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gebunden ist, die sich ihm im Schicksal anbieten. Das Ewige wird durch die Raster unserer Vorstellung jetzt zum Alltäglichen. Und diese in den Alltag eingebundene Ewigkeit vermittelt immer eine Spur von Sehnsucht – von Gottessehnsucht. Das ist besonders im Tarot gut nachvollziehbar. Kenner versuchen in den Legungen der Karten gewisse Formen und Strukturen zu finden, um über die Inhalte des Alltäglichen hinaus den Geist des Ewigen zu erkennen, weil sie instinktiv erahnen, dass ihre Sehnsüchte nur die Schatten jenes Geistes sind, welcher jenseits des Erfassbaren thront.

      Es ist daher keineswegs so, dass die Karten das Schicksal „vorhersagen“, sondern vielmehr so, dass wir unsere gegenwärtige seelische Ausrichtung auf die Karten übertragen und dann aus ihnen herauslesen (in sie „zurückübertragen“), was wir an unbewusster Erwartung zuvor in sie hineinvisualisiert haben. Die Beschäftigung mit den Tarotkarten verschafft uns vielmehr die Möglichkeit, die Welt im Spiegel unserer inneren Erwartungen zu betrachten und sie dabei als ein getreues Abbild unserer Ideen und unserer Überzeugungen zu erkennen, die unsere inneren Inhalte umhüllen. Denn die Karten können niemals Schicksal sein; sie zeigen lediglich an, was unser inneres Empfinden an die Welt „heranträgt“. Sie werben, wenn man so will, für ein wenig Aufmerksamkeit denjenigen Symbolen gegenüber, die auf synchronistische Weise die Spiegel unserer inneren wie äußeren Prozesse sind. Bevor sich nämlich äußere Geschehnisse auf der materiellen Ebene realisieren, müssen sie zuerst auf der seelischen Ebene stattfinden. Die Auseinandersetzung mit den Karten ist eine von vielen Möglichkeiten, diesen inneren Strömen nachzuspüren, um sie als Urquell allen Handelns zu erkennen, als Pläne sozusagen, deren Verwirklichung dann das ist, was wir die „erlebte Wirklichkeit“ nennen.

      Mit anderen Worten: Die Welt, so wie sie sich uns darstellt, entspricht immer der Summe unserer Erfahrungen, die wir bewusst nachvollziehen können. Wir schaffen unsere Realitätsebenen durch die Wirkungen unserer Handlungen, und gleichzeitig erschaffen die Wirkungen unserer Handlungen erst die Identität unseres Ichs. Jeder Mensch löst durch seine unbewussten Prägungen sein Schicksal aus, das er aber von seiner inneren Prägung abtrennt und als äußeres Ereignis wahrnimmt, damit er nicht erkennen muss, dass sein menschliches Bestreben nicht darauf zielt, die Welt kennen zu lernen, sondern sich selbst nur immer mehr in seinen eigenen Schicksalsmustern zu bestätigen. Jede Zeitqualität stellt einen Ausschnitt innerhalb unseres Raum-Zeit-Kontinuums dar, und unsere Gegenwart zieht dabei die noch fehlenden Erlebnismuster an, um sie in das Bewusstsein zu integrieren. So erschafft sich jedes Wesen die ihm eigene Lebensqualität, die es über seine unbewussten inneren Absichten realisiert und Schicksal nennt. Dieses „höhere“ Walten, das selbst Grundlage und Ziel unseres Weges ist, möchten wir erkennen, aber damit holen wir uns den Teufel ins Haus, denn sobald wir über unser inneres Empfinden nachdenken, liefern wir uns entweder der Enge unserer eigenen Denkmuster oder den gefährlichen Welten weltanschaulicher Modelle aus.

      Erst wenn ich weiß, dass alle Antworten in mir selbst und nicht in den Modellen liegen und dass diese Antworten über äußere Beschreibungen nicht gefunden, sondern nur ausgelöst werden können, kann ich entdecken, dass die Modelle nicht nur keine Wahrheit enthalten, sondern dass sie ganz im Gegenteil eine strukturierte Form der Suche sind, die erst in den Köpfen der Suchenden zum Gralsweg erhöht wird. Erst müssen wir uns fragen, welche innere Sehnsucht uns zwingt, aus einem in Wahrheit unendlichen Chaos ein paar Ähnlichkeiten auszuwählen und durch ihre Strukturierung und Vernetzung Cluster von Weltvorstellungen herbeizuzaubern. Dann können wir erfahren, dass sich im Denken nur das Denken selbst erkennt und wir die Symbole gleichzeitig als die Werkzeuge sehen, um unserer Kreativität Ausdruck zu verleihen, sozusagen als einen Spiegel dessen, was wir aus der unbewussten Ebene in die bewusste übertragen. Im nächsten Kapitel werden verschiedene Techniken und Legearten beschrieben, mit denen wir uns dem Unbekannten – dem, was sich durch unser pausenloses Denken in uns vor sich selbst versteckt – einen kleinen Schritt näher bringen können.

