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Er muss zurück! Schließlich muss er erst ein Osterhase werden! Mit richtiger Lizenz! Unbedingt! Und dann ins Menschenland reisen! Mit einem Osternest, so wie es sich gehört! Warum ausgerechnet auf einen Bauernhof? Da landen die Hasen erst im Stall und dann auf dem Teller. Das hat Nummer 1 erzählt. Bei diesem Gedanken schüttelt es ihn kräftig. Er ist einsam. Und allein. Und weil das so schrecklich traurig ist, fängt 9379 richtig doll zu weinen an.

      „He! Was heulst du denn so rum?“

      9379 erschrickt, als er die fette Katze vor sich sieht. Essen Katzen Hasen? Ja! Das hat Nummer 1 gesagt und der weiß schließlich alles. „Ich ergebe mich. Ich mache alles, was du willst, nur bitte, bitte, friss mich nicht!“ 9379 streckt alle viere von sich und zieht sein langes Ohr über seine Knopfaugen.

      „Entschuldige, so lecker bist du nun auch wieder nicht!“

      9379 funkelt die Katze bitterböse an. „Weil ich nicht der Norm entspreche?“

      Verdutzt blickt in die Katze an. „Muss ich das verstehen? Ich esse halt einfach keine Hasen.“

      „Achso! Hmm, das wusste ich natürlich.“

      Beruhigt beginnt 9379 mit der Katze zu quatschen. Sie erzählt vom Leben auf dem Bauernhof, von den anderen Tieren und, dass sie es sehr gut haben. Kinder gibt es insgesamt zwölf. Jedes besitzt einen Hasen, nur das zwölfte Kind, ein Junge, Anton heißt er, hat keinen Hasen bekommen. „Deswegen bin ich hier! Ich soll für Anton der Hase sein!“ Bei diesem Gedanken wird 9379 ganz warm ums Herz. Kinder sind so unendlich lieb zu ihren Haustieren. Anton wird sich freuen, dass er 9379 hat und ihn gut behandeln.

      Die Katze zeigt 9379 Anton. Er sieht nicht glücklich aus. Und deshalb hoppelt 9379 auf ihn zu und will ihn trösten. Doch Anton sieht ihn nicht. 9379 spricht zu ihm, pustet ihn an, aber Anton reagiert nicht.

      Da fällt es 9379 ein: Er ist ja unsichtbar. Nummer 1 hat einmal erzählt, dass Osterhasen aus dem Osterhasenland im Menschenland unsichtbar sind. Nur durch einen Zauber können sie sichtbar werden.

      Obwohl alles so aussichtslos scheint, weicht 9379 Anton nicht mehr von der Seite und folgt ihm in sein Kinderzimmer. Wie kann er Anton auf sich aufmerksam machen? Aus Versehen hoppelt 9379 auf ein Stofftier, das entsetzlich quiekt. Anton dreht sich um.

      9379 hüpft und jubelt. Das ist es! So macht er auf sich aufmerksam! Ist doch alles ein Kinderspiel! Gerade als er noch einmal auf das Stofftier hüpfen will, hebt Anton es vom Boden auf und setzt sich aufs Bett. Zu seinen Füßen liegt ein Buch. Er nimmt es und blättert darin. „Wie gerne hätte ich einen eigenen Hasen!“

      „Du kannst mich haben!“, schreit 9379.

      „So müsste er aussehen! Ein ganz weißes Fell soll er haben und niedliche Öhrchen! So, wie der in meinem Buch!“ 9379 schluckt. Anton will einen Normhasen!

      Traurig lässt Anton sein Buch fallen. „Aber ich werde keinen bekommen. Mama will keinen mehr. Das ist so unfair! Wäre ich als Erstes geboren, hätte ich jetzt einen Hasen. Aber so!“

      9379 hoppelt zu ihm und stupst Antons Füße. Anton zieht seinen Fuß weg! Er muss etwas gespürt haben!

      Anton schließt die Augen. „Ich wünsche mir einen Hasen!“ Er öffnet die Augen. „Schade.“ Er schließt erneut die Augen, sagt seinen Spruch. Nichts passiert. Erst als er es zum zwölften Mal versucht, scheint es zu klappen, denn er starrt 9379 fassungslos an. „Wahnsinn! Träume ich?“ Anton kneift sich, schreit auf, weil es wohl zu doll war. „Gehörst du mir? Nur mir?“

      9379 stupst ihn mit seiner feuchten Nase an.

