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War eine Lösung denn so schwer?

       Wäre es denn nicht gut gewesen,

       dieses so unschuldige Wesen

       ins Elternhaus zurück zu geben,

       wo sie behütet könnte leben?

       Das wäre für das Kind fürwahr

       das Naheliegenste sogar!

      Der Hohepriester im Ornat

      bat Gott im Tempel nun um Rat.

      Als er dort kniete am Altar,

      ein Engel ihm erschienen war.

      Der sprach zu Zacharias dann:

      »Für einen künft’gen Ehemann,

      rufe die Witwer hier zusammen,

      welche vom Blute Davids stammen.«

      »Ein jeder soll vor allen Dingen

      seinen eigenen Stab mitbringen!

      Wo Gott ein Zeichen gibt darein,

      des' Weib soll dann Maria sein!«

      Da man durch Gott die Lösung fand,

      ging gleich der Ruf hinaus ins Land:

      Die Witwer all', unausgenommen

      sollten nun hin zum Tempel kommen.

       Ist der Gedanke nun so dumm,

       wenn ich die Frage stell', warum

       musste die Auswahl hier allein

       auf Witwer nur beschränkt denn sein?

       Nun – man erlebt es ständig, stündlich –

       Gottes Wege sind unergründlich.

      So machten sich schon kurz darauf

      ringsum im Land die Witwer auf.

      Als alle nun beisammen waren,

      um Näheres hier zu erfahren,

      mussten sie eines Ritus wegen

      die Stäbe Zacharias geben.

      Der nahm sie an und trat allein

      mit diesen in den Tempel ein.

      Bald trat er dort wieder heraus

      und teilte alle Stäbe aus.

      Und jeder konnte deutlich sehen,

      dass nichts an ihnen war geschehen.

      Als Josef seinen Stab annahm,

      aus diesem eine Taube kam,

      welche sich unverzüglich jetzt

      auf Josefs Haupt hatte gesetzt.

      Der Priester schritt zu Josef hin,

      erklärte dieses Zeichens Sinn:

      »Der Herrgott wählte dich hier aus,

      zu führ’n die Jungfrau hier nach Haus!

      Maria, unschuldig und rein,

      kann länger nicht im Tempel sein.

      Hüte sie für ein Jahr genau,

      dann mache sie zu deiner Frau!«

      Doch Josef wehrte ab und sprach:

      »Das brächte mir nur Spott und Schmach,

      denn Söhne hab ich schon bereits;

      auch bin zu alt ich andrerseits,

      um dieses Mädchens Mann zu werden!

      So würd' ich zum Gespött auf Erden.

      Ich wär’ ein Ziel für Lästereien,

      würde ich dieses Mädchen freien!«

      Doch Priester Zacharias sprach

      zu ihm: »Nein, es ist keine Schmach,

      wenn dich der Herr bestimmt dafür!

      Denke daran und glaube mir,

      Gott duldet keine Widerreden,

      er strafte dafür bisher jeden!«

      Josef zog den Beschluss daraus

      und nahm Maria mit nach Haus.

      Als schließlich beide waren dort,

      sprach er zu ihr: »Ich muss jetzt fort,

      um meine Bauten zu vollenden

      und sie vertragsgemäß beenden.

      Gott wird dich schützen, drum sei fromm,

      bis ich zu dir dann wiederkomm'.«

      Und sie gehorchte ihm aufs Wort

      und wartete auf Josef dort.

      1 Protevangelium 8 + 9

      * * *

      Josefs Heimkehr und sein Erschrecken

      über Marias Schwangerschaft

      Als Josef dann nach einem Jahr 1

      endlich wieder zu Hause war,

      da konnte er sehr deutlich sehen,

      dass mit Maria was geschehen.

      Da sie im sechsten Monat war,

      sah man den Zustand ziemlich klar!

      Dass sie ein Kind im Leibe trug

      empfand Josef nun als Betrug!

      Er fühlte Schuld auch überdies,

      weil er sie lang alleine ließ.

      Es hatte mächtig ihn erschreckt.

      Wer hat die Jungfrau wohl befleckt?

      Enttäuscht sprach er Maria an:

      »Sprich, warum hast du das getan?

      Wurdest im Tempel doch erzogen.

      Was hat dich dazu nur bewogen?«

      Maria machte Josef klar, 2

      was zu der Zeit geschehen war:

      »Ich weiß nicht, wie’s genau geschah!

      Ein Engel stand ganz plötzlich da

      und sagte, ich sei auserkoren,

      von mir würde ein Sohn geboren!

      Ich sagte ihm, das könnt' nicht sein,

      ich ließ mit keinem Mann mich ein!

      Doch der beruhigte mich gleich

      und sprach, dass Gott vom Himmelreich

      den heil’gen Geist herab wird senden,

      der soll die Frucht im Leib mir spenden.

      Mein Kind würde in jedem Land

      später als Gottes Sohn bekannt.

      Ich staunte über das Geschehen

      und ließ es über mich ergehen.«

      Doch was Maria ihm erzählte, 3

      ihn innerlich gar heftig quälte.

      Er überlegte hin und her,

      denn dies zu glauben fiel ihm schwer.

      Ihm war bisher im ganzen Land

      ein solcher Fall noch nicht bekannt.

      Er fragte sich zudem verzagt:

      „warum hat Gott mir nichts gesagt?“

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