Скачать книгу

mit Nachbrenner. Er nahm einen großen Schluck Wasser und goss beiden nach, da Charlottes Glas auch schon wieder fast leer war. Das fühlte sich alles so gut an! Er genoss das Genießen wieder.

      »Wir müssten ein eigenes kleines Labor haben, du weißt schon. Sequenz-Analysatoren, PCI, Inkubatoren, CRISPR-Sets, was weiß ich, den ganzen Sums eben.«

      Sie nickte, sah aber an ihm vorbei ins Restaurant. Dann wandte sie sich wieder ihrem Teller zu und schien über etwas nachzudenken.

      »Was?«

      Sie schüttelte den Kopf.

      Benjamin hatte sein Curry schon fast geschafft und las ein paar Gemüsestückchen vom Rand des Tellers auf. »Platz sollte auch nicht das Problem sein. Es gibt da einen völlig unbenutzten Keller unter der alten Augenklinik in der Geiststraße. Ich kenne die Leute da. Wenn wir da reinkönnen, das wär doch was. Und Freunde von mir haben ein altes Bauernhaus in Geismar, der Keller dort steht auch komplett leer. In der Uni geht vielleicht auch was.«

      »Das macht Sinn«, fand sie. Charlotte war beim letzten Rest ihres Lamms angelangt. »Wenn wir einen offiziellen Grund, ein Forschungsprojekt oder ein Projekt für die Industrie finden, können wir das locker auch im MPI laufen lassen. Oder im Primatenzentrum. Projekte gibt es doch genug. Vielleicht sogar mit einer Finanzierung. Wir müssten das verpacken oder verkleiden, damit wir Fördermittel bekommen können. Nur so als Gedanke, natürlich. Verstehst du? Wir tarnen das als anderes geiles Projekt, was Offizielles, mit dem wir unser Gedankenspiel finanzieren könnten, das aber auch als eigenes Projekt schon Sinn macht. Etwas richtig Gutes. Das ist dann unser Schaufenster. Die Menschheit behandeln wir dann im Hinterzimmer.«

      »Du nimmst das tatsächlich ernst?«, fragte er ungläubig.

      »Ach Quatsch«, lachte sie. »Ich spinne doch nur rum.«

      Sie faltete ihre Serviette sorgfältig zusammen, legte sie auf den Tisch und stand auf. »Du, ich muss mal raus«, sagte sie leise, »bin gleich wieder da.« Sie strich ihm im Vorbeigehen sanft über sein dunkelbraunes Kurzhaar, ging einen Schritt in Richtung Toilette, kam aber nach drei Schritten wieder zurück und drückte ihm schmatzend einen satten Kuss auf die Lippen. »Bis gleich, du!«

      Benjamin leckte sich unwillkürlich die Lippen und sah ihr nach. Sie schwankte ein wenig, aber wie sie dabei ihr rundliches Hinterteil wie bei einem Slalomkurs durch Tische und Stühle schwenkte, war sehenswert. Benjamin stellte sich vor, wie sie sich gleich auf der Toilette die Hose herunterziehen würde.

      »Zahlen, bitte!«, rief er der Kellnerin zu. Hoffentlich hatte Charlotte nicht noch einen Nachtisch bestellt. Auf einmal hatte er es irgendwie eilig.

      Ein Schnäpschen in Ehren

      »Sag mal, deine Idee mit dem Schrotschuss hat doch was.« Charlotte hatte auf der Toilette weiter über ihr Gespräch nachgedacht. »Schrotschuss?«, fragte Benjamin. Was hatte er als Pazifist mit Schrotschüssen zu tun?

      »Kennst du doch, von Craig Venter. Shotgun Sequencing, kleine Gen-Abschnitte sequenzieren und dann wieder zusammensetzen. Deine Idee ist doch ganz ähnlich, ein umgekehrter Schrotschuss. Du nimmst kleine Informationsbündel, schießt sie über verschiedene Vektoren und in Päckchen aufgeteilt hinaus in die Welt, wo sie sich irgendwann wieder zusammenfinden und ihre Wirkung ausüben. Eben nur umgekehrt. Wie beim Internet.« Charlotte hatte sich wieder hingesetzt. »Hast du etwa schon bezahlt? Ich kriege doch noch Nachttisch«, beklagte sie sich.

      »Oh, sorry. Wusste ich nicht«, entschuldigte sich Benjamin. Hoffentlich ist sie nicht sauer, dachte er.

      Warum hatte er es auf einmal so eilig? Relax, sagte er sich. Don’t do it.

      Er ließ bewusst die Schultern sacken und atmete aus. »Dann bestelle ich mir auch noch was. Ich liebe Nachtisch!«

      Die Kellnerin, die Charlotte gesehen hatte, als sie vom Klo zum Tisch zurückging, kam mit dem Dessert, einer bayrischen Creme mit Beerenragout. Charlotte leckte sich die Lippen. »Können Sie mir bitte noch einen Grappa bringen?«, fragte Benjamin die Bedienung. »Möchtest du auch einen?«

      Charlotte schüttelte den Kopf und konzentrierte sich auf ihre Süßspeise. Wie schön ihr Busen wogt, wenn sie sich freut, dachte Benjamin. Er lehnte sich zurück und sah ihr zu.

