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n b e w e g l i c h k e i t ,died o p p e l t eBewegung der Himmelskörper; er spricht dann von den verschiedenen auf der Himmelskugel angenommenen Kreisen, erläutert die ungleiche Tagesdauer, die Verschiedenheit der Jahreszeiten in den verschiedenen Erdzonen, die Mond- und Sonnenfinsternisse, die Mondphasen, die Präzession. Überall spricht er so, wie ein innerlich überzeugter Anhänger des ptolemäischen Systems sich nicht anders ausdrücken würde, ja man kann aus dieser Abhandlung die landläufigen Ansichten, die Galilei später so energisch bekämpfte, vielleicht am besten kennen lernen. Nur in der Frage der Achsendrehung der Erde legt er sich eine gewisse Zurückhaltung auf, indem er nicht wie sonst in dieser Schrift das althergebrachte Raisonnement ohne Weiteres sich aneignet, sondern die angeblichen Gründe des Ptolemäus gegen diese Art der Bewegung nur als solche mitteilt und so diesem die Verantwortung für ihre Richtigkeit überlässt.
20 Man mag daraus vielleicht schließen wollen, dass Galilei noch nicht vollüberzeugter Anhänger des Kopernikus war, dass er einstweilen nur die Achsendrehung der Erde billigte, als er die Schrift abfasste, was vermutlich in den ersten Jahren seines Aufenthaltes in Padua geschah; sicher ist, dass dieselbe noch 1606 und später in den Händen seiner Schüler sich befand, als er schon längst ins kopernikanische Lager übergegangen war. Seine wahre Ansicht geht hervor aus den 1597 geschriebenen Briefen, von denen der eine an den oben genannten Jacopo Mazzoni
21, der andere an Kepler gerichtet ist, welchem er für den ihm übersandten
Prodromus dissertationum cosmographicarum dankt.
22 Einen besonderen Vorwurf kann man gegen Galilei wegen der Verheimlichung seiner Überzeugung nicht erheben. Die Argumente, auf welche er in späterer Zeit sich in erster Linie berief, standen ihm damals noch nicht zu Gebote; seine Amtspflicht erheischte nichts weiter von ihm als die Überlieferung des hergebrachten Stoffes, auch seine Schüler erwarteten von ihm schwerlich etwas Anderes. Jede erhebliche Neuerung, die er in seinem öffentlichen Unterrichte etwa vorzunehmen gewagt hätte, würde seinen schon damals zahlreichen Gegnern willkommenen Anlass geboten haben, ihn lächerlich und damit auf dem Katheder unmöglich zu machen. Galilei musste sich sagen – und bei den unsittlichen Verhältnissen, den Kabalen und Ränken, die an italienischen Universitäten der damaligen Zeit auch schon im Schwange waren, kann man ihm nicht Unrecht geben –, er musste sich sagen, dass er durch vorzeitiges Aussprechen seiner Überzeugung das Ohr seiner Schüler verlieren werde, dass er damit auch in Zukunft sich der Möglichkeit beraubte, im Dienste der Wahrheit tätig zu sein, und dass es nicht nur aus persönlichen, sondern auch aus sachlichen Gründen klüger sei zu warten, bis er ein die Gegner erdrückendes Beweismaterial aufgehäuft habe. Erhebt man doch noch heute zuweilen gegen den Entdecker der Jupiterstrabanten und der Phasenänderung der Venus den Vorwurf, er sei auch in der Folge noch mit ungenügenden Waffen in den Kampf für die Lehre von der Erdbewegung ausgezogen.
23 Ob auch die Furcht vor einem Konflikt mit der Kirche ihn damals zurückhielt, lässt sich nicht mit Bestimmtheit sagen, so wahrscheinlich es auch ist. Diese hatte noch keine entschiedene Stellung zu der Lehre von der Erdbewegung genommen, wiewohl gerade zu der Zeit, wo Galilei nach Padua übersiedelte, die Inquisition Hand anG i o r d a n oB r u n o ,den begeisterten Anhänger des Kopernikus, legte. Da jedoch hierbei wesentlich andere Motive mitwirkten, da Galilei selbst in seinem Briefe an Kepler (vom 4. Aug. 1597)
24, worin er seinem gepressten Herzen Luft macht, nur von Furcht vor dem Fluche der Lächerlichkeit, nicht geradezu von Furcht vor der Kirche spricht, so braucht man diese immerhin nicht für das damalige Verhalten Galileis verantwortlich zu machen. – Der Brief an Kepler beweist nun aber, dass Galilei, mochte er sich äußerlich auch die größte Zurückhaltung auferlegen, unablässig tätig war, die Lehre des Kopernikus, der er »schon seit vielen Jahren« anhing, innerlich zu verarbeiten. Er erzählt, dass er mittels derselben viele nach der anderen Hypothese unverständliche Naturerscheinungen habe erklären können, und dass er Gründe für die neue Lehre und Widerlegungen gegnerischer Gründe bereits niedergeschrieben habe. Diese letztere Bemerkung ist für die Entstehungsgeschichte des Dialogs über die Weltsysteme von besonderer Wichtigkeit; denn die erwähnten Aufzeichnungen haben wir als den ersten Keim des Dialogs zu betrachten. Auch lässt sich wohl vermuten, dass u. a. zu diesen ältesten, später freilich umgearbeiteten Stücken diejenigen Partien des Dialogs gehören, welche zwar gegen die aristotelische Schule aufs Schärfste Opposition machen, in welchen aber ein scholastisches Gepräge, eine Verwandtschaft mit der Denkmethode der bekämpften Schule unverkennbar ist. Dahin gehören die Stellen, wo Galilei gewissermaßen ein Konkurrenzunternehmen dem Aristotelismus entgegensetzen will, wo er aus metaphysischen Formeln, aus der Dreidimensionalität und der angeblich daraus folgenden Vollkommenheit der Welt, oder aus Sätzen wie »die Natur unternimmt nichts Vergebliches«, aus der vermeintlichen Nutzlosigkeit der geradlinigen Bewegung und verwandten Betrachtungen die Erdbewegung wahrscheinlich zu machen versucht.
