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Weys den Damen und Herren zu, die vor Jahr und Tag im Raimund Theater, wo diese unterhaltsame Revue jetzt gegeben wird, den Spielplan beherrschten. Und so kehren das Dreimäderl-Kleeblatt, Schwejk, Lunk und Mackie Messer zurück und das Publikum verzeiht ihnen nicht nur diese fröhliche Wiederkehr, sondern wird die Herrschaften gewiss noch lange festhalten. Gespielt wird diese große Sache der bekannten Kleinkunstautoren, zu der die nicht minder bekannten Hausmusiker des gleichen Genres Walter Drix und Hans Horwitz die Musik schrieben – die beiden begleiten selbst am Doppelklavier – unter der feinfühligen Regie von Josef Glücksmann ausgezeichnet. Manfred Inger sei besonders gelobt.“

      Walter Drix hieß, wie bereits erwähnt, eigentlich Herbert Zipper und Weigel bezeichnete ihn als einen seiner großen Freunde, was Zipper 1989 in einem Interview mit Thomas Trenkler für diese Zeit vor 1938 bestätigte: „Ich war viele Jahre sehr eng mit dem Hans. Ein paar Nummern, die ich mit ihm geschrieben habe, waren sehr populär: Zuletzt arbeiteten wir an einer Oper, die ich nicht fertigschreiben konnte, weil eben die Nazis gekommen sind. Und 1936 entstand für die Literatur am Naschmarkt ,Das Lied vom Krieg‘. Ich kam damals gerade von Russland zurück. Wir beide hatten fürchterliche Visionen, dass diese Dummheit, der Krieg, wieder anfangen könnte. Da hat er [Weigel] ,Das Lied vom Krieg‘ geschrieben. Das war sehr ergreifend, sehr ernst, sehr ehrlich. Und ich hab die Musik dazu geschrieben.“18

      Ein Jahr nach seinem Nestroy-Couplet in der Josefstadt wurde Hans Weigel vom Volkstheater aufgefordert, mehrere Couplet-Strophen für Nestroys Verhängnisvolle Faschingsnacht zu schreiben: Premiere war am 15. Jänner 1936 mit Vilma Degischer, Jane Tilden und Hans Thimig unter der Regie von Arthur Schnitzlers Sohn Heinrich. Außerdem schrieb er Zusatzstrophen für „Wiener Spezialitäten“ in Ralph Benatzkys Der reichste Mann der Welt (Text von Hans Müller, Uraufführungspremiere am 3. April 1936), die von Max Hansen mit großem Erfolg in Heinrich Schnitzlers Inszenierung gesungen wurden. So oft er konnte, nahm Hans Weigel an den Proben teil, wie er es bereits in den Kellern auch schon getan hatte, da ihn diese immer wieder faszinierten. „Ich gewann in diesen Jahren das, was jeder, der für das Theater schreibt, so dringend braucht und so selten bekommt: Praxis im Umgang mit einem Text auf dem Weg in die optisch-akustische Dreidimensionalität. Ich schrieb etwas und erlebte am nächsten Tag die Verwandlung des Geschriebenen in Gesprochenes und Gespieltes. Ich lernte kürzen, ändern, bearbeiten, anpassen.“19

      Im Frühjahr 1936 stellte sich auch das Akademietheater ein und wünschte Gesangstexte zum musikalischen Lustspiel Der Schneider im Schloss von Paul Armont und Léopold Marchand mit der Musik von Alexander Steinbrecher. Das Stück hatte am 10. Mai 1936 Premiere und erlebte bis Ende Jänner 1938 79 Aufführungen mit so bekannten Schauspielern wie Hermann Thimig, Maria Eis und Maria Kramer. 1943 wurde das Lustspiel mit Musik auch im Renaissance-Theater Berlin gegeben.

      Es war dann Max Hansen, der 1936 im Theater an der Wien durchsetzte, dass Weigel als Autor für die Gesangstexte von Ralph Benatzkys musikalischem Lustspiel in drei Akten, Axel an der Himmelstür (Libretto von Paul Morgan und Adolf Schütz), hinzugezogen wurde, da auch der Komponist Weigels Liedtexte zu schätzen gelernt hatte. „Ich war nicht ohne Selbstvertrauen, aber doch in heikler Lage. Ich musste mich gegen Morgan und Schütz auf Benatzky und Hansen, die ich kannte, verlassen. Finanziell war, noch immer, alles recht uneigennützig.“20 Denn für den Komponisten und die Librettisten bestanden schon Verträge, sodass Morgan und Schütz für die Liedtexte nur den minimalen Anteil von 1,5 Prozent an Weigel abzugeben willens waren. Axel an der Himmelstür war die Eröffnungspremiere der Direktion von Arthur Hellmer im Theater an der Wien, der als renommierter österreichischer Direktor aus „rassischen Gründen“ Frankfurt verlassen hatte müssen, wo er mit Max Reimann 1911 das „Neue Theater“ gegründet hatte. Ursprünglich war Liane Haid für die Hauptrolle der Gloria Mills vorgesehen, die das Projekt jedoch im letzten Moment verwarf. Im Gespräch war dafür dann sogar Greta Garbo, doch Max Hansen, der die Rolle des Axel Swift übernommen hatte, setzte sich für eine in Österreich bislang unbekannte schwedische Schauspielerin ein: Zarah Leander. Heidemarie Hatheyer erhielt die Rolle ihrer Dienerin Dinah und Manfred Inger den Ausstattungschef, um zwei weitere Namen aus der Uraufführungsbesetzung zu nennen, die auch heute noch geläufig sein dürften.

