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      Der Kampf gegen das Böse ist absurd. Denn er bringt nie das Gute, sondern immer nur das Böse im Kleid des Guten hervor. Lohnt es sich überhaupt, das Böse zu bekämpfen? Einerseits haben alle Kämpfe gegen äußere Widersacher, Minderheiten oder Probleme gezeigt: Je mehr man dagegen ankämpft, desto hartnäckiger widersetzen sie sich dem eigenen Bemühen. Andererseits liegt auch darin durchaus ein Sinn, wenn auch ein verborgener: So hat zum Beispiel die Kirche im Teufel ihren verdrängten Schatten nur deshalb heraufbeschworen, um sich selbst im Kampf gegen das Böse zu legitimieren und damit das verdrängte Böse in sich selbst aggressiv – und gleichzeitig unerkannt – auszuleben, indem man durch die Zerstörung des angeblich Bösen ja vermeintlich Gutes tat. Dies zeigt nur, wie unlösbar jede Existenz an ihren verdrängten Schatten, den Teufel, gebunden ist: Indem sie ihn bekämpft, verhilft er ihr zum seelischen Gleichgewicht. Um nichts anderes geht es, wenn man das Böse legitimiert, um das Gute zu bewirken.

      Damit wird auch klar, dass der Teufel die andere Seite Gottes ist, also jener Teil, der im Schatten existieren muss, damit der andere sich weiter im Licht sonnen kann. Beide Teile bedingen sich gegenseitig, und es ist nicht – wie Schiller meinte – der Fluch der bösen Tat, dass sie fortzeugend Böses muss gebären, sondern es ist das Muster des einen, das das Muster des anderen bedingt und ausgleicht. Das Gute ist nicht einfach das Gute, und das Böse ist nicht einfach das Böse, denn beides ist je nach dem Standpunkt des Betrachters sehr verschieden. Was für den einen das Gute ist, ist für dessen Feind das Böse – zumindest, solange er sein Feind ist. Umgekehrt ist die Faszination des Bösen auch nur so lange faszinierend, wie wir seine Bindung an das Gute nicht erkennen. Durch die Verdrängung des Bösen verhelfen wir diesem Bösen – ob gewollt oder ungewollt – zu einer kultischen Größe, was weniger seiner wahren Natur als Böses, sondern vielmehr der Tatsache entspricht, dass es uns, aus uns selbst entfernt, außerhalb unserer selbst an unser eigenes Unentdecktes erinnert. Es ist in der Tat ein „höllisches“ Gebilde, von dem wir uns zwar bewusst abgestoßen fühlen, das uns aber unbewusst durch alle Verdrängungen hindurch anzieht, weil es der unentdeckte Teil unserer selbst ist. Doch es zieht uns nur so lange an, wie wir es nicht in uns selbst erkennen! Der Satanskult oder die Teufelsbeschwörungen in ihren schillernden Ausprägungen haben deshalb keine eigenständige, negativ-destruktive Bedeutung, sondern sie sind einfach die Umkehrung der überlieferten Position: ein revolutionärer Akt gegen die Herrschenden und gleichzeitig so unlösbar mit dem Bekämpften verbunden, dass man fast geneigt ist, ihn als unbedeutend abzutun, wenn sich unter seiner übertriebenen Einseitigkeit nicht auch das unbewusste Streben nach Ganzheit verbergen würde.

      Solange das Bild der Erbsünde und des Sündenfalls eine Rolle spielt, mögen manche im Leben die Strafe für das Streben sehen, wie Gott werden zu wollen. Es war die Schlange, die zu Eva sprach:

       „Sobald ihr davon esst, gehen euch die Augen auf; ihr werdet wie Gott und erkennt Gut und Böse“ (1. Mose 3,5). Die Bibelstelle zeigt aber auch, dass die Schuld am Sündenfall Eva in die Schuhe geschoben wurde, die sich von der Schlange verführen ließ und den schwachen Adam mit in den Untergang riss.

      Akron

      Wie relativ Gut und Böse sind, erleben wir gerade auch im Umgang mit der Sexualität, denn der allzu freie Umgang mit der Liebe galt schon immer als eine der großen Herausforderungen für das soziale Gefüge einer Gesellschaft. Vor diesem Hintergrund wird man sich auch über die Gründe klar, warum das Patriarchat unter dem Deckmantel von Recht und Ordnung in den vergangenen Jahrhunderten die Triebnatur des Menschen so sehr bekämpfte. Indem die herrschende Klasse alles sich der Kontrolle Entziehende in der Welt verfolgte, sorgte sie dafür, dass Trieb und Instinkt insgeheim in der aggressiven Entladung gegenüber dem „Bösen“ überlebten. Gleichzeitig wurde damit ein Beitrag zur Stabilisierung seiner eigenen Herrschaft geleistet, denn der Kampf gegen das Böse richtete sich immer auch gegen die „Feinde“ des Patriarchats.

