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er heute Abend in dem Gehölz ist, kann ich ebenso gut dort sein. Was hat er für eine Verkleidung?“

      „Die eines Landarbeiters. Es war das Beste, was er sich hier zulegen konnte, mit einem großen schwarzen Schnauzbart. Er hat gesagt, er lebt ungefähr drei Meilen entfernt in irgendeinem geheimnisvollen Versteck. Und jetzt“, fuhr Barbara fort, „möchte ich Sie um einen Rat bitten; sollte ich Mama darüber in Kenntnis setzen, dass Richard hier ist, oder besser nicht?“

      Mr. Carlyle verstand sie nicht und sagte es auch.

      „Ich gestehe, dass ich verwirrt bin“, rief sie. „Ich hätte vorausschicken sollen, dass ich Mama noch nicht gesagt habe, dass Richard hier ist; ich habe so getan, als hätte er einen Boten geschickt, der um das Geld bittet. Wäre es ratsam, sie einzuweihen?“

      „Warum nicht? Ich finde, Sie sollten es tun.“

      „Dann tue ich es auch; ich habe nur die Gefahr gefürchtet, denn sie wird sicher darauf bestehen, ihn zu sehen. Und auch Richard wünscht sich ein Gespräch.“

      „Das ist nur natürlich. Mrs. Hare muss dankbar sein zu hören, dass er bisher in Sicherheit ist.“

      „So habe ich es noch nie gesehen“, gab Barbara zurück. „Die Veränderung ist geradezu ein Wunder; sie sagt, es habe ihr neues Leben eingeflößt. Und nun zu der letzten Schwierigkeit: Wie können wir dafür sorgen, dass Papa heute Abend nicht zu Hause ist? Das muss auf irgendeine Weise bewerkstelligt werden. Sie kennen sein Temperament: Wenn ich oder Mama ihm vorschlagen würden, er solle einen Freund besuchen oder in den Club gehen, würde er in jedem Fall zu Hause bleiben. Können Sie einen Plan schmieden? Sie sehen, ich wende mich mit allen meinen Schwierigkeiten an Sie“, fügte sie hinzu, „genau wie Anne und ich es gemacht haben, als wir noch Kinder waren.“

      Ob Mr. Carlyle die letzte Bemerkung hörte, ist fraglich. Er hatte in tiefem Nachdenken die Augenlider gesenkt. „Haben Sie mir jetzt alles berichtet?“, fragte er schließlich und hob sie wieder.

      „Ich glaube schon.“

      „Dann werde ich darüber nachdenken und …“

      „Ich werde wahrscheinlich nicht noch einmal herkommen“, unterbrach ihn Barbara. „Es … es könnte Verdacht erwecken; es könnte mich auch jemand sehen und es gegenüber Papa erwähnen. Sie sollten auch niemanden zu unserem Haus schicken.“

      „Nun ja … Richten Sie es so ein, dass Sie heute Nachmittag um vier auf der Straße sind. Einen Augenblick, das ist ja Ihre Essenszeit; gehen sie um drei Uhr auf der Straße spazieren, genau um drei; wir werden uns dort treffen.“

      Er erhob sich, gab ihr die Hand und begleitete sie durch die kleine Diele und den Korridor zur Haustür – eine Höflichkeit, die Mr. Carlye vermutlich nicht jedem Mandanten erwies. Die Haustür schloss sich hinter ihr, und Barbara hatte sich kaum einen Schritt von ihr entfernt, als plötzlich etwas Großes über ihr dräute wie ein Schiff unter vollen Segeln.

      Sie war sicher die größte Dame der Welt. Eine schöne Frau zu ihrer Zeit, jetzt aber kantig und knochig. Und doch lag trotz der Kanten und Knochen etwas Majestätisches in der Erscheinung von Miss Carlyle.

      „Warum … Wozu um alles auf der Welt“, setzte sie an, „sind Sie bei Archibald gewesen?“

      Barbara Hare wünschte sich, Miss Carlyle wäre weit weg in Asien, und brachte stammelnd die Ausrede vor, die sie auch bei Mr. Dill gebraucht hatte.

      „Ihre Mama hat Sie zu geschäftlichen Besorgungen geschickt! So etwas habe ich noch nie gehört. Zweimal war ich hier, um mit Archibald zu sprechen, und zweimal hat Dill mir gesagt, er sei beschäftigt und dürfe nicht gestört werden. Der alte Dill wird mir erklären müssen, was es bedeutet, dass er mir gegenüber Geheimnisse hat.“

      „Es gibt kein Geheimnis“, antwortete Barbara; ihr wurde ganz schlecht bei dem Gedanken, Miss Carlye könne gegenüber den Angestellten oder ihrem Vater behaupten, es gebe eines. „Mama wollte Mr. Carlyle in einer kleinen Privatangelegenheit um seine Meinung fragen, und da sie sich nicht wohl genug fühlte, um selbst zu kommen, hat sie mich geschickt.“

      Miss Carlyle glaubte ihr kein Wort. „Was für eine Angelegenheit?“, fragte sie unverblümt.