      „Du siehst viel besser aus, als der Hase in meinem Buch! Ich bin so glücklich, dass du da bist! Du darfst nie weggehen, äh, ja, wie nenn ich dich?“ Anton überlegt. „Ich nenne dich Edward.“

      Verblüfft guckt ihn 9379 an. Wie kann das sein? Nur die Fee, seine einzige Freundin, nennt ihn Edward. Und jetzt auch Anton! Das kann nur bedeuten, dass Anton sein Freund ist und er bei Anton bleiben darf.

      Edward ist so glücklich, wie nie zuvor. Er hat einen Freund gefunden, der ihn so mag, wie er ist. Und der ihn braucht! Das muss der Sinn des Lebens sein!

      Lina Ebhard wurde am 1979 in Bayern, in der Nähe vom Chiemsee geboren und wohnt mit ihrem Mann in München. Ihr erster Roman „Gustav und das Terror-Trio“ und ihr Adventskalenderbuch „Wenn es Zimtsterne schneit ...“ erscheinen 2010 im Papierfresserchens MTM-Verlag. Außerdem wurden einige ihrer Kurzgeschichten in verschiedenen Anthologien veröffentlicht.

      *

      Vergiftete Schokoladeneier zu Ostern

      „Siehst du ihn?“ Felian versucht, so leise wie möglich zu sprechen. Jeder Ton könnte im Lüftungsschacht widerhallen und sie würden entdeckt.

      „Dort drüben ist Charly. Er ist an diese Maschine angebunden“, flüstert Juliet. Ihr achtjähriger Klassenkamerad muss schmunzeln. Juliet bekam vor wenigen Tagen eine herausnehmbare Zahnspange und kommt noch nicht ganz zurecht damit.

      „Warum grinst du, Felian?“

      „Ich liebe es, wie du das S lispelst.“

      Juliet kichert. „Du liebst doch alles, was ich tue.“

      Gerade will Felian etwas antworten, als sich der Chemiker verdächtig nähert. Noch hat er die beiden nicht entdeckt.

      „Ist das dieser Darian Lehmhart, von dem du mir erzählt hast?“

      „Das ist er, Juliet. Ich erkenne ihn an seiner dunklen Stimme, seinem dicken Bauch und dem ungepflegten Vollbart. Und der andere, den du an der Maschine siehst, ist sein Kollege. Darius nennt ihn immer Wolf. Wahrscheinlich für Wolfgang, keine Ahnung.“

      „Und die beiden Schurken hast du ganz alleine belauscht?“

      Felian nickt. „Manchmal ist es doch gut, die Regeln zu brechen, um Gutes zu tun.“

      „Aber nur dann“, murmelt Juliet. „Du weißt, du darfst eigentlich gar nicht auf dieses Gelände. Die Fabrik ist baufällig. Stand sogar in der Zeitung.“

      „Ja, Mama“, antwortet Felian schnippisch. „Jetzt aber zum Plan. Wolf verlässt immer pünktlich um 20.00 Uhr die Fabrik.“ Er blickt auf seine Armbanduhr. „Es ist fünf vor acht. Wenn Wolf weg ist, befreien wir Charly.“

      „Du hast mir noch nicht verraten, warum diese Ganoven Charly entführt haben.“

      Felian blickt noch einmal auf die Uhr. „Kurzfassung: Charly ist der gehorsamste Hund in dieser Stadt. Vielleicht sogar weltweit. Als ich gesehen habe, wie er entführt wurde, bin ich mit dem Fahrrad hinterhergedüst und habe die beiden belauscht. Darius will Charly irgendwie das Gehorsamkeitsgen herausoperieren.“

      „Und das will er dann in die Schokolade schmuggeln, mit der er Schokoladen-Ostereier herstellen will?“

      „So ist es, Juliet. Jede Minute zählt.“

      „Du hättest die Polizei rufen sollen, Felian.“

      „Damit die mich auslachen? Nee, danke. Erwachsene glauben nur das, was sie sehen und selbst daran zweifeln sie noch. Es ist acht Uhr“, sagt Felian nach einem weiteren Blick auf seine Armbanduhr. Er drückt das Gitter des Luftschachts vorsichtig weg, das er bereits am Vortag aufgeschraubt hat. Dann dreht er es behutsam um und legt es neben sich. „Komm da ja nicht ran, Juliet. Wir müssen leise sein.“

      Juliet nickt. „Schaffst du das mit deinem Bein?“

      „Klar. Tut doch nicht mehr weh.“

      Darius folgt Wolf, um die Tür hinter ihm abzuschließen. Dabei ist die Fabrik löcheriger als jeder Käse. Felian steigt als Erster aus dem Luftschacht. Ein kleiner Sprung und er ist unten. Dann hilft er Juliet. Gemeinsam schleichen sie zu dieser Maschine, an der viele Knöpfe bunt blinken und ein Hebel am anderen angebracht ist.

      Charly

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