25 Es starren uns diese Teile seltsam entgegen aus einem in vieler Beziehung so lebensfrisch und modern angehauchten Werke. Sie zeigen, ebenso wie manche andere, dass Galilei nicht nur, als er sie in ihrer ersten Fassung niederschrieb, sondern auch weit später noch, als er sie umarbeitete und veröffentlichte, keineswegs der Fesseln ganz ledig war, deren er spottete. – Eine weitere Frage, zu der der Brief an Kepler Anlass gibt, ist die: Welche auf andere Weise unerklärlichen Naturerscheinungen konnte G. mittels der kopernikanischen Lehre damals schon erklären? Da er seine astronomischen Entdeckungen noch nicht gemacht hatte, da die Auffindung des Beharrungsgesetzes, soweit man von einer solchen sprechen darf, und die Untersuchungen über den Fall nicht unmittelbar mit der Frage der Weltsysteme zusammenhängen, so kann nur eine Anspielung auf das Phänomen von Ebbe und Flut und die damit zusammenhängenden Probleme vorliegen. Dies ist umso mehr anzunehmen, als Galilei auch in späterer Zeit von allen Naturerscheinungen gerade diese, und diese allein, für absolut unvereinbar mit dem ptolemäischen Systeme erklärte, wenn man nicht zur Erklärung durch ein Wunder seine Zuflucht nehmen wolle. Es steht sonach fest, wie ich glaube, dass der im Wesentlichen irrige Gedanke der Zurückführung von Ebbe und Flut auf die Erdbewegung schon dieser frühen Lebensperiode Galileis angehört. Eine fertige Formulierung seiner diesbezüglichen Ansichten liegt im Jahre 1610 vor, denn er erwähnt eine Abhandlung
de maris aestu in dem bekannten Briefe vom 7. Mai jenes Jahres an Belisario Vinta.
26 Daher ist es auch begreiflich, dass Galilei selbst dann noch, als der Dialog längst auf viel breiterer Grundlage geplant und teilweise ausgeführt war, in seiner vermeintlichen Erklärung der Gezeiten den Ausgangsund Zielpunkt der ganzen Darstellung erblickt und dies auch im Titel zum Ausdruck bringen will. Freilich muss es auffallen, dass wir bis zum Jahre 1615, abgesehen von dem Schreiben an Vinta, ihn diesen Gegenstand weder brieflich noch sonstwie behandeln sehen. Da indessen seine wissenschaftliche Tätigkeit in jenen Jahren voll und ganz dem Fallprobleme, rein astronomischen Untersuchungen und etwa noch hydrostatischen Fragen gewidmet war, so mag dadurch jener Gedanke einstweilen in den Hintergrund gedrängt worden sein, abgesehen davon dass die Scheu vor einer öffentlichen Anerkennung der Lehre von der Erdbewegung, die seiner Erklärung der Gezeiten zu Grunde lag, ihn noch lange zurückhielt.
In den unvergleichlich fruchtbaren Jahren des paduanischen Aufenthalts kam zu dem Material, das späterhin im Dialog verarbeitet wurde, eine reiche Fülle hinzu. In jene Jahre fällt vor allem die Fortsetzung der in der pisanischen Zeit begonnenen mechanischen Untersuchungen. Erst in Padua, nicht schon in Pisa, wie seit Albèri vielfach angenommen wurde27, gelangte Galilei zu dem wichtigsten Forschungsergebnisse, das wir ihm überhaupt verdanken, zu den Gesetzen der Fallbewegung. So war er im Jahre 1602, wie aus dem Briefe an Guidobaldo del Monte vom 29. November 1602 hervorgeht28, im Besitze des schönen Satzes, welcher die Gleichheit der Falldauer längs sämtlicher, im tiefsten Punkte eines vertikalen Kreises endigenden Sehnen aussagt; es ist nicht wohl denkbar, dass er zu diesem auch im Dialoge und in den Discorsi29 behandelten Satze gelangte, ohne zugleich das Gesetz der Fallbewegung zu kennen. Zwei Jahre später spricht er in einem Briefe vom 16. Oktober 1604 an Paolo Sarpi, den berühmten Geschichtsschreiber des tridentinischen Konzils, das Gesetz mit deutlichen Worten aus30; freilich versucht er damals noch, es aus einem falschen Prinzip abzuleiten, aus dem Prinzip, die erreichten Geschwindigkeiten seien proportional den durchfallenen Räumen. Eben deshalb muss, wie Wohlwill31 hervorhebt, die klassische, den Discorsi zu Grunde liegende Abhandlung de motu accelerato32, welche bereits die Proportionalität der Geschwindigkeiten mit den Fallzeiten lehrt, erst nach der Zeit des Briefes an Sarpi entstanden sein. Wohl aber hatte Galilei schon in Pisa den annähernden Isochronismus der Pendelschwingungen entdeckt und mit dem Wesen der beschleunigten Bewegung
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