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Zen und die Kunst des Bügelns. Klaus Bodenstein
Читать онлайн.Название Zen und die Kunst des Bügelns
Год выпуска 0
isbn 9783750235267
Автор произведения Klaus Bodenstein
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
»Tatsächlich.« Das hatte unterkühlt geklungen. Nahm sie ihn nicht ernst?
»Ja. Du nimmst sie auch zu dir, Waschen bringt nichts. Pseudomonas ist normalerweise völlig ungefährlich für Menschen. Die gehen ab zweiunddreißig Grad nach einiger Zeit ein.«
»Ja. Das weiß ich doch alles. Ich verstehe bloß nicht, worauf du hinauswillst.«
»Du arbeitest doch an RNA-Schnipseln, die den weiblichen Zyklus steuern.«
Charlotte zog die Stirn in Falten und spitzte den Mund. Ihre hübschen Grübchen verschwanden. »Und du möchtest diese RNA in deine Bakterien einbauen und damit verbreiten. Aber haben die nicht ein viel zu einfaches Erbgut?«
»Nee, gar nicht. Über sechs Millionen Basenpaare, glaub ich. Aber die Chromosomen der Bakterien lassen wir mal außen vor. Wir bauen deine Mikro-RNA in die Plasmide ein, das E-Mail-System der Bakterien.«
»So was hab ich schon gemacht, zur künstlichen Insulin-Erzeugung«, erinnerte sich Charlotte. »Leicht. Dauert mit CRISPR und anderen neuen Technologien keine halbe Stunde. Aber was bekommst du dann? Ein Bakterium, das keinen menschlichen weiblichen Zyklus bekommt. Pech fürs Bakterium. Das eingeht, wenn es länger auf der Haut oder im Magen verbleibt.«
»Ach so.« Jetzt sah Benjamin etwas dämlich aus seiner schlecht gebügelten Wäsche.
Die Kellnerin kam mit dem Besteck. Charlotte bekam mehr als er. Vermutlich hatte sie ein komplettes Menü bestellt.
»Wir haben diese genetischen Instruktionen aber schon mal an die Frau gebracht«, fuhr er fort, als die Kellnerin verschwunden war. »Jetzt brauchen wir nur noch eine Stafette ins weibliche Genom.«
»Das müssten die Frauen aber auch an ihre Kinder vererben«, überlegte Charlotte laut. »Dann müsste das auch in die Eizellen übertragen werden.«
»Warum eigentlich?« Benjamin lehnt sich vor und stützte sich mit den Ellbogen auf dem Tisch ab. Charlotte runzelte kaum merklich die Stirn. »Wenn Pseudomonas weiter vorhanden ist, muss das nicht vererbt werden. Und wir wollen die Menschheit ja nicht aussterben lassen, nur die übergroße Zahl friedlich auf ein vernünftiges Maß reduzieren. Wenn ich diese hypothetische Überlegung weiterführe, auch wenn das alles totaler Quatsch ist.«
»Das mit dem Quatsch musst du mir gleich noch erklären, immer eins auf einmal.« Charlotte wirkte gelangweilt. »Spielen wir das mal durch. Bakterien ändern sich innerhalb kürzester Zeit. Wenn ihnen diese Gen-Schnipsel nichts nutzen, geht das extrem schnell wieder verloren. Innerhalb von Tagen.«
»Da hast du recht.« Benjamin überlegte. »Man müsste den Bakterien einen Bonus geben, damit sie das behalten. Mit etwas kombinieren, das von Vorteil für ihre Verbreitung ist. Für ihre Ernährung. Für ihr eigenes Überleben.«
Die Kellnerin brachte den Aperitif, den er bestellt hatte. Swanenfogel Royal, Sekt mit Hibiskussaft und einer Hibiskusblüte darin. Benjamin fand den Anblick der treibenden Blüte sehr erotisch und hoffte insgeheim, dass Charlotte das ähnlich sah. Sie stießen miteinander an und blickten sich dabei in die Augen.
»Was hat das Glatt-Streicheln der Wäsche eigentlich mit Zen zu tun?«, fragte er unvermittelt.
Charlotte lachte. »Nix. Das war immer noch zum Warmwerden. Mehr die erotische Komponente des Bügelns, hast du ja bemerkt.« Sie sah ihn leicht spöttisch an. »Zum Zen-Teil kommen wir erst, wenn du nicht mehr danach fragst.« Benjamin sah sie fragend an.