      „Es ist nichts, was Sie interessieren könnte. Eine Kleinigkeit, die mit ein wenig Geld zu tun hat. Es ist wirklich nichts.“

      „Und wenn es nichts ist, warum haben Sie sich dann so lange mit Archibald eingeschlossen?“

      „Er hat nach den Einzelheiten gefragt“, erwiderte Barbara, wobei sie ihre Gelassenheit wiederfand.

      Miss Carlyle schniefte, wie sie es immer tat, wenn sie in einer Sache anderer Meinung war. Da lag doch sicher irgendein Geheimnis in der Luft. Sie wandte sich um und ging mit Barbara die Straße entlang, aber das führte nicht dazu, dass sie mehr herausbekommen hätte.

      Mr. Carlyle kehrte in sein Büro zurück, überlegte kurz, und läutete dann. Ein Angestellter kam herein.

      „Gehen Sie zum Buckʼs Head. Wenn Mr. Hare und die anderen Friedensrichter dort sind, sagen Sie ihnen, sie möchten zu mir herüberkommen.“

      Der junge Mann tat wie geheißen und kam mit den ehrwürdigen Richtern auf den Fersen zurück. Sie folgten der Einladung bereitwillig, glaubten sie doch, sie seien in eine juristische Meinungsverschiedenheit verwickelt, und nur Mr. Carlyle könne sie daraus befreien.

      „Ich bitte Sie nicht, Platz zu nehmen“, begann Mr. Carlyle, „denn ich werde Sie nur einen kurzen Augenblick aufhalten. Je mehr ich darüber nachdenke, dass dieser Mann ins Gefängnis gebracht wurde, desto weniger gefällt es mir; ich habe mir gedacht, es ist vielleicht besser, wenn Sie alle fünf heute Abend zu mir kommen und gemeinsam in meinem Haus eine Pfeife rauchen; dann haben wir Zeit und können besprechen, was zu tun ist. Kommen Sie nicht später als sieben, dann werden Sie die alte Tabaksdose meines Vaters gut gefüllt mit dem besten Breitschnitt finden, außerdem ein halbes Dutzend Lesepfeifen. Einverstanden?“

      Die fünf nahmen die Einladung eifrig an. Als sie im Gänsemarsch hinausgingen, berührte Mr. Carlyle den Arm des Richters Hare.

      „Sie kommen doch sicher auch, Hare“, flüsterte er. „Ohne Sie kommen wir nicht zurecht; nicht alle Köpfe“ – wobei er eine leichte Bewegung in Richtung der Hinausgehenden machte – „sind so mit klarem Verstand begabt wie Sie.“

      „Ich komme ganz sicher“, erwiderte der Richter erfreut. „Feuer und Wasser sollen mich nicht abhalten.“

      Kurz nachdem Mr. Carlyle wieder allein war, trat ein anderer Bediensteter ein.

      „Miss Carlyle würde Sie gerne sprechen, Sir, und auch Colonel Bethel ist wieder da.“

      „Schicken Sie zuerst Miss Carlyle herein“, lautete die Antwort. „Worum geht es, Cornelia?“

      „Ach, das fragst du noch? Heute Morgen sagst du, du könntest nicht wie üblich um sechs Uhr zu Abend essen, und dann marschierst du hinaus und legst die Zeit nicht fest. Wie soll ich meine Anweisungen geben?“

      „Ich dachte, die Geschäfte würden mich abhalten, aber nun gehe ich doch nicht aus. Dennoch werden wir ein wenig früher essen, Cornelia, sagen wir um Viertel vor sechs. Ich habe jemanden eingeladen!“

      „Was ist los, Archibald?“, unterbrach ihn Miss Carlyle.

      „Los! Nichts, soweit ich weiß. Ich bin sehr beschäftigt, Cornelia, und Colonel Bethel wartet; ich spreche beim Essen mit dir. Ich habe für heute Abend eine kleine Gesellschaft eingeladen.“

      „Eine kleine Gesellschaft!“, wiederholte Miss Carlyle.

      „Ja, vier oder fünf Richter kommen zum Pfeiferauchen. Du musst die Blei-Tabaksdose deines Vaters herausholen, und …“

      „Sie werden nicht kommen!“, kreischte Miss Carlyle. „Meinst du, ich will mich mit dem Tabakrauch aus einem Dutzend Pfeifen vergiften?“

      „Du brauchst nicht im Zimmer zu sitzen.“

      „Die

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