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... wo ist der Unterschied?

      Auf meine Bitte hat der Kabbalist meine Seele in die seine gezogen. Ich bat ihn, er solle meine Seele entrücken; er hat es verweigert, hat gesagt, sie bräche zusammen, wenn er es täte. Sie müsse sich an die seinige klammern, die jenseitig geworden ist vom Leib der irdischen Welt. – Oh, wie habe ich bei diesen Worten denken müssen an den Silbernen Schuh des Bartlett Green! Dann hat der Rabbi Löw mir das Knöchlein an meinem Schlüsselbein berührt, so wie damals der Straßenräuber im Gefängnis des Tower. – Und dann sehe ich – sehe mit den tränenlosen, ruhevollen, unerschütterlichen Augen des alten Rabbis: mein Weib Jane kniet vor Kelley in der Stube, drüben im Haus am Ring. Sie ringt mit ihm um mein Glück, wie sie meint: um Gold und um den Engel. – Kelley will sich das Buch und die Kugeln aus meiner Truhe mit der Brechstange holen, weil die Schlüssel, ihm unzugänglich, in meinem Verwahr sind. Er will bei Nacht und Nebel mit seinem Raub aus Prag fort, will uns sitzen lassen in Not und Elend. Jane schützt mit ihrem Leib die Truhe. Sie verhandelt mit dem Schurken. Sie fleht, sie weiß nicht, was sie tut.

      Ich ... lächle!

      Kelley macht Einwendungen jeder Art. Rohe Drohung wechselt mit listigem Überlegen und kaltes Pläneschmieden mit geheucheltem Erbarmen. Er stellt Bedingungen. Jane sagt zu allem ja. Immer gierigere Blicke streifen mein Weib. Wie Jane vor ihm kniet, reißt das Tuch über ihrer Brust. Kelley wehrt ihrer ordnenden Hand. Er schaut hinab zu ihr. Feuer beschlägt ihm den Kopf.

      Ich ... lächle.

      Kelley hebt Jane empor. Die Griffe seiner Hände sind lüstern, schamlos. Jane macht ihm schwache Vorhaltungen: die Angst um mich nimmt ihr jeden Mut.

      Ich ... lächle.

      Kelley lässt sich überreden. Er macht alles Künftige von den Befehlen des Grünen Engels abhängig. Er lässt Jane schwören, dass sie – gleich ihm – Gehorsam, Gehorsam leisten wolle bis zum Tod und über den Tod hinaus dem Gebot des Engels, wie immer es auch lauten möge. Nur so, droht er, sei noch Rettung. – Jane schwört. Angst färbt ihr Gesicht totenblass.

      Ich ... lächle; aber ein feiner spitziger Schmerz wie von einem haarscharfen Schächtmesser durchschneidet mir, ich fühle es, die Lebensader. Es ist fast wie Todeskitzel ...

      Dann sehe ich wieder vor mir, als schwebe es frei in der Luft, das uralte, von Furchen durchpflügte, seltsam winzige Kindergesicht des hohen Rabbi Löw. Er sagt:

      „Isaak, das Messer Gottes ist dir an die Kehle gesetzt. Aber im Dornbusch zappelt das stellvertretende Lamm. Wenn du einst ein Opfer annimmst, sei gnädig wie ‘Er’; sei barmherzig wie der Gott meiner Väter.“

      Dunkelheit gleitet an mir vorüber wie ein Heer von blinden Nächten, und ich fühle die Erinnerung an das, was ich gesehen mit den Augen der Seele des Rabbis, verblassen und verschwinden. Es rührt mich an, als sei’s ein böser Traum gewesen.

      Gustav Meyrink: Der Engel vom westlichen Fenster

       (Die erste Schau im magischen Spiegel)

      1. John Dee (Das Bild des Ich)

      Die erste Karte zeigt das aus seiner inneren Mitte heraus handelnde Ich, das sich in seinen eigenen Handlungen wahrnimmt und konstituiert.

      2. Jane (Das Bild des Du)

      3. Edward Kelly (Das Bild des Es)

      Hier begegnest du dem Schatten oder deinem schwarzen inneren Gespenst, das du nicht gern in dir selbst wahrhaben willst. Nur Menschen, die ihrem eigenen Schatten schon begegnet sind, fühlen sich in der Nähe des Teufels geborgen. Er verkörpert ein Stück Wahrheit, das in der Tiefe unserer Instinktnatur verwurzelt ist.

      4. Rabbi Löw (Das Bild des Über-Ichs)

      Die vierte Karte entspricht dem unerschütterlichen Streben nach Befreiung von triebhaften Zwängen. Es lässt dich unentwegt nach jener reinen Form von Liebe suchen, die letztlich nur im Göttlichen zu finden ist. Diese Karte zeigt dir gleichzeitig die Maske, hinter der sich deine verdrängten Triebe und Instinkte verbergen. Es ist das bewusste Selbst, das hinter der Maske des „Übervaters“ den Bösen (Karte 3) bekämpft, den er zuerst ins Unrecht setzt, damit er ihn danach zu Recht zerstören kann.

      5. Der Grüne Engel (Die Finsternis)

      Auf der Suche nach einem Modell allumfassender Liebe begegnest du hier, ungeachtet deiner persönlichen Vorstellungen, den vielgestaltigen Ur-Perversionen im Reich der Triebe, die sich nur zu oft hinter schönen Masken verbergen. Der Engel ist der Spiegel, in dem dir das Tiefgründige begegnet und worin du das Ungeheuer erblickst, in dem du dich jetzt selbst erkennst!

      Fragestellung

      Der Seelenspiegel ist der passende Legeweg, wenn ich zweierlei wissen möchte:

       Erstens, was ich an eigenen inneren Bildern in eine Sache hineininszeniere (Legemethode I), und

       Zweitens, was an äußeren Erlebnissen daraus entsteht (Legemethode II). Es geht also darum, zu erkennen, in welcher Gestalt sich das Evozierte aus dem Gespiegelten heraus verwirklicht bzw. in welchen Erscheinungen mir meine inneren Bilder im äußeren Leben begegnen.

      Diese Legemethode kombiniert die Legewege I und II.

      1. Das Ich

      Die erste Karte repräsentiert das Bewusstsein des eigenen Selbst (Der Große Geist). Sie ist der Ausdruck, mit dem das Subjekt sich als solches bezeichnet und erkennt: also deine bewusste Identität, die du zurzeit ausfüllst.

      2. Das Bild des Ich

      Die zweite Karte zeigt dir das Ziel deiner Identität (John Dee); also die innere Absicht, die dem Beschreiten des Weges zugrunde liegt, der dich zu deiner bewussten Identität führt.

      3. Das Du

      Die dritte Karte beschreibt die Herausforderung durch die Begegnung mit der Welt (Gehörnter Gott): also durch das, was dir von außen als „Umwelt“ entgegentritt.

      4. Das Bild des Du

      5. Das Es

      Die fünfte Karte beschreibt – im Unterschied zum bewussten Ich – die Tiefenschichten der Persönlichkeit (Teufel): also diejenige Schicht des Seelischen, die das Unbewusste, die Affekte, Gefühle, Triebe und Strebungen umfasst (endothymer Grund).

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