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zu tun?“

      Edi Kern: „Hab ein paar Jobs für einen Kumpel gemacht. Kleine Sachen. Drogen vertickt und so. Wusst ja nicht, dass der Kumpel einer von denen ist.“

      Dettloff: „Ein Kranich?“

      Edi Kern: „Ja.“

      Dettloff: „Sie selbst sind also kein Kranich?“

      Edi Kern: „Meine Fresse, nein! Ich hab nur ein paar kleine Sachen für den gemacht und ein bisschen in meine eigene Tasche gewirtschaftet.“

      Dettloff: „Sie meinen, Sie haben Ihren Kumpel über den Tisch gezogen.“

      Edi Kern: „Jepp. Hätt ich nicht machen sollen. Scheißidee. Jetzt hab ich sie am Hals.“

      Zander: „Hat Ihr Kumpel Ihnen erzählt, dass er diesen Kranichen angehört?“

      Edi Kern: „Das hat er ganz bestimmt nicht getan.“

      Zander: „Woher wissen Sie dann davon?“

      Edi Kern: „Mann, ich hab vielleicht keinen Doktortitel, aber ich kann hören, okay? Ich hab Ohren. Das ist ’ne ganz üble Truppe. Die sind das Böse, sag ich euch. Die haben in allem ihre Finger.“

      Zander: „Prostitution?“

      Edi Kern: „Auch. Aber nicht nur. Die haben eine Menge Knete und ganz schön viel Macht. Aber in Wahrheit haben die ein ganz anderes Ziel.“

      Zander: „Was für ein Ziel?“

      Edi Kern: „Die wollen das Gute von innen heraus zerstören. Dann können sie nämlich über die ganze Welt herrschen. So ist das. Jawohl.“

      Zander: „Wenn es diese Kraniche tatsächlich gibt, warum wissen wir – die Polizei – dann nichts von ihnen?“

      Edi Kern: „Weil ihr Tomaten auf den Augen habt, deswegen. Weil ihr nur seht, was ihr sehen wollt. Und weil die ihre Leute auch in eurem Laden haben. So sieht’s aus.“

      Augustin sagte: „Man mag kaum unterscheiden, was von dem ganzen Gerede Wahrheit und was erfunden ist.“

      Julia sah auf und schüttelte langsam den Kopf. „Diese Kraniche existieren, daran gibt es keinen Zweifel, aber ich gebe dir insofern recht, als dass sie nicht aus der Hölle emporgestiegen sind, wie Edi Kern es glaubt. Es sind Mörder. Killer. Schlechte Menschen – aber es sind Menschen. Allerdings ist es ausgesprochen clever, solch einen Mythos zu streuen.“

      Als Augustin fragend eine Augenbraue hob, fügte sie hinzu: „Mit Tod und Teufel und Hölle kann man den Menschen Angst einjagen. Man kann sie einschüchtern und leichter manipulieren. Und das ist genau das, was diese Kraniche tun.“

      Augustin seufzte: „Wie auch immer. Das war es. Mehr haben wir nicht. Wir wissen nicht mehr über diese Vögel, als dass es sie gibt. Wir gehen zwar davon aus, dass Sten Kjaer als Killer für sie arbeitet, aber wir haben keine Ahnung, wo er jetzt gerade steckt. Wir wissen und wir haben nichts.“

      Julia schwieg einen Moment nachdenklich. „Ihr seid den Kranichen auf die Spur gekommen“, sagte sie dann. „Und Zander war vermutlich näher an ihnen dran als alle anderen. Ich kann es nicht beweisen, aber ich habe das sichere Gefühl, dass er genau deswegen verschwunden ist. Das bedeutet, der Faden muss von hier an weitergesponnen werden.“ Sie hob den Kopf und sah Augustin an. „Danke.“

      Plötzlich hatte sie es sehr eilig.

      „Was hast du vor?“, fragte er, als sie sich erhob.

