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Sketch spielte Hilde Krahl Paula Wessely. Ein für Weigel wichtiger Sketch, nicht zuletzt weil sein Vorbild Alfred Polgar darüber im Prager Tagblatt anerkannte: „Dass es gescheite und witzige Leute sind, die hier Kabarett machen, zeigen sie dann noch in einer Parodie, die dem Film ‚Episode‘ gilt und in der endlich einmal so lustig wie deutlich ausgesprochen wird, wie Menschen von Geschmack und künstlerischem Anspruch über dieses hochgepriesene Filmwerk denken.“9

      Als schärfstes der Wiener Kabaretts der Zwischenkriegszeit galt das „ABC“ (Alsergrund, Brettl, City), das mit seinem ersten Programm Alles schon dagewesen im März 1934 im Café City im 9. Bezirk (Porzellangasse 1) eröffnete. Im Juni 1935 übersiedelte das „ABC“ in die Räume des Kabaretts Regenbogen im Café Arkaden (dem heutigen Café Votiv, Wien I., Universitätsstraße 3), bezeichnet als „ABC im Regenbogen“. Regisseure waren Leo Aschkenasy, Karl Forest und Herbert Berghof. Auch hierfür stellte Weigel ebenso Texte zur Verfügung wie Peter Hammerschlag, Jura Soyfer, Gerhard Hermann Mostar und Fritz Eckhardt, der wie Aschkenasy neben anderen als Schauspieler auftrat. Viele von ihnen sollten in den Nachkriegsjahren bekannte und geschätzte Schauspieler werden, etwa Cissy Kraner, Robert Lindner, Josef Meinrad, Lilli Palmer, Peter Preses, Hans Sklenka, Willi Trebisch … Für das ABC im Regenbogen schrieben Weigel und Soyfer unter den Pseudonymen Julius Hansen und Walter West gemeinsam den Einakter Brand im Opernhaus, in dem die Nachricht, dass die Wiener Staatsoper abgebrannt sei, durch telefonische Interventionen in der Redaktion immer mehr verharmlost wird, bis zum Schluss nur mehr „Brandgeruch am Opernring“ übrig bleibt. Josef Meinrad spielte die Rolle des Lokalredakteurs.

      Viele dieser Kleinkunststücke gingen vom Blödeln über ein Thema aus. Weigel erklärte das 1981 in Gerichtstag vor 49 Leuten, seinem Buch über die Wiener Kleinkunst dieser Jahre, so: „Mir war das in Österreich rare Kunststück gelungen, aus einem Witzbold, einem, der gerne Späße macht, der Freude an der Improvisation hat, einer zu werden, der dies alles aus dem Nebenbei ins Zentrum geholt hat, der dies sozusagen von Beruf aus betreibt. Ich konnte nun einigermaßen Dialoge schreiben, Chansons verfertigen, ich war ehrgeizig und dürstete nach Bestätigung.“10 Doch kam auch die politische Auseinandersetzung nicht zu kurz: Man suchte und fand stets neue Umwege zur oppositionellen Kritik an den österreichischen Zuständen und nahm immer wieder gegen das Deutsche Reich Stellung. Da dies im Wien der Dreißigerjahre Seltenheitswert hatte, wurden alle wachen, nicht konformistischen Publikumsschichten fast magnetisch angezogen. So wurden die Kleinkunstbühnen, die sich mehr erlauben durften als die Zeitungen, über Nacht zum Ventil. Und besonders die ab Februar 1934 verbotenen Sozialdemokraten fanden dort eine Art Heimstätte eines ihnen verwandten Geistes. Vor allem aber war dem echten Theater in der Literatur am Naschmarkt immer ein Platz vorbehalten. Es wurden Einakter von den Textern selbst geschrieben oder sie wurden bei bekannten Dramatikern wie Molière, Nestroy oder unter anderen auch dem Franzosen Paul Géraldy geholt.

      In diesen Jahren, also in etwa ab 1933/​34, war Hans Weigel also zu einem – wie er sich selbst nannte – „Verfertiger von Texten“, also zum Schriftsteller, aber noch nicht zum „Schriftstellereibesitzer“ geworden. Eigentlich relativ spät, wenn man bedenkt, dass der gleichaltrige Friedrich Torberg Der Schüler Gerber schon einige Jahre zuvor geschrieben hatte. Kurzgeschichten und Essays von Weigel wurden da und dort in Printmedien aufgenommen, so zum Beispiel, um einige zu nennen, der Essay Ratschlag für den Umgang mit Schriftstellern im Bayrischen Anzeiger München (2. Februar 1934) und in den Danziger Neuesten Nachrichten (12. Februar 1934). Hier schon zeigte sich, dass Weigel ein geschickter Vermarkter seiner Texte war, denn nach dem Krieg erschien derselbe Text ein weiteres Mal in der Welt am Abend (2. Mai 1947). Die Humoreske Das verstümmelte Telegramm erschien im Prager Tagblatt (31. Dezember 1933) und im Pforzheimer Anzeiger (4. Juni 1934). Zu dieser Zeit arbeitete er in Wien bereits mit einer der Internationalen Literarischen Agentur“ im Palais Schwarzenberg zusammen. Sie platzierte zum Beispiel sein Wiedersehen am Ostermontag in der Freien Stimme Klagenfurt und im Volksblatt Graz (jeweils 1. April 1934).

