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Zarenblut - Ein Fall für Julia Wagner: Band 4. Tanja Noy
Читать онлайн.Название Zarenblut - Ein Fall für Julia Wagner: Band 4
Год выпуска 0
isbn 9788726643091
Автор произведения Tanja Noy
Жанр Языкознание
Серия Ein Fall für Julia Wagner
Издательство Bookwire
„Dann sollte man doch meinen, dass es ein Leichtes wäre, ihn zu finden, oder nicht?“, wandte Eva sich an ihn.
„Ja, sollte man. Aber so einfach ist es leider nicht.“ Augustin atmete tief durch. „Wir gehen davon aus, dass der Mann ein Berufskiller ist. Er hat gute Kontakte, bei denen er unterschlüpfen kann. Und er ist nie lange an einem Ort.“
In Julias Kopf drehte sich immer noch alles. Sie riss sich zusammen und hob den Blick. „Sten Kjaer. Der Name klingt skandinavisch, oder?“
„Er ist Norweger. Bevor Zander verschwand, hat er sich mit einem Kommissar in Bergen in Verbindung gesetzt. Der Mann ist inzwischen in Rente, hat sich allerdings in den letzten Jahren sehr intensiv mit Kjaer beschäftigt. Er erzählte, dass der Mann auf der schwarzen Liste der norwegischen Polizei steht, also sozusagen zu deren most wantedpeople gehört. Die sind dort seit geschlagenen fünfzehn Jahren hinter ihm her, da ist er zum ersten Mal bei ihnen auf dem Radar aufgetaucht. Im Laufe dieser Zeit ist es ihm gelungen, vier Polizisten zu liquidieren. Das heißt, für die ist Kjaer längst zu einer persönlichen Angelegenheit geworden. Es wurde sogar eine Sondereinheit gegründet. Die haben sieben Tage die Woche rund um die Uhr damit verbracht, den Mann zu kriegen. Und es trotzdem nicht geschafft.“
„Und jetzt ist er in Deutschland“, sagte Julia.
„So sieht es aus, ja. Die Art der Morde würde auf jeden Fall zu ihm passen. Genickbruch. Es ist anzunehmen, dass er auch anders tötet, aber diese Art scheint er besonders gut zu beherrschen.“
Julia wollte etwas sagen, doch Augustin war noch nicht am Ende. „Allerdings ist Kjaer kein Entführer und auch kein Vergewaltiger, das sollte man nicht durcheinanderbringen. Er ist … einfach nur ein Killer.“
Was immer Julia eben noch hatte sagen wollen, sie sagte es nicht. Stattdessen blickte sie wieder auf das Phantombild. Sie war sich sicher, noch nie einem Menschen wie Sten Kjaer begegnet zu sein. Das waren wohl die wenigsten Menschen. Und die wenigsten von denen, die ihm tatsächlich begegnet waren, hatten es überlebt.
„Okay“, sagte sie nach ein paar Sekunden. „Fassen wir das mal zusammen: Zwei Männer entführen mehrere Frauen und sperren sie in einen Keller, wo sie von fremden Männern, die dafür bezahlen, vergewaltigt und gefoltert werden. Einer der Frauen gelingt die Flucht, und kurz darauf sind die beiden Entführer tot. Umgebracht von einem Mörder, der mit den Entführungen und Vergewaltigungen selbst nichts zu tun hatte. Er ist nur unterwegs zum Töten.“
„Ja.“
„Das heißt, dass er einen Auftrag hatte.“
„Ja.“
„Was wiederum heißt, es gab einen Auftraggeber.“ Julia deutete auf den dunklen Bildschirm. „Es bedarf einer Organisation, um solch ein ekelhaftes Geschäftsmodell ins Leben zu rufen. Leute, die die Fäden ziehen und hinter den Kulissen abkassieren.“
Augustin nickte. „Wir haben es ganz sicher mit einer Organisation zu tun, und ich kann dir sagen, es ist verdammt schwer, an die heranzukommen, weil die in einem System arbeiten, bei dem das Wissen aus tausend Quellen in eine Richtung fließt – und zwar durch ein Nervensystem, das immer dünner wird, je näher es der Spitze kommt. Wer gefährlich wird, der wird ausgelöscht, ganz einfach. So verhindern sie Infektionen, Störungen im System. Anders ist nicht zu erklären, warum wir bisher nichts, aber auch wirklich gar nichts von ihnen gewusst haben.“
„Aber jetzt wisst ihr von ihnen. Und wisst ihr auch, um welche Organisation es sich dabei handelt?“ Julia kannte die Antwort, noch bevor Augustin sie aussprach: „Sie nennen sich offenbar die Kraniche.“
Und so fügten sich die Dinge eins nach dem anderen zusammen. Eric Cirpka, Sten Kjaer, die Kraniche. Ein Puzzle, das Stück für Stück mehr ein Bild ergab und doch immer noch zu viele Lücken enthielt.
