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Zarenblut - Ein Fall für Julia Wagner: Band 4. Tanja Noy
Читать онлайн.Название Zarenblut - Ein Fall für Julia Wagner: Band 4
Год выпуска 0
isbn 9788726643091
Автор произведения Tanja Noy
Жанр Языкознание
Серия Ein Fall für Julia Wagner
Издательство Bookwire
Gleich darauf blieben sie vor der schäbigen Eingangstür des Hauses stehen. Der Professor schloss auf und sah sie an. „Herzlich willkommen in unserem vorläufigen Zufluchtsort.“
Kurz darauf stieß er eine Wohnungstür auf und sagte: „Treten Sie ein.“
Widerwillig betrat Susanne die Wohnung und blieb einen Moment stehen, um sich blinzelnd umzusehen. Hier herrschte ein Chaos, wie sie es noch nie zuvor gesehen hatte. Im Vergleich dazu war ihre eigene Wohnung, als sie noch eine gehabt hatte, ordentlich aufgeräumt gewesen. Die Möbel waren unter den Unmengen an Dingen, mit denen sie überhäuft waren, kaum noch auszumachen. Ein kleiner Fernseher drohte jeden Augenblick von einem Stapel Bücher herunterzupurzeln. Die Regale an der Wand quollen über vor Büchern, die sich unter einer dicken Staubschicht aneinanderdrängten. Eine Wand war von der Decke bis zum Boden mit Papierbogen bepflastert, auf denen dicht an dicht Spalten mit Zahlen standen. Tausende von Zahlen. Einige rot durchgestrichen, andere wiederum mit Blau oder Grün geschrieben.
„Wollen Sie sich setzen?“, fragte der Professor, der hinter ihr eingetreten war.
„Wohin?“, stellte Susanne die Gegenfrage und deutete auf den Krimskrams, der überall herumstand: Fotos, Statuen, Kugelschreiber, Tassen und ein ganzer Haufen Zeug, der auf den ersten Blick nicht zu identifizieren war. Überall lagerten Dinge über anderen Dingen, sodass es ein Wunder war, dass nichts umfiel.
„Oh, natürlich. Warten Sie, ich hole Ihnen einen Stuhl aus der Küche. Und etwas zu trinken.“
Bevor Susanne dazu kam, dankend abzulehnen, war er schon verschwunden.
Kurz darauf kam er mit einem Holzstuhl zurück, den er neben sie hinstellte. Dann verschwand er noch einmal und brachte ein Glas Wasser. Er riss ein Päckchen auf und schüttete ein Pulver hinein, ehe er es ihr reichte.
Skeptisch betrachtete Susanne das Glas. „Sie versuchen doch nicht etwa, mich zu vergiften, oder?“
„Das ist nur Aspirin. Wenn Sie wollen, koste ich davon, ehe Sie es trinken.“
„Nein, schon gut.“ Sie nahm das Glas und stürzte den Inhalt hinunter.
Inzwischen schaffte der Professor ein wenig Platz auf einem Sessel, auf den er sich erschöpft sinken ließ, zog einen Flachmann aus seiner Hosentasche, schraubte ihn auf und trank einen großen Schluck. „Nun ja“, sagte er dann. „Ich schätze, es ist offensichtlich, dass mein Freund nicht sonderlich gut im Aufräumen ist.“
Susanne blickte überrascht. „Das ist gar nicht Ihre Wohnung?“
„Nein. Sie gehört einem guten Freund von mir. Er ist Mathematiker und glücklicherweise gerade im Urlaub. In der Karibik, mit seiner neuen Freundin. Na ja, vermutlich wäre im Augenblick jeder Ort schöner als dieser hier.“ Der Professor nahm noch einen weiteren Schluck aus dem Flachmann. „Aber ich würde mich gerade nur sehr ungern in meiner eigenen Wohnung aufhalten wollen.“ Er streckte die Beine von sich, wobei sich sein Bauch rundlich über den Gürtel seiner Hose schob. „Und jetzt sagen Sie mir: Warum waren Sie im Haus der Anwältin?“
Susanne, deren Knie noch immer zitterten, ließ sich auf den Stuhl sinken, den er ihr gebracht hatte. „Ich wollte mit ihr reden.“
„Worüber?“
„Das ist eine lange Geschichte.“
„Ich schätze, wir haben Zeit. Also fangen Sie am besten ganz vorne an.“
Susanne seufzte leise. Dann holte sie tief Luft und erzählte dem Professor ihre Geschichte. Die Geschichte der letzten fünf Monate.
