Скачать книгу

seinen Verfasser heraufbeschwor, andererseits und vornehmlich aber wegen seines in anziehendster Form gebotenen Inhalts. Das hauptsächliche, aber keineswegs einzige Interesse des Buches liegt darin, dass es in greifbarer Anschaulichkeit die Berührung moderner Wissenschaft mit scholastischer Naturphilosophie und die daraus sich ergebenden Reaktionen dem Leser enthüllt. Wie dem Geologen die Kontaktstellen verschiedenartiger Gesteine und die dort eintretenden Umwandlungen der Gesteinsnatur das Verständnis der Erdgeschichte ermöglichen, so ist Galileis Buch für den Kulturhistoriker ein Schlüssel zur Erfassung des Umschwungs in der Weltanschauung. Aus ihm kann er ermessen, was es heißt, eine neue Idee wie die kopernikanische für weite Kreise fasslich und mundgerecht zu machen. Es kommt aber in dem Buche keineswegs bloß die Frage der beiden Weltsysteme zur Sprache, es handelt sich mehr noch um die ganze Methode wissenschaftlicher Forschung. Diese sollte von nun ab anscheinend bescheidener, in Wahrheit aber mühevoller und fruchtbarer sein; sie glaubt nicht mehr, alles a priori wissen zu können oder gar schon zu wissen, sie übernimmt vielmehr die schwere Aufgabe, in scheinbar geringfügigen Indizien, in alltäglichen und dennoch unbeachteten Erscheinungen die Spuren folgenschwerer Gesetze zu finden. Das Buch Galileis belehrte seine Zeitgenossen – und diese Belehrung dürfte auch heute für weite und einflussreiche Kreise noch nicht überflüssig geworden sein –, dass nicht in logisch geschultem Denken und in einer Anzahl von fertigen Formeln das Wesen der Wissenschaft und der wissenschaftlichen Erziehung sich erschöpft, dass vielmehr die unendlich viel schwierigere Kunst, durch Beobachtung und Versuche den Tatsachen Rechnung zu tragen, das Hauptmittel der Erkenntnis ist.

      Bei dem großen Interesse, welches das Buch beansprucht, ist der bisherige Mangel einer deutschen Ausgabe im Grunde verwunderlich. Allerdings erwähnt die im Jahre 1654 vonV i v i a n iniedergeschriebene Biographie Galileis eine deutsche Übertragung des Dialogs; wenn diese Angabe gegen alle Wahrscheinlichkeit ihre Richtigkeit haben sollte, so ist die Übersetzung heute gänzlich verschollen. Der Versuch eine deutsche Ausgabe zu veranstalten bedarf sonach wohl keiner weiteren Rechtfertigung. Die Schwierigkeiten des Unternehmens sind freilich nicht gering: Einmal ist es ohne Willkürlichkeiten der Übersetzung fast unmöglich, jener Formschönheit des Originals gerecht zu werden, die den Dialog zu einem klassischen Werke der italienischen Literatur stempelt; sodann aber sollte eine für weitere Kreise bestimmte Ausgabe – und eine solche zu veranstalten, war der Zweck, den ich mir setzte – von Rechtswegen diejenigen Hinweise enthalten, die das Verständnis und die Würdigung des Buches erleichtern, die es aus seiner Zeit heraus nach seinen Vorzügen und Schwächen begreiflich machen, und die dem Leser die Möglichkeit bieten, den Erkenntnisfortschritt zu verstehen, der sich in ihm vollzieht. Nach beiden Richtungen hin lässt die vorliegende Ausgabe, wie mir wohl bewusst ist, manches zu wünschen übrig. Es rührt dies teils und vorwiegend daher, dass meine Kräfte zu einer tadellosen Erfüllung der Aufgabe nicht ausreichten, teils auch daher, dass ein unerwünschtes Missverhältnis zwischen dem Umfange der erforderlichen Auseinandersetzungen und dem Texte des Dialogs vermieden werden sollte. Ob es mir gelungen ist, wenigstens einigermaßen dem mir vorschwebenden Ziele mich genähert zu haben, stelle ich dem Urteile des Lesers anheim.

