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ihn dort nicht lassen.“

      „Und wo fangen wir mit der Suche an?“

      „Bei seinem letzten Fall.“ Julia griff nach ihrer Jacke. „Das ist unser erster Ansatzpunkt.“

      Als Zander zu sich kam, blendete ihn helles Licht. Es fühlte sich an, als ob ein gleißender Scheinwerfer mitten auf sein Gesicht gerichtet war. Er versuchte, den Kopf zu drehen, aber es gelang ihm nicht. Sein Kopf, sein ganzer Körper, schien mit nichts gefüllt zu sein als mit Schwere. Er schaffte es nicht einmal, seine Hand zu heben.

      Immerhin, es war ihm noch möglich, zu blinzeln.

      Und zu denken.

      Was zum Teufel hatten sie ihm gegeben? Was hatten sie ihm in die Venen gejagt?

      Er stellte fest, dass er auf einer Matratze lag. Er war nicht gefesselt. Wozu auch? Er konnte sich ja nicht rühren. Noch einmal versuchte er, die rechte Hand anzuheben, und endlich gelang es ihm. Jedoch nicht sehr lange. Sie war einfach zu schwer.

      Der Raum, in dem er sich befand, war kalt, und sein Atem zeichnete Spuren in der feuchten Luft.

      Mühsam wandte Zander den Kopf, konzentrierte sich, sah sich um. Aber es gab nicht viel zu sehen. Bis auf die Matratze, auf der er lag, war der Raum vollkommen leer.

      Er fühlte sich sterbenselend. Er hätte nicht sagen können, wie lange sein Magen schon keine Nahrung mehr bekommen hatte. Viel schlimmer aber war, dass er die Hoffnung, dass Hilfe käme, auf gerade mal ein Prozent einschätzte. Fröstelnd starrte er an die Decke. Dann hörte er Schritte vor der Tür. Und Stimmen. Er wollte lauschen, was gesagt wurde, merkte aber, wie ihm der Kopf schon wieder schwer zur Seite sank.

      Erst als er von irgendwoher einen leichten Zug verspürte, wurde ihm klar, dass er einen kurzen Moment lang eingeschlafen sein musste. Inzwischen hatte jemand die Tür geöffnet. Eine Gestalt stand vor seiner Pritsche und blickte auf ihn hinab. Zu gerne hätte Zander gesehen, wie die Gestalt aussah, aber sein Blick war zu verschwommen.

      „Nicken Sie, wenn Sie mich verstehen können“, hörte er eine Stimme.

      Er nickte schwerfällig.

      „Wenn wir Sie hätten umbringen wollen, dann wären Sie schon tot. Das wissen Sie, nicht wahr?“

      Erneut nickte Zander. Es kostete ihn unglaublich viel Kraft.

      „Wir haben allerdings etwas anderes …“

      Die verschwommene Gestalt redete weiter, aber die Wörter verschmolzen miteinander, und als sie Zanders Ohren erreichten, hatten sie ihre Bedeutung bereits verloren.

      Dann registrierte er, dass er wieder alleine war. Die Gestalt war gegangen. Wann? Er hatte es nicht mitgekriegt.

      Er war wieder alleine. Und jetzt, zum ersten Mal in seinem Leben, empfand Zander tiefe Angst. Ein Prozent Hoffnung. Und dieses eine Prozent hatte einen Namen.

      Bitte, Julia, flehte er im Stillen, beeil dich.

      19:07 Uhr

      „Hallo, Julia“, sagte Nikolas Augustin in der Tür. „Lange nicht mehr gesehen.“ Zwar sah er immer noch gut aus, aber es ging ihm nicht gut, das war ihm deutlich anzusehen. Er wirkte übermüdet, sein kurzes dunkles Haar war zerzaust, sein Hemd zerknittert. Er hatte immer etwas von einem männlichen Unterwäschemodel gehabt, davon war jetzt nicht viel zu sehen. Sein Blick schweifte zu Eva. „Ist das deine Freundin?“

      „Ja“, sagte Julia.

      Er reichte Eva die Hand. „Nikolas. Julia und ich waren bei der Kripo hier in Mainz in einem Team. Also, Zander, sie und ich.“ Er ließ die Hand wieder los und trat zur Seite. „Kommt rein.“

      Sie betraten eine kleine, aber gemütliche Küche und setzten sich an einen Holztisch.