      Manche seiner sehr witzigen Chansons, Texte, Dialoge, Sketches sind im Nachlass von Hans Weigel erhalten, so auch die Szene Lehár kontra Goethe in Form einer Gerichtsverhandlung, die er zusammen mit Jura Soyfer verfasste: Goethe steht vor Gericht, weil er behauptet hat, die von Franz Lehár in Friederike verwendeten Texte Sah ein Knab ein Röslein stehn … und O Mädchen, mein Mädchen … stammten von ihm, seien ein Plagiat. Der „schwer vorbestrafte“ Johann Wolfgang von Goethe wird als Angeklagter vom Gerichtsvorsitzenden vernommen. Er ist „wohnhaft in Wien gegenüber dem Schillerdenkmal“, hat „seine Strafe im Salzburger Festspielhaus und im Wiener Burgtheater abgebüßt“ und wird vom Vorsitzenden verurteilt:

      Der Angeklagte Johann Wolfgang Goethe, Klassiker, wird ehrenrühriger Äusserungen gegen die größten Meister der Literatur für schuldig erkannt. Der Wahrheitsbeweis, dass die fraglichen Textstellen aus „Frederike“ von ihm seien, wird als misslungen erachtet. Der Angeklagte wird verurteilt: 1. eine alljährliche Verfilmung unter der Regie von Max Reinhardt zu erleiden, verschärft durch harte Schlager, 2. lebenslänglich dem deutschen Dichter Gerhard Hauptmann ähnlich zu sehen. Sohin ist die Causa Goethe erledigt.

      Goethe: Der Casus macht mich lachen.

      Vorsitzender: Haben Sie noch etwas zu bemerken?

      Goethe: Sagt Eurem Hauptmann: Vor eines Greises Majestät hab’ ich sonst immer schuldigen Respekt, er aber kann mich …

      Es ist allgemein bekannt, dass Krisenzeiten und besonders Diktaturen stets reichlich Stoff für Kritik bieten und dass das Kabarett in solchen Zeiten, sofern es nicht kategorisch und beinhart unterdrückt wird, zur Hochblüte wächst. Zwar gab es in diesen Jahren auch Zensoren, mehr oder weniger milde, mehr oder weniger kompromissbereite, doch man konnte sich mit ihnen einigen, auch wenn hie und da ein Text verboten wurde, wie zum Beispiel einer, in dem Göring und Goebbels auftraten und selbst Hitler in einer der Personen leicht erkannt werden konnte.

      Die Zeiten waren in Deutschland wie in Österreich nicht rosig und wurden durch die Machtübergabe an Hitlers Nationalsozialisten in Deutschland noch schlechter. In Österreich waren für Hans Weigel Engelbert Dollfuß und die Christlichsoziale Partei, die „Schwarzen“, in dieser Zeit – wie er in Das Land der Deutschen mit der Seele suchend noch 1978 betonte – „klerikal, reaktionär, undemokratisch, antirepublikanisch, vor allem eine Ansammlung von Nichtpersönlichkeiten. Jeder Politiker sei wie eine Karikatur gewesen, wie von Helmut Qualtinger dargestellt“.11

      Für Hans Weigel waren die Februarkämpfe des Jahres 1934 und das Versagen der sozialdemokratischen Führer prägend. Die Ereignisse beeinflussten seine politische Haltung auch in der Zweiten Republik ganz wesentlich. Es hatte bereits im Frühjahr 1933 begonnen: Wegen Umstrukturierungen bei der Eisenbahn kam es am 1. März 1933 zu einem Eisenbahnerstreik, der Anlass für eine dringliche Sitzung des Nationalrates am 4. März war. Unregelmäßigkeiten bei der Abstimmung und der Geschäftsordnungsdebatte führten zum Rücktritt aller drei Parlamentspräsidenten, zur Beschlussunfähigkeit des Nationalrats. Statt neue Parlamentspräsidenten wählen zu lassen, nutzte Dollfuß, sich auf ein Ermächtigungsgesetz des Jahres 1917 stützend, die Gelegenheit, nicht nur das Parlament, sondern auch den Verfassungsgerichtshof auszuschalten. Es entwickelte sich ein autoritäres, sich an ständestaatlichen und faschistischen Ideen orientierendes Herrschaftssystem, das am 10. Mai 1933 die Aussetzung aller Wahlen auf Bundes-, Landes- und Gemeindeebene verordnete und am 26. Mai die Kommunistische Partei, am 19. Juni die NSDAP und einen Tag später den Steirischen Heimatschutz auflöste. Die Landesregierungen wurden durch Regierungskommissäre abgelöst. Die sozialistische Basis forderte von ihren Führern Widerstand. Selbst nach einer Streik- und Besetzungswelle in Betrieben im September 1933 folgte kein Signal der sozialistischen Parteispitze zum Aufstand. Am 11. November 1933 wurden auf Betreiben des Justiz- und Unterrichtsministers Kurt Schuschnigg Standgerichtsverfahren mit der 1920 abgeschafften Todesstrafe wieder eingeführt.

      Anfang 1934 wurde gezielt nach Waffenlagern des verbotenen Schutzbundes gesucht: Hausdurchsuchungen und Verhaftungen von sozialdemokratischen Führern und Politikern fanden statt. Als dann am 12. Februar 1934 ein Parteilokal in Linz durchsucht werden sollte, brach der offene Aufstand aus. Doch demoralisiert durch die lange Inaktivität der Funktionäre

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