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für die wirklich unmenschliche Arbeit danken, mit der Sie in den letzten Wochen unsere Unternehmung unterstützt haben. Es ist nicht eine Phrase, sondern meine feste Überzeugung, dass ohne Ihre hingebungsvolle, unglaublich genaue und gleichzeitig wirklich inspirierte Mitarbeit diese ganze Aufführung in dieser Form gar nicht hätte zustande kommen können […]“

      Doch trotz dieses ersten Schrittes in die Bühnenwirklichkeit sah Hans Weigel sich in dieser Zeit als mehrfach gescheiterter „Möchtegern-Autor“: „Ich war [1933] allerdings noch immer nicht Schriftsteller, ich hatte den Beruf weiter umkreist wie ein Trabant einen Stern und mich von einer neuen Seite her einem Zugang gegenüber gesehen; doch der Bühneneingang des Theater schloss sich wieder.“30

      Nicht umsonst bezeichnete er sich an anderer Stelle als „Spätblüher“. Viel hatte er bisher nicht geschrieben, doch erinnerte er sich später an seine erste Kritik für irgendeine „obskure Tageszeitung“, die er für eine an ihn weitergegebene Freikarte fürs Volkstheater zu schreiben hatte. Es war eine sehr positive Besprechung gewesen, worauf er im Nachhinein stolz war, da er zu einem damals völlig unbekannten französischen Autor gestanden hatte, der später berühmt werden sollte: Es war Marcel Pagnol, das Stück hieß Marius.

      Aus Paris war er immerhin mit einer Talentprobe, dem Libretto zu seiner satirischen Oper Zweibettzimmer, zurückgekehrt, das ein Freund vertonen sollte, was aber nie geschah. Auch das Verschicken des Librettos an verschiedene Kunstschaffende blieb ohne Reaktionen. Die Jahre 1932 und 1933 empfand Weigel also als Jahre „der vergeblichen Versuche und der Ratlosigkeit“31. 1932 versuchte er anlässlich einer weiteren Reise nach Berlin noch einmal „vergeblich“ in der von ihm so sehr geschätzten Stadt Fuß zu fassen. Die Ausgangssituation in seinem posthum veröffentlichten Roman Niemandsland, den er am Beginn seiner Emigrationszeit 1938 geschrieben hatte, zeigt hier eine gewisse Parallele auf: Dem Wiener Protagonisten Peter ist dieses Fußfassen in Deutschland als Regisseur an einem Theater geglückt, nach der Machtübergabe an Hitler muss er aber als Jude Deutschland verlassen. Weigel hatte in dieser Zeit ernsthaft daran gedacht, sein Glück in Deutschland zu finden, wie dies vielen Österreichern in der Zwischenkriegszeit bis 1933 möglich war. Auch war er in dieser Zeit „ein politischer Ignorant, verschwommen links, weil man damals als vernünftiger österreichischer Vierundzwanzigjähriger wirklich nicht anders konnte“.32 Und mehr oder weniger links blieb er sein ganzes Leben eingestellt, ohne sich jedoch je vor den Karren der Parteipolitik spannen zu lassen.

      Anfang der 1930er-Jahre wurde Hans Weigel bei Gründungen literarischer Kabaretts zur Mitarbeit aufgefordert – er sagte mehrmals zu und hörte dann nichts mehr davon. Die Wiener Kleinkunst hatte bereits etwas früher zu wachsen begonnen: Schon 1926 war von Studenten, Mittelschülern und Arbeiterjugendlichen ein (sozialdemokratisches) politisches Kabarett gegründet worden, bei dem Viktor Grünbaum (der später als Victor Gruen bekannt gewordene Architekt) und Jura Soyfer mitagierten, der um vier Jahre jünger als Hans Weigel war. Seit 1927 gab es im Porrhaus das „Jüdisch-Politische Cabaret“ und 1932 wurden verschiedene Arbeiter- und Bauerntheatergruppen zu den „Roten Spielern“ zusammengeschlossen. Die „Blaue-Blusen“-Gruppen warben mit satirischen Liedern und Rezitationen für die Sozialdemokratische Arbeiterpartei, mit den „Roten Spielern“ waren es insgesamt acht Gruppen, die in vierzig Orten in der Umgebung von Wien unter anderem auch Werke von Bertolt Brecht, Ernst Toller, Jura Soyfer und Erich Kästner darboten.

      Aus einem bunten, animierten Abend des „Bund junger Autoren Österreichs“, bei dem Harald Peter Gutherz, Hans Horwitz und Rudolf Spitz mitwirkten und den Hans Weigel als Zuschauer verfolgte, entstand – nach Weigels Aussagen – die Idee, „die Kleinkunstbühne ‚Literatur am Naschmarkt‘ zu gründen. Horwitz, Spitz und ich [waren befreundet und] sollten mitwirken“.1 Nach Aussage von Rudolf Weys, Mitbegründer und Hausautor der „Literatur am Naschmarkt“ und hauptberuflich als Prokurist der Buchhandlung Rudolf Heger in der Wollzeile tätig, wollte er selbst schon im Sommer 1932 im Café Dobner an der Linken Wienzeile eine Kleinkunstbühne gründen. Aufgrund künstlerisch und politisch divergenter Meinungen mit seinem Mitstreiter Lothar Metzl kam es jedoch vorerst zu keiner Eröffnung. Im Frühjahr 1933 war es der ungarische Journalist F. W. Stein, der Weys vorschlug, mit ihm gemeinsam ein Kabarett im Café Dobner unter dem Mantel des Vereins „Bund junger Autoren Österreichs“ ins Leben zu rufen, nachdem es bereits die „überaus restlos radikal kabarettistische“ Kleinkunstbühne „Der liebe Augustin“ gab. Diese war von Stella Kadmon im Keller des Café Prückel mit dem genialen Conférencier und Hausdichter Peter Hammerschlag, dem Poeten der ersten Stunde, sowie dem Hauskomponisten Franz Eugen Klein gegründet worden. „Der liebe Augustin“ hatte den Beweis erbracht, dass im Keller eines Cafés mit Tischen und Bedienung Kabarett gespielt werden konnte.

