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Zen und die Kunst des Bügelns. Klaus Bodenstein
Читать онлайн.Название Zen und die Kunst des Bügelns
Год выпуска 0
isbn 9783750235267
Автор произведения Klaus Bodenstein
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
»Andere Strategien.«
»Ja. Aber die sind an die Umwelt angepasst. Das Erstaunliche dabei ist, dass die Gene dafür fast identisch sind, ob Mensch oder Schwein, Schmetterling oder Alge. Wir gehen alle nur unterschiedlich mit unseren Programmen um, und die Arbeitstiere in den Zellen, die vielen verschiedenen RNAs, entscheiden, was sie dazu an- oder abstellen müssen. Das ist so unendlich viel dynamischer, als wir bisher alle dachten.«
»Epigenetisch, über Methylgruppen.« Benjamin hatte darüber gerade etwas gelesen.
»Ja. Unter anderem.«
»Du könntest also die menschliche Periode später eintreten lassen, weniger oft auftreten lassen, und früher enden lassen. Oder sie komplett abschalten. Die Menschen würden später und weniger Kinder bekommen. Oder gar keine. Rein hypothetisch.«
»Rein hypothetisch.«
»Aber wie soll das funktionieren? Die Natur würde das sofort wieder korrigieren. Sie lässt so etwas nicht zu. Unser komplettes genetisches Programm steht dagegen. Es gibt doch bestimmt jede Menge andere Programmteile, die sicherstellen, dass wir uns optimal vermehren.«
»Vermutlich. Aber ich wüsste auch gar nicht, wie ich das anstellen sollte. Bei einer einzelnen Schimpansin vielleicht. Bei einer einzigen Patientin, die ich dazu genau studieren müsste. Da ginge das. Aber im größeren Stil vermutlich eher nicht. Das wäre völlig abwegig. Wir können der Natur doch nicht ins Handwerk pfuschen.«
»Machen wir doch jeden Tag. Wir rotten die komplette Natur um uns herum aus.«
»Na ja.« Charlotte war sich nicht so sicher. »Aber wenn das rein theoretisch tatsächlich ginge, dann wäre nicht nur die Möglichkeit zu Fortpflanzung, sondern bald auch der Trieb weg. Wie in deinem letzten Jahr, Zen. Kaum Sexualhormone, keine Lust. Keine sexuellen Glücksgefühle mehr, keine Erotik. Ein anderes Leben, ein graues Leben. Würdest du das wirklich wollen?«
»Also ich jetzt gerade nicht«, kam es spontan aus Benjamin heraus. Er hatte Lust, Lust auf mehr. Das war es doch, oder nicht? So einer reizenden und gut riechenden Frau im Dämmerlicht gegenüber zu sitzen, einer hinreißenden Frau, mit ihrem erregenden und irritierenden Körper, mit diesem Chrysanthemen-Zimt-Brausepulver-Duft, der in Wellen zu ihm herüber waberte, mit diesem physikalisch fast unmöglichen Busen, diesem süßen Wackelpudding, darauf sollte er verzichten?
Charlotte schlug gerade betont langsam ihre langen Beine übereinander. Nee. Nie im Leben. Auch wenn er kurze Zeit vorher noch ganz anders gedacht und gefühlt hatte.
Kampflos wollte er seine früheren Argumente dennoch nicht aufgeben. »Für mich war das wundervoll. Nicht grau. Bunt, so bunt wie alle Blumen in der Natur zusammen. Die Befreiung von dieser ständigen sexuellen Not war für mich eine Art Glückseligkeit. Ist sie irgendwie noch. Das schwächt sich über die Zeit leider ab. Oder Gott sei Dank, da bin ich mir nicht so sicher, Charlie.«
»Das würde dann allen Männchen so gehen. Ohne Östrus kommen die nicht in Gang. Das ist bekannt. Wenn die Hündin nicht heiß ist, sind auch dem Rüden andere Dinge wichtiger.«
»Hm.« Hatte sie gerade Männchen gesagt?
»Doch. Sprache, Verhalten, Gebärden, das alles verändert sich, ob du's merkst oder nicht. Das geht automatisch. Die Gene haben das voll im Griff.«
»Ich denke schon, dass ich das merke,«, grinste Benjamin. Charlotte lachte. Das war offensichtlich, so wie er sie anschaute. Charlotte fuhr in ihrer Überlegung fort.
»Selbst wenn das funktionieren würde, das kann man nie auf globaler Basis hinkriegen. Bei ein paar Frauen vielleicht. Aber wenn nur einige wenige diese veränderten Gene oder die richtige RNA hätten, würde es doch wahnsinnig viele Generationen brauchen, bis sich das ausgebreitet hätte.« Charlotte zog eine nachdenkliche Schnute.