Als sie geendet hatte, starrte er sie entgeistert an. „Sie sind auf der Flucht vor der Polizei?“
„Ja. Aber ich habe eigentlich nichts getan. Nicht wirklich. Ich wurde in eine Falle gelockt.“
„Sie sind aus einer geschlossenen Psychiatrie … geflüchtet.“
„Ja, das stimmt. Ich bin geflohen. Aber ich sah keine andere Möglichkeit.“
„Sie sind tatsächlich auf der Flucht.“
„Sie haben es jetzt oft genug wiederholt“, bemerkte Susanne gereizt. „Worum es im Augenblick geht, ist ja wohl, dass die Anwältin mich in der Psychiatrie besucht und auf eine Mitpatientin gehetzt hat.“
„Wie war der Name dieser Mitpatientin?“
„Julia Wagner. Ich sollte sie … aushorchen.“
„Warum sollten Sie das tun?“
„Keine Ahnung.“ Susanne hob die Schultern in die Höhe. „Das hat sie mir leider nicht gesagt. Sie sagte nur, ich könne meine Freiheit wiederbekommen, wenn ich Julia ausspioniere.“
„Haben Sie noch Kontakt zu dieser Julia?“
„Nein. Ich habe sie seit meiner Flucht nicht mehr gesehen.“
Der Professor schwieg nachdenklich.
„Was hatten Sie eigentlich beim Haus der Anwältin zu suchen?“, wollte Susanne wissen.
Er sah sie an. „Oh, ich sollte eine Enthüllungsstory schreiben. Sie hat sich vor zwei Tagen bei mir gemeldet und meinte, sie würde mir etwas anbieten, was meine … nennen wir es: ins Stocken geratene … Journalistenkarriere wieder zum Laufen bringen würde.“
„Und haben Sie sich getroffen?“
„Oh ja.“
Der Professor sah auf, als die Frau an den Tisch trat. Eine beeindruckende Gestalt, schlank, gut aussehend, mit einem schwarzen Rock und einer roten Bluse. „Herr Dickfeld?“, fragte sie.
Er nickte, und Britta Stark nahm ihm gegenüber Platz. „Danke, dass Sie sich mit mir treffen.“
„Sehr gerne. Ich fürchte nur, dass das hier“, er deutete um sich, „mein Budget sprengen wird. In dieser Art Restaurants verkehre ich normalerweise nicht.“
„Machen Sie sich darum keine Sorgen. Sie sind eingeladen.“
Ein Kellner trat an den Tisch, die Anwältin bestellte lediglich ein großes Wasser, der Professor entschied sich für einen teuren Cognac.
„Sie dürfen auch gerne etwas essen“, sagte Britta Stark. „Das wäre sicher leberschonender.“
„Danke, ich bin zufrieden.“
Nachdem der Kellner die Getränke gebracht hatte und wieder verschwunden war, gönnte der Professor sich einen großen, wunderbaren Schluck Cognac. Dann noch einen – und gleich darauf war das Glas leer.
Britta Stark musterte ihn über den Tisch hinweg. „Sie hätten ihn mehr genießen sollen. Er kostet ein Vermögen.“
„Worum geht es?“, wollte er wissen.
Die Anwältin beugte sich etwas vor. „Wie ich bereits am Telefon sagte, habe ich eine Story für Sie. Eine, die Ihnen wieder zurück an die Spitze helfen wird.“ Ihr Blick streifte das leere Cognacglas. „Vorausgesetzt, Sie sind dafür nüchtern genug.“
„Das bin ich“, stellte der Professor fest. „Aber genau das bringt mich zu meiner dringlichsten Frage: Warum ausgerechnet ich? Ich meine, ich bin mir völlig im Klaren darüber, dass ich ein alternder Mann bin, der in der modernen, schnellen und knallharten Journalistenwelt eigentlich keine Chance mehr hat. Ich habe meinen Zenit längst überschritten, um es mal so auszudrücken.“
Britta Stark sah ihn herausfordernd an. „Wollen Sie hören, was ich Ihnen zu sagen habe, oder nicht?“
„Sicher will ich. Ich wollte es nur gesagt haben.“
„Gut.“ Sie trank einen kleinen Schluck von ihrem Wasser. Dann faltete sie die Hände wie zum Gebet, legte sie auf den Tisch, beugte sich noch weiter vor und sagte: „Haben Sie schon einmal etwas von den Kranichen gehört?“
Susanne fuhr in die Höhe. „Haben Sie gerade