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Zarenblut - Ein Fall für Julia Wagner: Band 4. Tanja Noy
Читать онлайн.Название Zarenblut - Ein Fall für Julia Wagner: Band 4
Год выпуска 0
isbn 9788726643091
Автор произведения Tanja Noy
Жанр Языкознание
Серия Ein Fall für Julia Wagner
Издательство Bookwire
„Wir müssen mit Ihrem Bruder sprechen“, beharrte Julia. „Es ist sehr wichtig.“
„Wer sind Sie noch mal?“
„Julia Wagner. Das hier ist Eva Haack.“
„Sind Sie von der Polizei?“
„Ja.“ Erneut benötigte es nur wenig Überwindung für diese Lüge.
Und Leonie wollte glücklicherweise keinen Ausweis sehen. Stattdessen huschte ein weiterer Schatten des Unmuts über ihr Gesicht. „Ich hab doch Ihren Kollegen schon gesagt, dass ich nichts weiß. Ich hab Edi seit zwei Tagen nicht mehr gesehen.“ Es schien ihr noch eine spitze Bemerkung auf der Zunge zu liegen, doch sie klappte den Mund zu und schluckte sie herunter.
Julia blickte überrascht. „Wann waren die Kollegen denn bei Ihnen?“
„Gestern.“
„Und in welcher Angelegenheit?“
„Da ist in einen Kiosk eingebrochen worden“, erklärte Leonie knapp. „Und wie immer, wenn irgendwo eingebrochen wurde, kommen sie zuerst zu Edi. Und dann hat noch einer angerufen, der war bestimmt nicht von der Polizei.“
„Wer?“
„Na, so ein Typ. Er fragte auch nach Edi, und als ich ihm gesagt habe, dass er nicht da ist und ich nicht weiß, wo er steckt, hat er gesagt, ich soll ihm ausrichten, dass er ihn finden und ihm das Gehirn aus dem Kopf dreschen würde, bevor er ihm das Herz aus der Brust schneidet.“
Eva schluckte.
„Hat der Mann seinen Namen genannt?“, wollte Julia wissen.
„Nein.“
„Hat er sonst noch etwas gesagt?“
„Nein. Ich war total erschrocken und hab sofort wieder aufgelegt.“
„Ist Ihnen an der Stimme des Mannes etwas Besonderes ausgefallen?“
Leonie überlegte einen Moment. „Es war eine tiefe Stimme, irgendwie grollend. Und heiser. Als hätte er Kieselsteine geschluckt. Mehr weiß ich wirklich nicht.“ Es schien, als wolle sie die Tür wieder schließen.
„Wir sind nicht wegen des Einbruchs hier“, sagte Julia schnell. „Wir sind von der Mordkommission.“
„Mordkommission“ war einfach ein magisches Wort. Alle zuckten zusammen, wenn sie es hörten. Leonie auch. „Mordkommission?“, entfuhr es ihr.
Julia nickte. „Wir benötigen die Hilfe Ihres Bruders. Als Zeuge.“
„Ja, aber … Wie gesagt …“
„Wie lange wohnen Sie denn schon bei Edi?“
„Schon ein paar Monate.“ Leonie zuckte mit den Schultern. „Er hat ja nie Geld, ist immer pleite. Da war er ganz glücklich, dass ich die Hälfte der Miete beisteuere.“
„Und Sie haben wirklich keine Ahnung, wo er jetzt stecken könnte?“
„Nein. Ich wüsste es selbst gern, er schuldet mir nämlich noch seinen Anteil für diesen Monat.“
„Gibt es Leute, die ihn regelmäßig besuchten?“, fragte Julia weiter.
„Edi hat keine Freunde. Hatte er noch nie. Er ist der Typ, den die anderen in der Schule in die Mülltonne gesteckt haben. Und mehr kann ich Ihnen wirklich nicht sagen.“ Leonie wollte jetzt endgültig die Tür schließen.
