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Zarenblut - Ein Fall für Julia Wagner: Band 4. Tanja Noy
Читать онлайн.Название Zarenblut - Ein Fall für Julia Wagner: Band 4
Год выпуска 0
isbn 9788726643091
Автор произведения Tanja Noy
Жанр Языкознание
Серия Ein Fall für Julia Wagner
Издательство Bookwire
Tanja Noy
Zarenblut - Ein Fall für Julia Wagner: Band 4
Für Katja.
Immer.
Saga
Zarenblut - Ein Fall für Julia Wagner: Band 4Coverbild/Illustration: Shutterstock Copyright © 2016, 2020 Tanja Noy und SAGA Egmont All rights reserved ISBN: 9788726643091
1. Ebook-Auflage, 2020
Format: EPUB 3.0
Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit Zustimmung von SAGA Egmont gestattet.
SAGA Egmont www.saga-books.com und Lindhardt og Ringhof www.lrforlag.dk
– a part of Egmont www.egmont.com
PROLOG
November 1989
Mainz
Als Max Laurus sich das letzte Mal von dem alten Mann verabschiedet hatte, hatte er keinen Moment daran gedacht, dass er nicht noch einmal dazu kommen könnte, mit ihm zu sprechen. Er zog die Schultern hoch und steckte die Hände in die Taschen seiner Jacke. Schon die ganze Zeit hatte er ein sonderbares Gefühl. So, als ob irgendetwas Ungutes bevorstand. Etwas wirklich Ungutes.
Der Wind schlug ihm kühl entgegen, während er auf das Haus zuging.
In der ersten Zeit ihrer Freundschaft war der alte Mann noch freundlich gewesen. Nicht besonders redselig, er hatte sich stets nur auf das Wesentliche beschränkt, aber er war immer nett gewesen. Ab und zu ein kurzes, aufmunterndes Lächeln, mehr nicht. Sie hatten sich auch ohne viele Worte verstanden.
Dann aber hatte der alte Mann plötzlich angefangen, sich zu verändern. Immer häufiger hatte er ungeduldig die Stimme erhoben, wenn Max seine Worte nicht sofort verstand. Vor allem in letzter Zeit. Er lebte immer mehr in seiner eigenen Welt, war immer öfter in Gedanken versunken. Aber er war nie gemein. Er wurde auch nie wirklich wütend. Und er war nicht nachtragend. Doch wenn eine Frage zu einem besonders ungünstigen Zeitpunkt gestellt wurde, dann bekam er diesen Ausdruck im Gesicht …
Max seufzte leise und hob den Kopf. Links und rechts des Weges war der Wald schwarz, nackte Bäume zeichneten sich vor dem dunklen Himmel ab und wogten im Wind. In der Ferne bellte ein Hund. Dann fiel ihm ein heller Lieferwagen auf, der ein paar Meter entfernt an der Straße parkte. Er blieb stehen und musterte das Auto genauer: Die Scheiben waren verspiegelt, das Nummernschild nicht zu erkennen. Und doch bildete er sich ein, den Wagen vor ein paar Tagen schon einmal gesehen zu haben. Er erinnerte sich nur nicht mehr daran, wo das gewesen war.
Vielleicht war es aber auch nur Einbildung. Max setzte sich wieder in Bewegung, und gleich darauf erreichte er das Haus des alten Mannes.
Auf dem Boden entdeckte er etwas Glänzendes. Er stutzte, hob es auf und stellte fest, dass es sich um ein Bonbonpapier handelte. Es roch süß, irgendwie außergewöhnlich.
Als Max sich wieder aufrichtete und zum Fenster sah, verschlug es ihm den Atem.
Max Laurus war zwar erst achtzehn Jahre alt, aber er hatte schon immer schlechte Augen gehabt. Jetzt schob er seine Brille auf der Nase etwas höher und starrte noch einmal durch das Fenster.
Er verstand nicht sogleich, was er da sah. Dann jedoch bohrte sich die Erkenntnis, das Verstehen wie eine glühende Nadel in sein Bewusstsein.
Max blinzelte, schluckte. Sein Herz begann zu rasen.