      Hellmer hatte Weigel beauftragt, die Gesangstexte mit Benatzky neu zu schreiben. Sie arbeiteten in Benatzkys Villa in Thun in der Schweiz. „Die Generalprobe von ,Axel an der Himmelstür‘ war aufregend. Nach einer Introduktion tritt die Heldin Gloria Mills auf, eine schöne, rothaarige, spröde, großgewachsene Person. Es war ein Schock. Aber bald löste sich der Schrecken, die Persönlichkeit der Zarah Leander triumphierte, und der Charme des Max Hansen tat viel dazu, daß ,Axel‘ erfolgreich war. Der Erfolg war groß, er währte bis Ende Jänner, fünf Monate. Dann kam noch eine zweite Besetzung, aber das war nur ein Abklingen.“21

      Über die Premiere am 1. September 1936 schrieben alle Zeitungen durchwegs begeistert. Es war ein glanzvoller Saisonbeginn unter der neuen Direktion. So war in Das Kleine Blatt am 4. September 1936 zu lesen: „Das Erlebnis des Abends ist Max Hansen in der Rolle des Reporters. Bei seinem ersten Auftritt ist er in Maske und Haltung kaum zu erkennen, dann als junger, gefühlvoller und hoch schüchterner Liebhaber bestrickend und von einer innerlich erwärmenden Komik. Wie wundervoll führt er seine Zauberkunststückl und den Flohzirkus vor, um die Dame zu erheitern, wie lustig macht er den [Richard] Tauber und die [Berliner Sängerin Erna] Sack nach und […] wie prachtvoll singt er seine Couplets. Die sind (nach Versen des außerordentlich geschickten Hans Weigel) von Ralph Benatzky entzückend komponiert. […] Einige Stücke sind ernst und melodiös […] andere frisch, mitreißend und lustig, […] wieder andere grotesk parodistisch. […] Die weibliche Hauptrolle gibt die Schwedin Zarah Leander, eine exotische Schönheit mit prachtvoller, warmer und tiefer Stimme und einer herben, forschenden Art, die man hier noch nie gesehen hat. Sie ist ganz originell und weiß schon in ihrer ersten Szene die Bühne zu beherrschen. […] Es war ein großer Abend des Wiener Theaters.“ Während das Welt Blatt am 3. September 1936 erwähnte, dass „Hans Weigel wirklich lustige Liedtexte beigesteuert“ habe, wird er in der Reichspost am selben Tag schon ausführlicher gelobt: „Es gibt da eine Unmenge hübscher Lieder [wie Mein schönes Fräulein, gute Nacht oder Der Dumme hat’s Glück], zu denen Hans Weigel überaus nette Texte beisteuerte. Eines davon, ‚Gebundene Hände‘, schwingt sich zu schier opernhafter Breite aus, manche wieder sind mitreißend fesch.“ Noch viele Jahre später war Hans Weigel auf diesen Erfolg stolz und freute sich, dass seine Eltern ihn miterlebt hatten. In seinem Abendbuch betonte er: „Sooft ich seither im Theater an der Wien war, muß ich zu der Loge hinaufsehen, wo bei der Premiere meine Eltern saßen. Sie freuten sich. Das tat mir wohl.“22

      Zum bekannten Lied Gebundene Hände berichtete Weigel von einem Brief Benatzkys an seinen Verleger mit der Bitte, diese Musiknummer aus dem Druck zu entfernen, da sowohl er als auch Weigel überhaupt nicht damit zufrieden waren und während des Komponierens immer wieder ohne große Freude betonten, darauf zurückkommen zu müssen. Hört man heute das Chanson, würden es viele als „Schmachtfetzen“ bezeichnen und Weigels/​Benatzkys Ansicht teilen, doch das bekannt tiefe Timbre der Zarah Leander veredelte ihn. Für sie war Axel der Durchbruch im deutschsprachigen Raum: Bei der Premiere wurde sie mehr als sechzig Mal vor den Vorhang gerufen.

      In Wien drehte sie ihren ersten deutschsprachigen Film Premiere (1937) in der Regie von Géza von Bolváry neben Karl Martell, Theo Lingen, Attila Hörbiger und Maria Bard, der zweiten Frau von Werner Krauß. Dafür wollte sie auch den von Berlin nach Wien zurückgekehrten Schauspieler und Regisseur Peter Ihle (er nannte sich später Peter Illing), einen Freund Hans Weigels, der die Mittlerrolle gespielt hatte, engagieren, um mit ihr im Atelier die deutschen Dialoge zu erarbeiten. Da die österreichischen Filme nach Deutschland exportiert wurden, war man in Österreich mit vorauseilendem Gehorsam darauf bedacht, dass die Mitwirkenden den Nürnberger Rassengesetzen entsprachen: Ihle wurde mit Nachdruck veranlasst, das Atelier zu verlassen. Also war, so Weigel, damals schon „alles ‚Österreichische‘ dem ‚Dritten Reich‘ verpflichtet gewesen, und die ganze Sippe der Patrioten wie Willi Forst, Karl Hartl und Konsorten spielten mit. Was für eine erbärmliche Schande!“23 Mitte der 1950er-Jahre produzierte der Österreichische Rundfunk Axel wieder mit Zarah Leander als Gloria Mills und so manch bekannten Lieblingsschauspielern der Wiener Bühnen, wie

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