»Nee. Das würde überhaupt nicht klappen.« Benjamin beugte sich etwas vor, ihrem Duft folgend. »Die wären den normalen Frauen gegenüber im Nachteil. Die würden sich nicht vermehren, oder nicht so früh und so oft wie andere. Großer evolutionärer Nachteil. So eine Mutation würde sofort wieder aussterben. Keine Chance.«
»Siehst du«, pflichtete sie ihm bei. »Du hast recht. Entweder alle oder keine. Und das kann nicht funktionieren. Wir wollen uns ja schließlich nicht selbst ausrotten.«
Benjamin lehnte sich in seinem Sessel zurück, streckte die Arme nach hinten und die Beine weit von sich. Eigentlich hätte er Charlotte jetzt gern an sich gezogen und sie geküsst. Und umarmt. Und womöglich langsam ausgezogen. Aber sie hatte ihm keine Zeichen gegeben. Von selbst mochte er nicht initiativ werden.
Ob er schon wieder so weit war, wusste er auch nicht.
»Gott, nee. Nicht wirklich. Aber ein geordneter Rückzug aus der Natur, um sie zu erhalten, das wäre schon okay«, fand er. »Nur noch ein Kind, mit dreißig, fünfunddreißig. Zwei erst wieder, wenn die Weltbevölkerung auf eine Milliarde oder weniger zurückgegangen ist. Eine sinkende Tendenz. Wir sind ja eine langlebige Art. Vielleicht sollten nur wenige Frauen überhaupt noch Kinder bekommen.«
Er musterte ihr im Halbdunkel liegendes, geheimnisvoll wirkendes Gesicht, merkte aber, wie sein Blick sich automatisch auf ihre Brust und ihre Hüften senkte. »Ist doch bei vielen Arten so. Ameisen und Bienen zum Beispiel. Oder Wölfe. Nur das Alphamännchen und das Alphaweibchen paaren sich.«
Er sah ihr direkt in die Augen.
»Und du wärst dann das Alphamännchen, was?«, neckte sie ihn. Benjamin wurde schon wieder rot. Charlotte bemerkte es und überspielte die Situation.
»Weißt du was? Ich habe jetzt Hunger«, sagte sie, und stellte ihren Tee auf den Tisch. »Trink aus. Komm!« Sie stand auf, reichte ihm die Hand und zog ihn aus seinem Sessel. »Wir zwei gehen ins Alfredo, was essen. Ich möchte jedenfalls nicht aussterben!«
Da reden wir beim Essen drüber
Das Alfredo hatte geschlossen. Kurze Zeit später saßen Charlotte und Benjamin stattdessen in der Junkernschänke, sahen aneinander vorbei und studierten die Speisekarte. Dem introvertierten Zen erschien dieses erste Essen miteinander wie ein Date; ihr war eher das Lokal peinlich.
Benjamin spürte ihre Präsenz überdeutlich, auch wenn er nicht hinsah. Schließlich bestellte er sich ein Curry, und während Charlotte sich etwas aussuchte, suchte er vergeblich nach einem unverfänglicheren Thema.
»Mir ist etwas eingefallen«, sagte er schließlich, als die lustlos wirkende Kellnerin gegangen war. »Es müssten doch alle, also wirklich alle Frauen ihre Periode verlieren oder verkürzen, wenn das klappen soll. Mit einer künstlich herbeigeführten Absenkung der Fruchtbarkeit beim Menschen.«
Charlotte sah ihn interessiert an und nickte unmerklich. »Ich sage dir gleich noch was dazu.«
»Ich kenne den idealen Vektor dafür«, sagte Benjamin leise. Es saß zwar niemand in der direkten Nähe, aber er hatte sich schon oft dabei erwischt, dass er viel zu laut sprach, wenn er aufgeregt war. »Du warst doch bestimmt schon oft Ski laufen, oder?«
»Leider nicht.« Charlotte schüttelte unbehaglich den Kopf.
»Aber du hast schon von diesen künstlichen Schneekanonen gehört.«
Sie nickte.
»Die verwenden dabei eine Bakterienart, die kaltes Wasser bei ein paar Grad über null auskristallisieren lässt. Wenn es eigentlich noch zu warm für Schnee ist.« Benjamin vergewisserte sich, dass Charlotte ihm zuhörte. Wie entspannt sie aussah!
»Wenn Pseudomonas, das sind die Bakterien, die ich meine, in der Luft schweben, kristallisiert das kalte Wasser schon bei zwei Grad plus aus, es bilden sich Tröpfchen, Wasserdampf, Wolken.«
»Pseudomonas? Wie kommen die in die Luft?«, wollte sie wissen.
»Pseudomonas syringae. Tja, wie kommen die in die Luft? Man hat das anfangs wegen