Durch das Fenster sah er, dass der alte Mann in der Mitte des Wohnzimmers auf einem Stuhl festgebunden war. Sein Gesicht war voller Blut und seine Miene von Schmerzen gezeichnet. Ein Auge war zugeschwollen. Sein Bauch hob und senkte sich mit jedem gequälten Atemzug.
Ihm gegenüber stand eine Gestalt, ein Mann, der aussah wie ein Geist. Die Haare waren schneeweiß, und seinem Gesicht fehlte jegliche Farbe. Es schien vollkommen blutleer zu sein. In der Hand hielt er ein Schwert mit einer glänzenden Klinge.
Max konnte die Worte nicht verstehen, glaubte aber, sie von den Lippen des merkwürdigen Mannes ablesen zu können.
„ Wo ist der Schlüssel?“
Mit dem gesunden Auge starrte der alte Mann auf ein Kreuz an der Wand und antwortete so etwas wie: „Ihr werdet ihn nicht finden.“
„ Weißt du, wer wir sind?“
Nicken.
„ Sag es.“
„ Ihr seid die Kraniche.“
„ Dann weißt du auch, dass du das hier nicht überleben wirst, nicht wahr?“
Wieder ein Nicken.
„ Dann mach es dir doch nicht noch schwerer. Sag, wo er ist, und es wird ganz schnell gehen. Ich verspreche es dir.“
Der alte Mann begann leise zu beten: „Vater unser, der du bist im Himmel …“
„ Meinetwegen. Du hast es so gewollt.“
Der Weißhaarige legte die Spitze des Schwertes an den Hals des alten Mannes, und dann, in einer einzigen fließenden Bewegung, wurde ihm der Kopf von der Kehle getrennt.
Ein, zwei, drei Sekunden lang war Max völlig gelähmt. Die Scheibe, durch die er starrte, verwandelte sich in eine Wolke aus einer Million kleiner Kristalle. Er schrie nicht, obwohl der Schrei ihm in der Kehle steckte. Aber er bewegte sich auch nicht. In diesem Moment war er davon überzeugt, dass er sich nie wieder würde bewegen können. Er war durchdrungen von Schock und Angst. Lediglich in seinem Gehirn arbeitete es. Ein regelrechter Sturm stob durch seinen Kopf.
Der alte Mann war tot.
Geköpft.
Geköpft!
In der nächsten Sekunde wandte der farblose Mann den Blick in Richtung Fenster, und Max schrak zusammen.
Sie sahen sich direkt in die Augen. Und jetzt, endlich, machte etwas in Max’ Kopf „klick“, und er begann zu laufen.
Er hatte soeben einen kurzen Einblick in die Hölle bekommen, und dieser Hölle, das wusste er, würde auch er nicht lebend entkommen. Sie würden auch ihn schon sehr bald in ihren Klauen haben.
Und deshalb rannte Max jetzt.
Und rannte und rannte.
Und drehte sich nicht mehr um.
Zwanzig Minuten später stand er zitternd in einer Telefonzelle, hielt den Telefonhörer an die Wange gepresst und wählte aus dem Gedächtnis eine lange Reihe von Zahlen. Während kurz darauf der Wählton in seinem Ohr dröhnte, glühten die Gedanken in seinem Kopf wie heiße Nadeln. Der Schmerz war fast unerträglich. Verzweifelt versuchte er, klar zu denken, aber er verspürte nichts als fürchterliche Angst.
Sie lassen niemanden davonkommen, dachte er. Sie sind nicht erfüllt von grenzenloser, göttlicher Liebe, im Gegenteil, sie sind die Teufel, von denen der alte Mann immer erzählt und vor denen er gewarnt hat.
Schweiß rann über Max’ Gesicht, tropfte von seiner Nasenspitze und ließ den Hörer in seiner Hand glitschig werden. Er blinzelte, während es am anderen Ende klingelte. Und noch einmal klingelte. Und zum dritten Mal. Und zum vierten Mal, bevor endlich abgenommen wurde.
„Was ist passiert?“
Es wurden keine Begrüßungsworte ausgetauscht. Es würden auch keine Namen fallen. So war es viele Male einstudiert worden.
„Er ist tot. Sie haben ihm mit einem Schwert den Kopf …“ Max brach ab, hatte das Gefühl, zu fallen. Ein endloser Fall, schwindelerregend und ohne Ende.
Am anderen Ende herrschte ein paar Sekunden lang Schweigen.