      Hans Weigel erinnerte sich später: „Als der ‚Liebe Augustin‘ noch ganz klein war, wurde von mir manches zum erstenmal aufgeführt, ein Sketsch [Die göttliche Dolores] zunächst, dann noch einer, dann andere, ohne viel Gewicht; einmal sprang ich auch, vor knapp zwanzig Gästen, als Conférencier ein, aber es war das Gegenteil eines Durchbruchs.“2 Denn um überhaupt irgendetwas zu erarbeiten, hatte Weigel sich hoffnungsvoll auf das Ausdenken und Schreiben kabarettistischer Texte verlegt.

      Doch fuhr er bald nach diesem bunten Abend im Jahr 1933 mit seinen Eltern in die Sommerfrische an den Millstätter See, wo ihn die Nachricht erreichte, dass Horwitz und Spitz sich mit dem Bund junger Autoren zerstritten hatten und ihr eigenes Kabarett, „Die Stachelbeere“, im Garten des Café Döblingerhof im 19. Wiener Gemeindebezirk (Billrothstraße 49) eröffnen wollten. Weigel selbst war nicht vom ersten „garantiert straffreien, girlfreien, und jargonfreien“ Programm an mit dabei, doch hatte er vor seiner Sommerreise Rudolf Spitz Texte übergeben. Den Sketch Gespräch im Jahre 1983 (!) übernahm Spitz als letztes Stück vor der Pause in das Eröffnungsprogramm.

      Hans Weigel intensivierte die Freundschaft mit Hans Horwitz – Musiker, wie viele seiner Freunde in dieser Zeit – nach seiner Rückkehr aus der Sommerfrische: „[…] so fand [für ihn] zum erstenmal das statt, was Zusammenarbeit heisst und was gerade mit ihm so köstlich war. Er sass am Klavier, ich stand in der Klavierbeuge, Auge in Auge mit ihm, mein Schreibzeug vor mir auf dem Klavierdeckel. Wir liessen gemeinsam Text und Musik entstehen.“3 Weigel wurde vom vierten bis zum sechsten Programm ständiger und emsiger Texter der „Stachelbeere“, das als ein besonderes, weil aus der Musik geborenes Kabarett angesehen werden konnte.

      Schon beim bunten Abend des Bundes junger Autoren war die Vermischung ganz unterschiedlicher Musikstücke, wie etwa des damals sehr populären Schlagers Gruß und Kuss, Veronika mit einer Melodie aus Richard Wagners Tannhäuser, zur eigenen Musiknummer spontan entstanden. Sie wurde für die Programme der „Stachelbeere“ vervollkommnet. So entstanden später Veronika im Venusberg oder das Tonstück Eine Minute Frühlingsstimmen an der schönen blauen Donau.

      In ihren zeitkritischen Programmen thematisierten die jungen Mitglieder satirisch Psychoanalyse, Opernpathos, Sportfimmel, die aktuelle politische Situation und die anhaltende Arbeitslosigkeit in Wien, wobei viel improvisiert wurde.

      Hans Horwitz – er wurde als der musikalische Satiriker angesehen – fungierte als Hauskomponist, neben ihm spielte Heinrich Krips, Bruder des bekannten Dirigenten Josef Krips, Klavier. Rudolf Spitz schrieb Beiträge, spielte und übernahm die Conférence und der arbeitslose Buchdrucker Josef Pechacek trug seine Songs und Arbeiterlieder selbst vor. Hilde Sykora fungierte als Tänzerin des kleinen Ensembles, in dem auch Grete Spohn und Elise Springer auftraten. In einer Kritik der Arbeiter-Zeitung vom 8. Oktober 1933 hieß es: „Die jungen Leute sind mit viel Ernst und Spielfreude bei der Sache; sie brauchen jedoch einen Regisseur, der die Texte zufeilt und die schauspielerischen Uebertreibungen abschafft.“

      Am 3. November 1933, also kurz nach der „Stachelbeere“, wurde „Literatur am Naschmarkt“ im Café Dobner eröffnet: mit Texten von Rudolf Weys und Harald Peter Gutherz als Mittelding zwischen literarischem Theater und leicht satirischem Brettl, weitgehend liberal, ohne linke Schlagseite, pro-österreichisch, aber gegen die Diktatur. Schon bald erhielt dieses wohl erfolgreichste Kabarett, das bis März 1938 22 Programme herausbrachte, scherzhaft

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