      Unser Symbol ist das Pentagramm. Es ist auch als Drudenfuß bekannt, weil man damit Hexen und Druden vertrieb bzw. – indem man es umdrehte – anzog. In ländlichen Gebieten wird es bis heute benutzt, um das Böse von Viehställen, Türschwellen, Betten usw. fernzuhalten. Bei allen Praktiken dieser Art handelt es sich um die Aktivierung kollektiver seelischer Strukturen, die den Schutz gegen das Böse symbolisieren (das Gute beschwört seinen verdrängten Teil im Bösen herauf, um seinen Kampf gegen das Böse zu legitimieren und damit das Verdrängte im anderen unerkannt auszuleben). Deshalb stellt die bewusste Auseinandersetzung mit willentlich erzeugten Pentagramm-Visionen eine Therapiemöglichkeit der Zukunft dar. Hier klingen nicht nur die Abwehr des Schattens, sondern auch die Abwehr der „Abwehr“ an, das Hinterfragen der Abwehr und das Aufarbeiten der inneren Ängste, die dieses Abwehrverhalten überhaupt erst hervorbringen.

      Zur Orakelbefragung benutzen wir zwei ineinander verflochtene Pentagramme. Das weiße, mit dem Haupt und den Gliedern der weißen Göttin versehene Pentagramm symbolisiert die weiße Magie oder den Sieg des Geistes über die Materie. Das schwarze Pentagramm, das mit den beiden Spitzen nach oben zeigt und in den Ziegenbart des Teufels mündet, stellt dagegen die schwarze Magie oder den Sieg der Materie über den Geist dar. Damit haben wir ein Werkzeug in Händen bzw. vor Augen, das alle Werte polarisiert. Außerhalb der polarisierten Werte gibt es keine Fragen, und je nach Art der Frage entscheiden wir nun, welches psychologische Erklärungsmodell wir in die Pentagramme verlegen wollen.

      Gruppe 1 Persönlichkeitsfragen

      I Baphomet - Wer bin ich?

      (Das Geheimnis des Ego)

      II Der Grüne Engel - Wer ist er?

      (Das Geheimnis des Schattens)

      III Der Seelenspiegel - Wer ist Ich?

      (Das Geheimnis der Seele)

      Gruppe 2 Sinnfindungs- bzw. Entwicklungsfragen

      IV Der Schöpfungsknall - Wohin entwickelt sich die Sache?

      (Was ist der Sinn?)

      V Mephistos Hammer - Was verhindert die Sache?

      (Was ist der Sinn der Krise?)

      VI Das Nornenrad - Was treibt die Entwicklung voran?

      (Was ist der Sinn des Sinns?)

      Gruppe 3 Entscheidungsfragen bzw. Fragen nach dem Trendverlauf

      VII Der Fünfstrahl - Wie soll ich mich entscheiden?

      (Entscheidungsweg)

      VIII Der Neunstrahl - Wie stehe ich zum anderen? Wie steht er zu mir?

      (Beziehungsspiel)

      IX Der Zehnstrahl - Wie verläuft der Trend?

      (Der Joker unter den Legearten für alle Fragen)

      Um die Funktion der ersten beiden Legegruppen (Legesysteme I-VI) zu erfassen, müssen wir verstehen, dass sie uns kein äußeres Abbild des Lebens zeigen. Das bedeutet, sie sagen weniger etwas zu äußeren Ereignissen aus als dazu, wer wir sind und warum geschieht, was geschehen muss. Sie zeigen uns nicht, was wir tun können, sondern sie ermöglichen uns, die Dinge in einem umfassenderen Sinn und in größeren Zusammenhängen zu sehen. Wenn wir aber davon ausgehen, dass alles, was wir in der äußeren Welt erleben, eine Widerspiegelung dessen ist, was wir im Inneren sind, ist die Beschäftigung mit diesen Reihen eine Möglichkeit, uns selbst zu erkennen und dadurch ungenutzte Energien zum Fließen zu bringen, die uns dann auch im äußeren Leben zur Verfügung stehen. Hier befinden wir uns im Wirkungsbereich dessen, was die Esoterik „die innere Eingebung“ oder „das kosmische Bewusstsein“ nennt. Dieses ist jedoch keine Stimme von oben, sondern eine innere Vorstellung, die mehr ist, als wir selbst zu sein glauben – aber weniger, als wir glauben, dass Gott ist. Es ist die Schwelle, über die

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