      Ich habe mich nicht entschließen können, so nahe dieser Gedanke lag, eine verkürzte Bearbeitung vorzunehmen; denn wenngleich gewisse Partien des Dialogs für unser Gefühl vielleicht allzu eingehend sich mit der Widerlegung veralteter Ansichten beschäftigen, so schien es mir doch nicht statthaft, derartiges zu unterdrücken. Der Dialog ist eben mehr als ein Buch, es spielt sich in ihm ein Stück Kulturgeschichte, ein Denkprozess der Menschheit ab. Wollte man die sachlich minder wichtigen, aber historisch sehr wertvollen Episoden von mehr scholastischem Gepräge oder die Kritik von Büchern, die uns heute einer solchen nicht für wert erscheinen, in der Übersetzung beseitigen, so würde allerdings das Werk vielleicht in noch glänzenderem Lichte erscheinen, ohne dass die materielle Belehrung, die man auch jetzt noch aus ihm schöpfen kann, wesentlich beeinträchtigt würde; aber das Verständnis für den bedeutsamen Umschwung in der Geschichte der Wissenschaft, den Galilei in so hervorragender Weise herbeiführen half, würde damit nur getrübt und erschwert. Die Geschichte, namentlich die einer Wissenschaft, macht eben keine Sprünge: Wie das Neue schon vor Galilei in Keimen angelegt war, so ist das Alte in ihm und um ihn noch nicht völlig erstorben, er kämpft in sich dagegen an und doch übt es noch Einfluss auf Stoff und Form seiner Untersuchungen. Die Spuren davon wegzutilgen darf man sich meines Bedünkens nicht erlauben, wenn man Interesse für die Wandlungen wissenschaftlicher Anschauungen erwecken, nicht aber einen Heroenkultus fördern will, der auf keinem Gebiete Segen stiftet.

      Eine Geschichte des Buches, die bei dem Interesse, das sie von jeher erweckt hat, nicht wohl entbehrt werden kann, ist in der Einleitung gegeben, die wichtigsten sonstigen Tatsachen aus Galileis Leben sind mit hinein verflochten. Die Anmerkungen, die zum Teil recht große Mühe verursacht haben, enthalten teils historische, teils sachliche Notizen; außerdem berichtigen sie irrige Anschauungen Galileis. Da ich mir die Ausgabe auch in Händen von Schülern unserer höheren Schulen denke, wird man hoffentlich diese heutzutage nicht eben schwierige Kritik immerhin als erwünschte Zugabe betrachten.

      Der Übersetzung ist der Text der Editio princeps zu Grunde gelegt, wiewohl derselbe durch viele Druckfehler entstellt ist. Manche derselben schleppen sich durch alle italienischen Ausgaben hindurch; in solchen Fällen habe ich wohl in den Anmerkungen auf die Unrichtigkeit der Lesart aufmerksam gemacht; eine eigentliche Textkritik jedoch einer Übersetzung beizufügen, erschien mir überflüssig und unzweckmäßig.

      Es erübrigt mir die überaus angenehme Pflicht, allen denen aufs Wärmste zu danken, die mich bei der Lösung meiner Aufgabe unterstützt haben, insbesondere dem eben genannten HerrnA n t .F a v a r o ,sowie Herrn Dr.E m i lW o h lw i l lin Hamburg, die beide in liebenswürdiger Weise jeder an sie gerichteten Bitte entsprachen, ohne die damit verknüpfte, bisweilen recht erhebliche Mühe zu scheuen. In den Anmerkungen sind die Notizen, die ich diesen Herren verdanke, als von ihnen herrührend kenntlich gemacht; der fördernde Einfluss aber, den ich durch ihre Schriften sowohl wie durch briefliche Mitteilungen erfahren habe, erstreckt sich viel weiter, als danach scheinen könnte. – Desgleichen sage ich wärmsten Dank der Verwaltung der Biblioteca Nazionale zu Florenz, die mir durch gütige Vermittlung der Königl. preußischen Unterrichtsverwaltung zugänglich gemacht wurde, sowie den Verwaltungen der Königl. Bibliothek zu Berlin, der Bibliotheken zu München, Darmstadt, der Stadtbibliothek und der Freiherrl. Karl v. Rothschildschen Bibliothek zu Frankfurt a/M., desgleichen dem Inhaber der Firma Joseph Baer & Co. daselbst, der mir aus seinem reichen Antiquariate mit größter Uneigennützigkeit das für meine Zwecke Erforderliche zur Verfügung stellte. – Für das bereitwillige Entgegenkommen des Herrn Verlegers gegenüber meinen Wünschen in Bezug auf Ausstattung bin ich

Скачать книгу