»Das kommt irgendwann aus dir selbst, wenn du nicht mehr danach suchst. Das kann man nicht lehren oder lernen. Du wirst schon sehen. Eine Garantie kann ich dir nicht geben, das weißt du.«
»Na gut, schon okay.« Benjamin kam auf sein anderes Thema zurück. »Gensequenzen irgendwo einzubauen wäre ein Kinderspiel. Wir bräuchten ein Taxi.«
»Was, willst du etwa schon nach Haus? Das schaffen wir locker zu Fuß«, neckte sie ihn. »Wenn du ein Gen-Taxi meinst, kannst du Adenoviren oder was anderes nehmen, steht auch reichlich zur Verfügung. Über die Technik brauchst du dir keine Sorgen zu machen, das ist doch heute ein Kinderspiel. Eher über die Ethik.«
Benjamin legte den Kopf zurück und sah zur nackten Decke mit ihren vielen Rohrleitungen und den Lampen dazwischen. »Gut, dass du das sagst, Charlie.« Er lehnte sich zurück und sah ihr in die hellblauen Augen, die ihn aufmerksam prüften.
»Wenn ich was gelernt habe, in meinem Sabbatical, meine ich, dann das. Statt zu handeln, einzugreifen, sollten wir Dinge lieber lassen, in Ruhe lassen, sich selbst entwickeln lassen.« Er lehnte sich im Stuhl zurück.
»Was nötig wäre für die Menschheit, wäre weniger statt mehr, Lassen anstelle von Handeln, Schrumpfen statt Wachsen. Eigentlich möchte ich selbst der Letzte sein, der Prometheus spielen und die Welt verändern will. Das haben wir zur Genüge getan, und was ist das Ergebnis? Artensterben, Klimakatastrophe, Kriege und Hunger.«
Charlotte sagte nichts.
»Wir dürfen also gar nichts tun«, schob er nach. »Nur dann können wir etwas verändern. Durch Nicht-Handeln.«
Sie sah ihn weiter an, ohne zu blinzeln, sagte diesmal aber etwas.
»Wovon lebst du eigentlich, Zen?«
»Jobs und Projekte am Institut. Förderungen von der EU dafür. Gegenwärtig arbeite ich an einem Projekt für die Reduzierung des Methan-Anfalls bei der Viehzucht.«
»Siehst du?«, fragte sie. »Du würdest verhungern, wenn du als kleines Schräubchen aus dem Apparat aussteigst, und niemand würde es bemerken. Ein anderes Schräubchen wäre schnell gefunden. Was der Zauberlehrling angefangen hat, muss er weitermachen, das ist unser Fluch, Zen. Wenn kein Meister kommt und uns den Besen wegnimmt, bleibt alles beim Alten. Du kannst das nicht stoppen, wenn du dich einfach nur verweigerst. Ich hoffe, das ist dir klar, mein Lieber. Denn den Meister gibt es leider nicht.«
»Vielleicht doch. Das ist schwierig, lass uns da ein andermal drüber reden, Charlie«, schlug er vor. »Ich möchte diese blöde Idee weiter in Gedanken durchspielen, mehr nicht.«
Die Bedienung kam mit dem Wein, einem Barolo von 2006 für siebenundvierzig Euro, den sie ausgesucht hatte. Benjamin hatte fast ein schlechtes Gewissen. Den konnte er sich eigentlich nicht leisten.
Er nahm das Glas auf und probierte. Der Wein war sehr gut. Benjamin nickte der Kellnerin zu. Die sagte nichts, schenkte erst Charlotte ein und dann ihm. Sie zog wortlos davon, nachdem sie die Flasche laut auf den Tisch geknallt hatte.
»Bisschen muffig, die Kleine, was?«, bemerkte Benjamin.
»Hat vermutlich ihre Tage«, mutmaßte Charlotte, der Kellnerin nachsehend. »Vielleicht können wir ihr ja helfen, das loszuwerden.«
»Rein theoretisch.«
»Genau. Theoretisch könnten wir der Menschheit die Lust am Kinderkriegen nehmen, Zen, aber rein praktisch kommt da hinten meine Suppe«, sagte Charlotte. »Und das hat jetzt Vorrang. Zum Wohl, mein Lieber!« Sie hielt ihm ihr Glas hin, er hob seines, beide nahmen einen Schluck und sahen sich in die Augen. Wenn man das nicht tat, gab es sieben Jahre lang schlechten Sex, wie beide wussten.
Charlotte rieb sich die Hände und freute sich wie ein Kind. »Jetzt essen wir erst mal was!«
Benjamin hatte keine Vorspeise bestellt. Er sah Charlotte zu. Wie sie strahlte, von innen heraus, wie sie beim Essen und Freuen leicht in den Schultern hüpfte, wie ihr Busen vibrierte, wie sie beim Sprechen mit den Händen flatterte. Eine fantastische Frau. Er seufzte.
Da ging er hin,