischen Aufenthaltes seine Name zum ersten Male in den Akten der Inquisition erscheint. Es ist unbekannt, ob eine Denunziation eines seiner persönlichen Feinde vorlag, oder ob die Inquisition aus eigener Initiative dem gefährlichen Neuerer ihre Aufmerksamkeit schenkte. Denn gefährlich waren in gewissem Sinne die Lehren Galileis doch, seine Bekämpfung der Autorität des Aristoteles machte jede andere Autorität erzittern; der Heide Aristoteles und die katholische Kirche hatten insofern solidarische Interessen. Man forschte damals, ob Galilei in den InquisitionsprozessC e s a r eC r e m o n i n i s ,eines seiner ehemaligen paduanischen Kollegen, verwickelt gewesen sei. Cremonini galt damals als eine Leuchte der Peripatetiker, äußerte aber bedenkliche Ansichten bei seiner Interpretation der aristotelischen Schriften über die Seele, und stand im Geruche, atheistische Anschauungen zu verbreiten. Das persönliche Verhältnis zwischen ihm und Galilei war nicht unfreundlich gewesen, wissenschaftlich aber waren sie Antipoden. Gehörte doch Cremonini zu denen, die sich zeitlebens weigerten einen Blick durch das Fernrohr zu werfen. Gegen ihn polemisiert Galilei mehrmals im Dialog, teils mit, teils ohne Nennung seines Namens.
Galilei hatte damals die Absicht, sein Werk de systemate mundi, das er im Sidereus nuncius angekündigt hatte, fertig zu stellen und zu veröffentlichen. Man erwartete dies allgemein von ihm, wie nicht nur aus einem Briefe des Fürsten Cesi vom 4. August 161247, sondern auch aus den einleitenden Worten seiner 1612 erschienenen Abhandlung Trattato dei Gallegianti48 hervorgeht, beiläufig bemerkt, einer der bedeutendsten Schriften Galileis. Er zögerte indessen, sein Buch über die Weltsysteme zu vollenden, stutzig gemacht nicht sowohl durch seine Gegner als durch seine Freunde, die ihn wie z. B. Paolo Gualdo49 warnten, mit einer so phantastischen Lehre vor die Öffentlichkeit zu treten. Die Gründe, die er in der erwähnten Abhandlung für sein Säumen anführt, sind schwerlich ernst zu nehmen; denn die Bewegungsverhältnisse der Jupitersmonde, die er angeblich erst sorgfältiger erforschen wollte, sind auch späterhin im Dialog nur ganz obenhin besprochen50, und über die Sonnenflecken war Galilei im Jahre 1612 soweit im Klaren, dass er mit ihrer Hilfe die Sonnenrotation für erwiesen ansah.51 Es ist freilich nicht ausgeschlossen, dass er damals dem Werke über die Weltsysteme ein anderes Gepräge zu geben gedachte, als es nachher erhielt. Er plante vielleicht ein mehr fachwissenschaftliches Buch mit größerem mathematischem Apparat, zu welchem ihm dann allerdings noch manches Material gefehlt haben mag. Immerhin bleibt es schmerzlich zu bedauern, dass er sich durch die Ängstlichkeit seiner Freunde oder durch Bedenken welcher Art auch immer zurückhalten ließ. Seine Feinde und die immer misstrauischer werdende Kirche gewannen infolgedessen Zeit, ihm seine Aufgabe mehr und mehr zu erschweren, nicht durch neugeschmiedete Geisteswaffen, sondern durch Aufbietung der brutalen geistigen Polizeigewalt, über welche die Kirche ja verfügte. Schon wurden die theologischen Argumente mit größerer Ungeniertheit gebraucht, schon schriebL o d o v i c od e l l eC o l o m b eeine von Unwissenheit strotzende, in anmaßendstem Tone abgefasste Broschüre gegen die Kopernikaner52 – selbstverständlich war es allein auf Galilei dabei abgesehen –, in der die Heilige Schrift das letzte Argument bildete; schon entstand eine Art von Verschwörung gegen Galilei, deren Haupt sein ehemaliger Schüler, der nunmehrige Erzbischof von Florenz, Marzimedici war. Noch durfte Galilei hoffen Sieger zu bleiben, wenn er jetzt in voller Rüstung auf dem Kampfplatze erschien; er tat es nicht und versäumte so den entscheidenden Augenblick.
Zu den Widersachern Galileis gesellte sich in jener Zeit ein Mann, der, wahrscheinlich in höherem Grade, als sich im Einzelnen nachweisen lässt, verhängnisvoll in sein Leben eingegriffen hat, der JesuitenpaterC h r i s t o p hS c h e i n e r .Bei Gelegenheit von Galileis römischem Aufenthalte hatte der Ordensgenosse Scheiners,P a u lG u l d i n ,der bekannte angebliche – aber nicht wirkliche – Entdecker der nach ihm benannten Regel, auch den Demonstrationen der Sonnenflecken seitens G.s beigewohnt. Dieser erzählt nun später, dassS c h e i n e rdurch ihn zuerst von jener Entdeckung Galileis Kenntnis erhalten und infolge dieser Anregung erst seine eigenen Beobachtungen angestellt habe.53 Die Sonnenflecken waren inzwischen auch vonJ o h a n nF a b r i c i u sbeobachtet und jedenfalls von diesem zuerst in einer gedruckten Schrift erörtert worden, sodass man heute nicht mit Unrecht ihn als den Entdecker zu bezeichnen pflegt, während weder Galilei noch Scheiner seines Namens in der späteren literarischen Fehde Erwähnung tun. Scheiner gibt freilich bezüglich seiner ersten Beobachtungen später eine andere Darstellung und behauptet bereits im März 1611 und dann im Oktober desselben Jahres in Ingolstadt Fleckenbeobachtungen gemacht zu haben, ohne von anderen Bestrebungen dieser Art etwas zu wissen.54
Wie dem auch