      Erst wenn wir den Sinn in der Zerstörung, die wir anrichten, erkennen, können wir auch erkennen, dass wir in allem nur die Strafe für das Leben suchen: für die bare Tatsache, dass wir ins Leben geboren sind, so wie es Schopenhauer als Verneinung des Willens zum Leben ausdrückte. In einer solchen Welt findet sich die „Summe menschlicher Erkenntnis“, die am Ende ihrer Weisheit angelangt ist und die sich jetzt vernichten will, in jener Liebe, die sich im Tod wieder mit der Triebnatur zu versöhnen sucht.

      Zwar ist es das Ziel jedes Einweihungsweges, danach zu suchen, was wir sind; aber weil wir nicht ahnen, dass das wirkliche Ziel nicht darin besteht, zu finden, was wir sind, sondern nur die Voraussetzungen dafür zu erfahren, warum wir nicht erfahren können, was wir sind, deshalb führt uns jede Selbsterkenntnis vom Weg des Suchens ab. Alles, was wir finden, sind immer nur die Prägungen, die innerhalb der Strukturen unseres Vorstellungsvermögens liegen – also innerhalb des Rahmens, der unserer Bewusstseinskontrolle unterliegt.

      Es ist deshalb nur folgerichtig, wenn auf der einen Seite heilige Frauen mit Kristallen die Erde reinigen, während auf der anderen Soldaten „im Namen Gottes“ dieselbe Erde vergiften und auf Jahre hinaus verwüsten. Wenn man den Advocatus Diaboli fragen würde, wer denn nun von beiden der kosmischen Harmonie ein Stück näher ist, würde er vermutlich nur antworten, dass beide gleich weit entfernt von ihr sind, da beide ihren Anteil an der Wahrheit übertreiben.

      Das einzige, was wir in der Welt finden, sind die Bilder und Vorstellungen, die wir uns ausgedacht haben, um uns einen höheren Lebenssinn zu erzwingen, und dagegen ist auch nichts einzuwenden, solange diese Modelle das Leben erleichtern oder soziale Aufgaben erfüllen. Letztlich geht es auch nicht um ein Ziel, sondern um die Auseinandersetzung mit der Suche selbst.

      Akron

      Der erwachte Mensch richtet sich nicht mehr an äußeren Dingen, sondern an seinem inneren Empfinden aus. Er strebt nach einem tieferen Erkennen, das sich selbst höchstes Gesetz ist. Er hört den Ruf der Seele, aufzubrechen und alle Räume der Erkenntnis zu entdecken, die es gibt. Er begibt sich auf den Weg, sich lebendig zu fühlen und das Leben in Übereinstimmung mit dem Höheren zu bringen. Er beschäftigt sich mit dem Erkennen von kosmischen Zusammenhängen und Gesetzmäßigkeiten: Ganzheitlichkeit, Karma, Sphärenharmonie und so weiter. Die Absicht, kosmisches Bewusstsein zu erlangen, ist aber mehr eine Folge der menschlichen Prägung, sich im Rahmen der einverleibten Modelle selbst zu bespiegeln, und deshalb führt dieser Weg auch weniger zur Erfahrung des Göttlichen als zu einer mehr oder weniger starken Identifikation mit diesen religiösen oder spirituellen Vorgaben, die dann spiegelfechterisch gegen andere Modelle verteidigt werden müssen. Dahinter wirkt ein seelischer Suchtmechanismus, der das Ziel der Erkenntnis im Überfluss der ins Kraut schießenden Wahrheiten ertränkt: In kurzer Zeit möchte das Bewusstsein alle Blockaden beseitigen, alle alten Muster auflösen, alle überholten Bindungen hinter sich lassen, Kontakt mit dem höheren Selbst herstellen, sein volles Potential realisieren, den göttlichen Plan erkennen und seine eigene Bestimmung finden. Doch trotz alledem bleibt ihm verborgen, dass sich in diesem Akt weder Bewusstseinserfahrung noch Gotteserkenntnis, sondern nur die das Ego aufblähenden Auswirkungen einer grandiosen Selbstdarstellung realisieren.

      In diesem Sinne ist jeder „esoterische“ Mensch eine Neuauflage des alten Tempelpriesters, der die Schaffung seines inneren Gottesbildes selbst in die Hand genommen

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