„Eine Frage noch“, blieb Julia am Ball. „Hat er Ihnen erzählt, wo er zuletzt gearbeitet hat?“
„Nein. Von sich aus hat er mir nie was erzählt, und ich hab es mir abgewöhnt, Fragen zu stellen.“
„Wie hat er sich verhalten, ehe er verschwunden ist?“
„Komplett irre. Hat ständig von irgendwelchen Vögeln gesprochen.“
Julia horchte auf. „Kraniche?“
„Keine Ahnung, kann sein.“ Leonie winkte ab. „Ich erinnere mich nur, dass es Vögel waren und dass er gesagt hat, sie würden ihn umbringen wollen. War völlig irre, der Kerl. Also, wenn Sie ihn finden, dann sagen Sie ihm, dass ich die volle Miete für den Monat bezahlt hab, und das war so nicht ausgemacht. Und wenn Sie ihm das gesagt haben, dann können Sie ihn meinetwegen dahin bringen, wo er hingehört.“
„Und das wäre?“
„In die Klapsmühle natürlich. Wäre wirklich gut, wenn sich mal jemand um seinen Geisteszustand kümmert.“
„Dafür sind wir nicht zuständig. Aber es würde vielleicht helfen, wenn wir mal mit ihm sprechen könnten.“ Julia hielt Leonies Blick fest und hakte noch einmal nach: „Sie wissen wirklich nicht, wo er ist?“
„Nein, wenn ich’s doch sage. Allerdings …“
„Ja?“
„Früher hatte Edi oft Drogenprobleme. Und zu viel getankt hat er auch gerne. Es gibt da eine Anlaufstelle, wo die Süchtigen hingehen, wenn’s ihnen richtig dreckig geht. Den Sozialarbeitern dort hat er immer vertraut. Vielleicht finden Sie ihn ja dort, ist keine zwei Kilometer von hier.“
„Würden Sie uns die Adresse geben, bitte?“
Leonie seufzte, verschwand im Inneren der Wohnung und kam kurz darauf mit einem kleinen gelben Zettel zurück. „Hier. Und wenn Sie ihn finden, dann sagen Sie ihm das mit der Miete.“
Das war’s. Nun wurde die Tür endgültig vor ihnen zugeschlagen.
„Merkwürdige Person“, sagte Eva.
„Merkwürdiges Paar“, gab Julia zurück.
„Ja, sehr merkwürdig.“
Anstatt sich dem altersschwachen Aufzug ein weiteres Mal anzuvertrauen, zogen sie es vor, die sechs Stockwerke zu Fuß nach unten zu gehen. Das Treppenhaus war düster – in einigen Etagen baumelten nur nackte Glühbirnen von der Decke.
„Da dreht der Bruder offenbar halb durch vor Angst und taucht unter“, sprach Eva weiter, während sie den Blick konzentriert auf die einzelnen Stufen gerichtet hielt. „Die Polizei sucht nach ihm, andere furchterregende Gestalten bedrohen ihn am Telefon, und sie macht sich nur Sorgen um die Miete?“ Kurz hob sie den Blick und sah Julia an. „Was meinst du? Glaubst du ihr? Oder weiß sie nicht doch mehr, als sie sagt?“
„Ich glaube ihr. Wie du gerade selbst feststelltest, hat Leonie ein großes Interesse daran, dass Edi wieder auftaucht – wegen der Miete.“
Als sie schließlich auf den Bürgersteig traten, erfasste sie ein heftiger Windstoß. Sie eilten durch die dichten Schneeflocken zum Wagen und stiegen ein.
„Na ja“, sagte Eva, während sie sich anschnallte. „Der Hinweis auf diese Anlaufstelle ist wenigstens nicht schlecht.“
„Ja.“ Julia startete den Motor. „Er ist immerhin ein Anfang.“
4. KAPITEL
Fehler Nummer eins
Hannover
Susanne rannte, Schutz vor Wind und Schnee suchend, auf ein grün-weiß gestrichenes Haus zu, zu dem von der Straße aus eine Treppe hinaufführte. Sie stieg eilig hinauf und schüttelte sich oben angekommen erst einmal wie ein nasser Hund. Dann fixierte sie die Klingelschilder, drückte kurz entschlossen einmal auf jeden Knopf und wartete. Jemand öffnete, ohne nachzufragen, sie betrat das Haus und stieg weitere Treppen nach oben.
Vor dem richtigen Namensschild angekommen, blieb sie stehen und murmelte: „Es geht los. Zeit für die Wahrheit.“ Und drückte auf den Klingelknopf.
Eine junge Frau in blauer Jogginghose und einem einfachen Sweatshirt öffnete die Tür. Ihr blondes Haar war im Nacken zusammengebunden, und das hübsche, ungeschminkte Gesicht blickte Susanne verwirrt