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Ich dachte deine Ausbildung ist erst im nächsten Jahr beendet?“

      „Das stimmt ja auch“, bestätigte Oscar. „Aber mein Vater ist krank und ich darf als Aushilfe seine Tour übernehmen.“

      „Das ist ja toll. Dein Vater wird ganz stolz auf dich sein!“, rief Hansi und klopfte dem Jüngeren anerkennend auf die Schulter. „Was hast du denn für eine Route? Zeig doch mal deinen Tourplan“, sagte er zu Oscar. Auf dem Plan waren, wie jedes Jahr, die Häuser der Menschen und ihre Namen eingezeichnet, die beliefert werden sollten.

      „Oh je, du musst zu Familie Hempel in die Oststraße!“, rief Hansi erschrocken nach einem kurzen Blick auf den Plan.

      „Was ... was ist denn da so Schlimmes?“ Oscar war kein Angsthase, aber der Ausruf seines Freundes hatte ihn schon erschreckt.

      „Die haben einen großen Hund, der auf ihrem Grundstück frei herumläuft. Mein Onkel hat mir mal erzählt, dass er diese Tour hatte und sich bei der Flucht vor dem Hund verletzt hat“, erklärte Hansi. In diesem Moment erklang auch schon das Signal zum Aufbruch. „Tut mir leid Oscar, aber wir müssen jetzt los. Ich wünsche dir viel Glück!“, rief der Freund und hoppelte davon.

      Alle anderen Osterhasen machten sich auch schon auf den Weg. Nur Oscar stand noch da und dachte mit Schrecken an den großen Hund von Hempels. Doch er wollte die Kinder nicht enttäuschen, die bald aufstehen und ihre Ostereier suchen würden. Also fasste er sich ein Herz und begann ebenfalls mit seiner Tour.

      Nach zwei Stunden Arbeit hatte er nur noch die Familie Hempel auf dem Plan. Bis jetzt war alles ganz gut gelaufen, aber die Aussicht auf die Begegnung mit einem Hund, machte Oscar nervös.

      Vorsichtig näherte er sich der Hecke, die das Haus umgab, und schlich sich in gebückter Haltung hindurch. Er legte ein Ei behutsam auf der Wiese ab und hoppelte auf eine andere Stelle zu, die ihm geeignet erschien, um erneut ein Osterei abzulegen.

      Da geschah es. Mit lautem Gebell sprang ein großer, schwarzer Hund um die Ecke, genau auf Oscar zu. Seine Zähne waren gefletscht und ekliger Sabber lief ihm aus dem Maul. So schnell er konnte, hüpfte Oscar mit großen Sprüngen in Richtung Hecke davon, um im letzten Moment die rettende Straße zu erreichen. Der Hund war glücklicherweise zu groß, um durch die Hecke zu passen und so stand er noch auf der anderen Seite und kläffte wild.

      Oscar war völlig außer Atem. Bei dem Sprung durch die Hecke hatte er sich außerdem noch an der Hinterpfote verletzt, die ihm jetzt höllisch wehtat.

      „Mir ist das Gleiche passiert wie dem Onkel von Hansi“, dachte Oscar verzweifelt. „Wie soll ich denn jetzt meinen ersten Auftrag erfolgreich beenden?“

      „Soll ich dir helfen?“, erklang plötzlich eine tiefe Stimme hinter ihm. Verblüfft drehte sich der junge Hase zu dem Sprecher der Stimme um. Vor ihm stand ein Mann und schaute ihn mitleidvoll an. Drei Dinge waren seltsam, bemerkte Oscar. Wie konnte sich ein Mensch, einem Hasen so weit nähern, ohne dass dieser ihn witterte? Warum konnte dieser Mensch die Hasensprache? Warum kam der Mann ihm so bekannt vor?

      Auf alle diese Fragen wusste er keine Antwort, aber der Mann machte einen sehr freundlichen Eindruck. „Kannst du mir denn helfen?“, fragte Oscar deshalb vertrauensvoll.

      „Natürlich kann ich das. Ich hab gerade Urlaub und helfe immer gerne!“, rief der Mann und lachte. Ohne irgendwelche Anzeichen von Angst machte er sich mit den letzten Eiern aus dem Korb auf den Weg durch das Eingangstor, aus sicherer Entfernung von Oscar beobachtet. Mit einer Seelenruhe verteilte der Mann die Eier, immer gefolgt von dem großen Hund, der sich freudig schwanzwedelnd von ihm streicheln ließ.

      „Vielen Dank“, sagte Oscar staunend zu dem seltsamen Mann, als dieser mit dem Verteilen der Eier fertig war.

      „Keine Ursache, hab ich doch gern gemacht für einen Kollegen!“ Dabei lachte er wieder, setzte sich eine rote Zipfelmütze auf den Kopf und ging zu einem Schlitten, der gezogen von Rentieren gerade auf der Straße gelandet war. „Es war mir eine Ehre die Aushilfe für dich zu sein, Oscar“, sagte er zum Abschied und flog in seinem Schlitten mit einem lauten „Ho, ho, ho!“ davon.