Julia atmete tief durch. „Wie seid ihr auf diese Organisation gekommen?“
„Genau genommen war es reiner Zufall“, sagte Augustin. „Während unserer Ermittlungen tauchte ein Mann auf dem Präsidium auf, sein Name war Edi Kern. Er behauptete steif und fest, er hätte Dexter und Bartholomäus umgebracht, und wollte unbedingt verhaftet werden. Zander und unser Kollege Dettloff haben die Vernehmung geführt. Es war allen von vornherein klar, dass Edi Kern kein Mörder war, aber hatte furchtbare Angst. Er war auf der Flucht. Vor den Kranichen. Behauptete er.“
„Gibt es ein Protokoll von dem Verhör?“, wollte Julia wissen.
Augustin nickte, suchte in den Papieren und schob es schließlich zu ihr hin.
Sie rieb sich über die Augen und las …
Edi Kern: „Ich war es. Ich hab die beiden Typen umgebracht. Und jetzt will ich verhaftet werden.“
Zander: „Warum haben Sie Bartholomäus und Dexter umgebracht?“
Edi Kern: „Ich wollte es ja gar nicht. Ich kannte sie ja überhaupt nicht.“
Zander: „Warum haben Sie es dann getan?“
Edi Kern: „Die Stimmen haben es mir befohlen.“
Zander: „Was für Stimmen?“
Edi Kern: „Stimmen eben. In meinem Kopf. Und jetzt will ich, dass Sie mich einsperren. Werden Sie das tun?“
Zander: „Sie mögen ja vielleicht andere Talente haben, Edi, aber es wäre wirklich verrückt, zu glauben, Sie könnten diese beiden Morde begangen haben. Erzählen Sie uns eine andere Geschichte, möglichst eine wahre, oder wir beenden die Vernehmung an dieser Stelle.“
Edi Kern: „Ich war es aber. Ihr habt mein astreines Geständnis, Leute.“
Noch einmal rieb Julia sich über die Augen und las dann weiter …
Edi Kern: „Jetzt passt mal auf! Ich brauch einen Platz, wo ich sicher bin, okay? Die wollen mich nämlich killen! Ich weiß es! Die wollen mich umlegen! Letzte Nacht war einer vor meinem Fenster. Zuerst war’s nur ein Vogel. Der war fürchterlich laut. Auf jeden Fall laut genug, um nicht schlafen zu können. Also bin ich hingegangen und hab überlegt, ob ich was nach dem Vieh werfen soll. Einen Schuh oder so. Bin ganz gut im Werfen, hätt ihn bestimmt getroffen. Ich steh da also am Fenster, den Schuh in der Hand, und da seh ich plötzlich was ganz anderes als den Vogel.“
Zander: „Was haben Sie denn gesehen?“
Edi Kern: „Einen ganz üblen Typen, der in mein Schlafzimmer geguckt hat. Ich sag euch, ich bin so erschrocken, bin direkt ohnmächtig geworden. Mannomann!“
Dettloff: „Warum sollte denn jemand in Ihr Schlafzimmer gucken, Edi? So hübsch sind Sie nun auch wieder nicht.“
Edi Kern: „Wollen Sie mich grad verarschen? Ich sagte doch eben, die wollen mich killen.“
Zander: „Wer?“
Dettloff: „Und warum?“
Edi Kern: „Ich hab versucht, die zu bescheißen, okay? Das sollte man nicht machen. Das verzeihen die einem nämlich nicht.“
Zander: „Wen haben Sie versucht zu betrügen, Edi?“
Edi Kern: „Schon mal was von den Kranichen gehört?“
Zander: „Erzählen Sie davon.“
Edi Kern: „Die sind der schwarze Rauch des Satans. Seelenräuber, jawohl. Die glauben, sie stehen über den anderen Menschen und erst recht über den Gesetzen. Und das Schlimme ist, dass es auch tatsächlich so ist. Niemand weiß, wer die sind, aber alle wissen, dass es sie gibt. Und wenn man sich mit denen anlegt, dann kann man sich auch gleich selbst aufhängen. Und wenn ich jetzt hier wieder rausgeh, dann schweb ich in Lebensgefahr.“
Julia sah auf. „Ihr habt ihn trotzdem wieder gehen lassen?“
„Was hätten wir tun sollen?“ Augustin hob abwehrend die Hände. „Der Mann hatte Angst, okay, aber er war