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waren nicht der Grund der Bewegung, denn die Nacht war windstill. Es stand schon seit einigen Minuten dort; und offensichtlich war es eine menschliche Gestalt. Aber wer war es? Die Gestalt machte ihr Zeichen!

      Oder vielleicht sah es auch nur so aus. Da bewegte sich doch sicher ein Arm, und jetzt kam es einen Schritt näher und hob etwas hoch, was es auf dem Kopf trug – einen zerbeulten Hut mit breiter Krempe, einen „Schlapphut“, der von Stroh gesäumt war.

      Barbara Hares Herz machte einen Satz, wie man so sagt, und ihr Gesicht wurde im Mondlicht leichenblass. Ihr erster Gedanke war, die Dienstboten zu alarmieren; der zweite, still zu halten; ihr fiel ein, welche Angst und Geheimnisse sich mit dem Haus verbanden. Sie schloss ihre Mutter im Salon ein, ging in die Diele, und stand mit stillem Blick im Schatten der Eingangsveranda. Aber die Gestalt folgte ihren Bewegungen offensichtlich mit den Blicken; der Hut wurde wiederum abgenommen und heftig geschwenkt.

      Barbara Hare wurde übel vor Entsetzen. Sie musste es herausfinden; sie musste sehen, wer und was das war; die Dienstboten zu rufen, wagte sie nicht; die Bewegungen waren zwingend und nicht zu übersehen. Aber sie besaß auch mehr angeborenen Mut, als er der Mehrzahl junger Damen zufällt.

      „Mama“, sagte sie, als sie in den Salon zurückkehrte, nach ihrem Schal griff und sich bemühte, keine Gefühle zu verraten, „ich gehe nur ein wenig den Weg hinunter und sehe nach, ob Papa schon kommt.“

      Mrs. Hare antwortete nicht. Sie grübelte über andere Dinge nach und befand sich dabei in jener stillen, glücklichen Stimmung, die ein kleiner Teil der Charaktere mit einer körperlichen Schwäche verbindet. Barbara schloss leise die Tür und stahl sich wieder auf die Veranda hinaus. Einen Augenblick blieb sie stehen, um ihren Mut zusammenzunehmen, und wieder wurde der Hut ungeduldig geschwenkt.

      Barbara Hare schlug den Weg in die fragliche Richtung mit unaussprechlicher Furcht ein, mit einem unbestimmten Gefühl des Bösen, das ihr sinkendes Herz erfüllte. Darunter mischte sich eine Welle des Entsetzens, eine Angst vor jenem anderen unbestimmten Bösen – dem Bösen, von dem Mrs. Hare behauptet hatte, es sei durch ihren Traum angekündigt worden.

      Kalt und still lag das alte Haus im Mondlicht. Der Mond hatte nie heller geschienen; er erleuchtete den weitläufigen Garten, erleuchtete sogar hoch oben den Wetterhahn, warf seinen Schein auf die Terrasse und auf jeden, der sich dort zeigte. Barbara Hare hatte sich vom Haus zur Veranda geschlichen, den Blick angestrengt und voller Furcht auf das Gehölz am Ende des Gartens gerichtet. Was war dort zwischen den Bäumen hervorgetreten und hatte ihr rätselhafte Zeichen gegeben, als sie am Fenster stand und starrte, bis ihr Herz krank wurde? War es ein Mensch, der noch mehr Unheil in das Haus bringen würde, wo doch schon so viel Unheil geschehen war? War es ein übernatürlicher Besucher oder hatte nur ihr eigenes Sehvermögen sie getäuscht? Letzteres sicher nicht, denn jetzt trat die Gestalt wieder hervor und machte ihr die gleichen Zeichen wie zuvor; mit bleichem Gesicht und zitternden Gliedern zog Barbara den Schal enger um sich und ging im Mondlicht den Weg hinunter. Als sie näher kam, zog sich die winkende Gestalt in den dunklen Schatten zurück. Barbara blieb stehen.

      „Wer oder was sind Sie?“, fragte sie atemlos. „Was wollen Sie?“

      „Barbara“, lautete die geflüsterte, eifrige Antwort, „erkennst du mich nicht?“

      Sie erkannte ihn nur allzu gut – auf jeden Fall die Stimme. Ihr entschlüpfte ein Schrei, der mehr von Kummer als von Sorge sprach, aber beides verriet. Sie trat zwischen die Bäume und brach in Tränen aus, als jemand in der Kleidung eines Landarbeiters sie in die Arme schloss. Trotz des Bauernkittels, des strohumrandeten Hutes und des falschen, rabenschwarzen Schnurrbartes erkannte sie ihren Bruder.