      „Du warst im Schwarzwald“, sagte Augustin zu Julia.

      Erstaunt sah sie ihn an. „Woher weißt du das?“

      „Zander gab mir die Anweisung, dein Handy orten zu lassen.“

      „Wirklich? Wann?“

      „Vor zwei Tagen.“

      „Warum?“

      „Weil er sich Sorgen um dich gemacht hat.“ Augustin lehnte sich etwas zurück. „Daher wussten wir, wo du bist. Wir wussten nur nicht, warum du dort warst. Verrätst du es mir?“

      Julia schüttelte den Kopf. „Je weniger du weißt, desto besser.“

      Einen Moment lang sahen sie einander in die Augen, dann fügte sie hinzu: „Und jetzt sag mir bitte, was hier in Mainz geschehen ist. Zander ist spurlos verschwunden, das weiß ich, mehr aber auch nicht. Was habt ihr inzwischen herausgefunden? Was sagen seine Nachbarn? Hat irgendjemand etwas gesehen?“

      „Autos“, antwortete Augustin. „Zwei Personen haben einen roten Wagen in Richtung Autobahn fahren sehen. Eine andere Person sah ein Taxi in dieselbe Richtung fahren. Was allerdings nicht weiter verwunderlich ist, immerhin befindet sich Zanders Wohnung nicht weit von der Autobahnauffahrt entfernt.“

      „Sonst nichts?“

      „Nein. Alle Proben aus seiner Wohnung sind schon im Labor, und die Handyortung hat leider nichts ergeben. Kein gewaltsames Eindringen in seine Wohnung. Er scheint seinen Entführer ins Haus gelassen zu haben.“

      „Oder dieser hat sich geschickt Zutritt verschafft.“

      „Oder das.“

      Julia schwieg einen Moment, dann sagte sie: „Woran habt ihr zuletzt gearbeitet?“

      „Du weißt, dass ich dir darüber keine Auskunft geben darf. Was ich dir bis jetzt gesagt habe, ist schon viel zu viel. Du bist nicht mehr bei der Polizei, Julia, und somit überhaupt nicht befugt. Und ich bin es genauso wenig.“

      „Ich werde euch nicht in die Quere kommen, Nikolas, aber du weißt selbst, dass ihr jede Hilfe gebrauchen könnt. Und Ermitteln ist nun mal das, was ich am besten kann.“

      „Wir können auch ermitteln, denn das ist unser Job.“

      „Entschuldigung, könnte ich vielleicht eine Tasse Tee haben?“, schaltete Eva sich ein.

      „Natürlich. Tut mir leid.“ Augustin stand auf und goss heißes Wasser in eine Tasse. „Du auch, Julia?“

      „Nein, danke.“

      Er hängte einen Teebeutel in die Tasse und reichte sie an Eva weiter. Dann setzte er sich wieder an den Tisch und sah Julia an. „Ich kann das wirklich nicht machen.“

      „Ich kann es mir doch wenigstens anhören“, sagte sie. „Das kann ja wohl nicht schaden.“

      Daraufhin setzte Schweigen ein.

      Julia wartete darauf, dass Augustin etwas sagte, und als zu lange nichts von ihm kam, erklärte sie eindringlich: „Wir dürfen jetzt keinen Fehler machen, keiner von uns.“

      Er sagte immer noch nichts, und sie wartete wieder ab. Als ob sie vollkommen ruhig wäre, was nicht der Fall war. Sie wusste, dass die Chancen, etwas herauszufinden, was niemand vor ihr entdeckt hatte, gering waren, aber sie wollte es dennoch versuchen.

      Schließlich sagte Augustin: „Okay. Was willst du wissen?“

      „Alles.“

      Noch einmal vergingen Sekunden. Dann erhob er sich, verließ die Küche und kam wenig später mit einem Stapel Papieren zurück. Er legte sie auf den Tisch und schob sie ihr zu. „Das ist der Fall, an dem wir gearbeitet haben, als Zander verschwand.“

      Julia griff nach den Papieren und sah sie durch. Es waren Kopien der gesammelten Informationen und Dokumente, bis hin zu den Ergebnissen der Spurensicherung und den Protokollen der Verhöre. „Ich hab es mit nach Hause genommen, weil ich dachte … ja, weil ich dachte, vielleicht finde ich ja doch noch einen Hinweis, den wir bisher übersehen haben.“

      „Fass es für mich zusammen“,

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