      Armin Niederhäuser ist 45 Jahre alt, glücklich verheiratet und wohnt mit seiner siebenköpfigen Familie und einem kleinen Hund im schönen Westerwald. Wenn es die Zeit erlaubt, liest und schreibt er gerne Geschichten.

      *

      Der Hase mit der Schnupfennase

      Auf einem kleinen Acker versteckt unter der Erde lag der Bau von Fridolin Hase. Eigentlich wohnen Hasen ja nur in einer Mulde. Doch Fridolin hatte diese Art des Wohnens noch nie gemocht. Er bevorzugte die Wohnweise seiner Verwandten, der Kaninchen. So konnten ihm weder Kälte noch Hitze etwas anhaben und er und sein Schaffen blieben unentdeckt.

      Fridolin Hase hatte sich gemütlich eingerichtet. Es gab eine kleine Schlafstube, eine winzige Küche und ein großes Arbeitszimmer. Dort standen an den Wänden hohe Regale und in der Mitte ein großer Tisch. Überall lagerten bunte Tiegel und alte Dosen mit dicken und dünnen Pinseln. In der hintersten Ecke schloss sich eine große Kühlkammer an. Sie war von oben bis unten gefüllt mit frischen Eiern vom nahe gelegenen Hühnerhof.

      Gerade stand Fridolin darin und griff nach einem der Eierkartons, da begann seine Nase schrecklich zu jucken und im gleichen Augenblick musste er heftig niesen. „Hatschiiii!“, schallte es durch den Bau und noch einmal: „Hatschiiiii!“ Fridolins ganzer Körper zuckte dabei. Die Eier kullerten aus dem Karton und fielen auf den Boden. „Ach, auch das noch!“, schimpfte er, eilte hinaus und machte sich auf die Suche nach dem Putzzeug.

      Eine Stunde später hatte Fridolin Hase schon eine ganz rote Nase vom ständigen Schnäuzen und immer wieder erbebte der Hasenbau unter seinem Niesen.

      Plötzlich stand Frau Spitzmaus mit einem besorgten Gesicht in der Tür. „Du bist aber schrecklich erkältet, mein Lieber!“ Sie schaute ihn kopfschüttelnd an. „Ich mache dir jetzt erst einmal einen heißen Tee. Und dann legst du dich sofort wieder ins Bett.“

      „Aber das geht doch nicht!“, protestierte Fridolin. „Übermorgen ist Ostern. Die Kühlkammer ist voller Eier, die ich noch hübsch anmalen muss. Ich habe keine Zeit, mich krank ins Bett zu legen!“

      Frau Spitzmaus warf einen prüfenden Blick auf den Arbeitstisch. Dort lagen einige Eier, an denen der Hase wohl bis eben gemalt hatte. Die Farben waren ineinander gelaufen und die Muster ungleichmäßig. „Die Eier kannst du sowieso nicht in die Nester legen. Da ist dein Ruf für die nächsten hundert Jahre verdorben!“, meinte sie ehrlich.

      Fridolin schaute betreten. „Ist es ... Hatschiiiiii ... so schlimm?“

      „Schlimmer! Und jetzt leg dich endlich hin. Der Tee ist gleich fertig.“ Frau Spitzmaus setzte den Wasserkessel auf den Herd und wenig später hielt der Hase eine Tasse mit dampfendem Kräutertee in der Hand.

      „Der riecht aber komisch …“, murmelte Fridolin. Aber tapfer trank er Schluck um Schluck und schlief kurz darauf ein.

      Als sein Schnarchen gleichmäßig durch den Bau zog, nickte Frau Spitzmaus zufrieden. Eilig huschte sie hinaus und kam wenig später mit ihren drei Kindern und deren Freunden zurück. „Dass ihr mir ja leise seid!“, mahnte sie am Eingang des Hasenbaus noch einmal. „Der Osterhase ist sehr krank und nur, wenn er sich jetzt gut ausruht, kann er am Sonntag seine Arbeit machen.“

      „Aber klar doch!“, antwortete der Wühlmausjunge. „Ist echt cool! Ich mal mir heute meine eigenen Ostereier …“ Er stieß die kleine Feldmaus neben sich an.

      „Aua!“, quietschte diese erschrocken und Frau Spitzmaus sah die beiden böse an. „Was habe ich euch eben gesagt?“

      Die Mäusekinder senkten ihre Köpfe. „Leise sein …“

      Als Fridolin nach zwei Stunden erwachte, traute er seinen Augen kaum. In seinem Arbeitszimmer drängten sich ganz viele Mäuse und malten die Eier bunt. Ein munteres Flüstern erfüllte

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