      „Ach, Richard! Woher kommst du? Was führt dich hierher?“

      „Hast du mich erkannt, Barbara?“, lautete seine Antwort.

      „Wie konnte ich – in dieser Verkleidung? Mir ist der Gedanke durch den Kopf gegangen, es könne jemand in deinem Auftrag sein, und schon dabei wurde mir vor Entsetzen ganz schlecht. Wie kannst du ein solches Risiko eingehen und hierher kommen?“ Sie rang die Hände. „Wenn du entdeckt wirst, ist es dein sicherer Tod; der Tod am … du weißt schon!“

      „Am Galgen“, gab Richard Hare zurück. „Das weiß ich, Barbara.“

      „Warum riskierst du es dann? Wenn Mama dich sieht, bringt es sie regelrecht um.“

      „Ich kann nicht immer so leben, wie ich jetzt lebe“, antwortete er düster. „Ich habe seither in London gearbeitet …“

      „In London!“, unterbrach Barbara.

      „In London, und ich habe mich nie aus der Stadt gewagt. Aber es ist harte Arbeit, und jetzt besteht die Aussicht, dass es mir besser geht, wenn ich ein wenig Geld auftreiben kann. Vielleicht kann meine Mutter dafür sorgen, dass ich es bekomme; ich bin hier, um darum zu bitten.“

      „Wie arbeitest du? Und wo?“

      „In einem Pferdestall.“

      „Einem Pferdestall!“, stieß sie mit zutiefst erschrockener Stimme hervor. „Richard!“

      „Hast du erwartet, dass ich als Kaufmann komme, oder als Bankier, oder vielleicht als Sekretär eines Ministers ihrer Majestät – oder dass ich im Großen und Ganzen ein Gentleman bin und von meinem Vermögen lebe?“, gab Richard Hare in einem Ton des bekümmerten Überdrusses zurück, den zu hören schmerzhaft war. „Ich bekomme zwölf Schilling die Woche, und das muss mir für alles reichen!“

      „Armer Richard, armer Richard!“, wimmerte sie, wobei sie seine Hand streichelte und darüber Tränen vergoss. „Ach, was war das für ein Werk einer grauenvollen Nacht! Wir haben nur einen Trost, Richard: Du musst die Tat im Wahn begangen haben.“

      „Ich habe sie überhaupt nicht begangen“, erwiderte er.

      „Was?“, rief sie aus.

      „Barbara, ich schwöre, dass ich unschuldig bin; ich schwöre, dass ich nicht anwesend war, als der Mann ermordet wurde; ich schwöre, dass ich aufgrund meiner eigenen Kenntnis und dessen, was ich gesehen habe, nicht besser weiß als du, wer es getan hat. Es reicht mir, eine Vermutung zu haben; und meine Vermutung ist so sicher und wahr wie die, dass der Mond am Himmel steht.“

      Barbara schauderte, als sie näher zu ihm trat. Es war ein Thema zum Schaudern. „Du willst doch sicher nicht die Schuld auf Bethel schieben?“

      „Bethel!“, gab Richard Hare leichthin zurück. „Er hatte nichts damit zu tun. Er war in dieser Nacht nur auf seine Fallen und Schlingen aus, Wilderer, der er ist!“

      „Bethel ist kein Wilderer, Richard.“

      „Ach nein?“, gab Richard vielsagend zurück. „Die Wahrheit darüber, was er ist, könnte irgendwann ans Licht kommen. Ich wünsche mir nicht, dass sie ans Licht kommt; der Mann hat mir nichts getan, und wenn es nach mir geht, kann er bis zum jüngsten Gericht ungestraft weiter wildern. Er und Locksley …“

      „Richard“, unterbrach ihn seine Schwester im Flüsterton, „Mama hat eine fixe Idee, und die kann sie nicht loswerden. Sie ist sicher, dass Bethel etwas mit dem Mord zu tun hat.“

      „Dann hat sie Unrecht. Warum glaubt sie das?“

      „Wie die Überzeugung ursprünglich entstanden ist, kann ich dir nicht sagen; ich glaube, das weiß sie selbst nicht. Aber denke daran, wie schwach und fantasievoll sie ist, und seit jener entsetzlichen Nacht hat sie immer wieder ‚Träume‘, wie sie es nennt – das heißt, sie träumt von dem Mord. In allen diesen Träumen spielt Bethel die Hauptrolle; und sie sagt, sie spürt mit absoluter Sicherheit, dass er auf diese oder jene Weise darin verwickelt war.“

      „Barbara, er war darin nicht mehr verwickelt als du.“

      „Und … du sagst, du warst es nicht?“

      „Ich war zu der Zeit nicht einmal in dem Häuschen; das schwöre ich dir. Der Mann, der es getan hat, war Thorn.“

      „Thorn!“,

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