      „Ich werde versuchen, noch einmal mit diesem Edi Kern zu reden. Hast du eine Adresse?“

      „Willst du einfach mal vorbeigehen und ihn ins Kreuzverhör nehmen? Dazu hast du keine Befugnis, Julia. Du bist nicht mehr bei der Polizei.“

      „Mag sein, aber mir bleibt keine Zeit für Feinheiten. Ich will ihm auch nur ein paar Fragen stellen, mehr nicht. Oder habt ihr inzwischen noch einmal mit Edi Kern gesprochen?“

      „Nein.“

      „Das dachte ich mir. Und warum nicht?“

      „Wir hielten es für … nicht wichtig genug.“

      „Siehst du, und weil ich das anders sehe, übernehme ich das jetzt.“

      Augustins Blick war ebenso ernst wie Julias. „Ich halte das für keine gute Idee.“

      „Das musst du auch nicht. Du musst mir nur vertrauen und mit niemandem darüber sprechen, dass wir uns heute Abend getroffen haben. Mit niemandem. Ich war nicht hier. Okay?“

      Er fixierte sie weiter. „Natürlich. Wie kann ich dich erreichen?“

      Julia kritzelte ihre Handynummer auf einen Zettel. „Und die darf auch niemandem sonst unter die Augen kommen, ja?“

      „Ja.“

      „Edi Kerns Adresse?“

      „Sie ist hier irgendwo.“ Augustin machte sich daran, in den Papieren zu suchen. Dann griff er ebenfalls nach einem Zettel, notierte die Adresse darauf und reichte ihn Julia. „Du hältst mich auf dem Laufenden, okay?“

      „Ja.“

      „Wirklich.“

      Julia seufzte leise. „Du musst mir vertrauen, Nikolas.“

      Kurz darauf hatten sie das Haus verlassen.

      2. KAPITEL

      So empfängst du mich …

      Hannover

      Ungefähr zur selben Zeit kam Susanne Grimm mit zwei Stunden Verspätung wieder in Deutschland an – ebenfalls vollkommen ahnungslos, wohin diese Geschichte sie noch führen würde.

      Sie fand eine schneegepeitschte Stadt vor, die völlig konturenlos schien. Die Menschen in der Flughafenhalle drückten und schoben und stießen mit ihren Koffern um sich. Aus den Lautsprechern erklang Jingle Bells. Bunte Lichter, die überall von den Decken hingen, kündigten Weihnachten an, das Fest der Liebe.

      Nach fünf Monaten in der Einsamkeit Norwegens war die überwältigende Menschenfülle ein Angriff auf jeden einzelnen von Susannes Sinnen. Sie war überhaupt nicht mehr an die beklemmende Dichte von Geräuschen, Gerüchen und Gesichtern gewöhnt, und einen Moment lang wünschte sie sich zurück und dachte an das letzte Telefonat mit Jo und Edda, kurz vor ihrem Abflug nach Deutschland.

      „Du brauchst mich wirklich nicht alle zehn Minuten anzurufen, Jo“, hatte sie gesagt. „Du hast doch bestimmt Wichtigeres zu tun.“

      Aber Jo hatte nichts Wichtigeres zu tun. „Hast du dir das auch wirklich gut überlegt?“, fragte er sie noch einmal.

      „Wir haben jetzt wirklich oft genug darüber gesprochen.“

      „Hast du auch genügend Geld?“

      „Du warst doch dabei, als die fünfzigtausend Euro vom Konto meines Vaters auf mein Konto gebucht wurden.“

      „Illegal.“

      „Ich konnte ihn leider nicht fragen.“

      „Und er kann es ja nun wirklich verkraften“, erklang Eddas Stimme aus dem Hintergrund.

      „Jo“, sagte Susanne, „du machst dir zu viele Gedanken. Wirklich. Warum setzt du dich nicht auf die Couch, legst die Beine hoch und entspannst dich ein bisschen?“

      „Du wirst mich nicht dazu zwingen können, mich zu entspannen, solange ich nicht weiß, wohin das führt, was du da vorhast.“

      „Ich danke dir für alles, was du in den letzten Tagen für mich getan hast. Danke auch dir, Edda. Ihr seid zu meinen zwei besten Freunden geworden.“

      „In Zeiten der Freude wie der Not, so sagt man doch, nicht wahr?“ Das war wieder Eddas Stimme aus dem Hintergrund.

      „Ja“, sagte Susanne. „In der Freude wie in der Not.“

      Dann

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