      »Was ist?« Sie hatte seinen Blick bemerkt und sah auf. »Möchtest du mal probieren?«

      »Gern.«

      Charlotte tauchte ihren Löffel in die weiße, cremige Masse, schob ihn dann in die Beeren und hob ihm die rot-weiße Leckerei entgegen. Benjamin beugte sich vor, bekam den Löffel aber nicht richtig in den Mund, ein Teil des Desserts blieb an seinen Lippen kleben. Er schluckte den Rest. »Hmm. Lecker.«

      Charlotte legte den leeren Löffel zurück, erhob sich, beugte sich über den Tisch und küsste ihm den Rest von seiner Oberlippe. »Hmm. Auch lecker.«

      Neben dem Tisch stand die Kellnerin mit dem Grappa und hüstelte. Sie setzten sich wieder und taten unschuldig. Die Kellnerin stellte den Schnaps vor Benjamin ab. »Dankeschön.« Die Kellnerin ging mit steifen Schritten und mit einem verächtlichen Zucken um den Mundwinkel zurück.

      Charlotte aß auf, und Benjamin kippte seinen Grappa. »Ah, das tut gut.« Er schüttelte sich leicht. »Sollen wir?« Charlotte nickte und erhob sich. »Einen Moment. Ich zahle eben noch den Grappa.« Er machte das an der Theke, während Charlotte sich ihre Jacke von der Garderobe nahm und anzog, die gleiche enge Teppichjacke wie im Esprit. Als er zurückkam, half sie ihm in seine Jacke, obwohl er einen halben Kopf größer war.

      Draußen hakte sie sich bei ihm ein und schmiegte sich an seine Seite. Es fühlte sich gut an.

      »Komm, wir gehen noch in den kleinen Ratskeller. Ich habe noch Durst auf ein Bier, und ich möchte noch mit dir reden«, hauchte sie ihm an die Brust, ohne ihn anzusehen, und zog ihn über die Straße. Benjamin hatte Mühe, sich ihren kleinen Schritten anzupassen. Seine langen Beine waren das weite Ausschreiten gewohnt. Dann ging es auf einmal; Charlotte hatte automatisch ihre Schrittlänge etwas vergrößert, und die hundert Meter bis zu der Kneipe gingen sie zum ersten Mal wie ein Paar.

      Sie hatten sich in die hinterste Ecke im Kellergewölbe des Kleinen Ratskellers verzogen und Landbier bestellt, ein weiches und etwas dunkleres Bier, das Charlotte gern trank, weil es sie an ihre Studienzeit in Cambridge erinnerte, wo sie viel Ale getrunken hatte. Außerdem hatte es diesen schönen Bügelverschluss, mit dem man so herrlich Pffump! machen konnte.

      »Prost.« Sie saßen sich wieder gegenüber, der enge Winkel ließ nichts anderes zu, obwohl Benjamin ihr gern den Arm über die Schultern gelegt hätte. »Jetzt musst du mir aber mal erzählen, was es mit der anderen Anzeige auf sich hatte«, verlangte er. »Sonst habe ich deine ganze Wäsche gebügelt und weiß immer noch nichts von dir.« Sie prustete und hätte sich fast verschluckt. Dann sah sie sich um. »Echt?« Benjamin nickte. »Bist du sicher, dass du das hören willst?«

      Er nickte.

      Charlotte sah ihm in die Augen. »Na gut.«

      Benjamin hatte seinen Kopf auf beide aufgestützte Hände gelegt und sie mit so einem treuen Hundeblick angesehen, dass sie schlecht Nein sagen konnte. »Also die Anzeige. Das war eher so aus Spieltrieb.« Sie überlegte. »Ich fang mal woanders an.«

      Eine ältere, gestandene Bedienung kam durch den Raum, die Wirtin, wie Benjamin annahm. »Nimmst du auch einen Aquavit?« Charlotte nickte. »Zwei Linie, bitte.« Die Wirtin nickte und räumte den Nachbartisch ab. Außer ihnen saß niemand mehr hier unten. »Der ist um die halbe Welt gesegelt, bevor er verkauft wird«, erklärte Benjamin.

      »Ich weiß.« Charlotte schien unsicher zu sein und nippte an ihrer Bierflasche.

      »Also, Zen. Ich hatte dir schon erzählt, dass mein Vater ein französisches Restaurant in Kassel hat. Das lief eine Zeit lang ganz gut, weil es nahe beim Zentrum lag. Er hatte eine schöne Jugendstilvilla gekauft und die liebevoll restauriert. Das Restaurant hatte Charme und kam an. Kochen konnte er auch.«

      »Aber?«

      »Tja,

Скачать книгу