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      Dann griffen sie zu den Riemen und pullten zur „San Jacinto“ hinüber.

      Als sie näher heran waren, beäugten sie das Schiff mißtrauisch. Es war nur noch ein Wrack, und es gab seltsame Töne von sich wie ein großes krankes Tier, das sich vor seinem Tod verkrochen hat.

      „Was sind das für unheimliche Geräusche?“ fragte Stenmark.

      Da war ein Raunen und Flüstern zu hören. Hin und wieder knackte es, und dann folgte ein dumpf klingendes Gemurmel. Einmal hörten sie klar und deutlich ein Ächzen.

      Der Profos runzelte die Stirn. In der rechten Hand hielt er feuerbereit einen Blunderbuss. Sie trieben jetzt genau auf die immer noch ausgebrachte Jakobsleiter zu.

      Die Geräusche wiederholten sich. Knacken, Ächzen und wieder dieses merkwürdige Wimmern.

      „Das Schiff stirbt“, sagte Carberry, „und dabei verursacht es diese unheimlichen Geräusche. Ferris sagt immer, daß es dann seine Seele aushaucht. Das ist eine ganz natürliche Erklärung, weil das Holz pausenlos arbeitet.“

      Er zuckte aber doch zusammen, als wieder das wimmernde Geräusch erklang. Dumpf und halb erstickt war es zu hören. Dann kamen wieder andere Geräusche hinzu.

      Die Jolle wurde an der Jakobsleiter vertäut. Von der „Empress“ aus wurden sie scharf beobachtet.

      Carberry enterte als erster auf und blieb neben dem Schanzkleid stehen, um sich einen allgemeinen Überblick zu verschaffen. Die anderen folgten und sahen sich ebenfalls aufmerksam um.

      „Himmel, sieht der Kahn aus“, sagte Sven. „Da müssen wir aber genau aufpassen, wo wir hintreten, sonst sausen wir nach unten.“

      Scharfkantige gezackte Löcher befanden sich im Deck der Kuhl. Auf der Back und den anderen Decks sah es nicht besser aus.

      „Da hat’s mächtig eingeschlagen“, meinte Stenmark. „Wir sollten uns jetzt aber mal um die Pulverkammer kümmern.“

      Der Profos marschierte schon los und umging die tückischen Löcher und angeknacksten Planken. Er hatte immer noch so ein merkwürdiges Gefühl in der Magengegend und traute dem Frieden nicht.

      Als sie jedoch die Pulverkammer erreichten und das Schott öffneten, sahen sie sich erleichtert an.

      „Zwei armselige Fäßchen“, sagte Carberry. „Damit konnten sie keinen großen Feuerzauber mehr veranstalten. Aber es hätte trotzdem gereicht, um den Eimer in die Luft zu blasen.“

      Damit war die Sorge ausgeräumt, daß sie in die Luft flogen. Jetzt erst sahen sie sich genauer und sehr aufmerksam um.

      Das Knacken und leise Krachen begleitete sie auf Schritt und Tritt. Sie gingen nach achtern, doch da stand mittlerweile alles unter Wasser.

      „Zwecklos, da hineinzuwaten“, sagte Sven. „Da hält sich auch niemand mehr auf.“

      Der Profos winkte ab. Da war wirklich nichts mehr zu holen. Deshalb gingen sie wieder zurück.

      Auf dem Quarterdeck lagen Bruchstücke von Holz herum. Zerfetzte Segel waren in Streifen über die Planken verteilt. Der leichte Wind hob sie immer wieder an und ließ sie wie Leichentücher flattern.

      Plötzlich blieb Stenmark wie angenagelt stehen. Sein Blick war auf die halbzerstörte Nagelbank gerichtet.

      „Da liegt einer“, sagte er leise.

      Der Mann war tot und lag auf dem Rücken. Zwei zerfetzte Planken bedeckten teilweise seinen Körper. Sein Hemd war blutig. Das Schrot aus einer Drehbasse hatte ihn getroffen.

      Der Profos sah schweigend auf den Toten. Dann drehte er sich ebenso wortlos um und ging weiter, denn er hatte aus den Augenwinkeln etwas gesehen.

      Sie fanden gleich darauf einen weiteren Toten, der übel zugerichtet war. Auch ihn hatte Drehbassenschrot getroffen.

      „Diese dreckigen Strolche“, sagte Carberry aufgebracht. „Nicht einmal um die Toten kümmern sie sich. Sie lassen sie einfach an Deck liegen, diese verlausten Bastarde. Zumindest hätten sie sie über Bord geben können, wie sich das für einen Christenmenschen gehört.“

      Der Profos konnte sich über solche Dinge immer sehr aufregen, und das tat er noch gründlicher, als sie den dritten Toten fanden.

      Der befand sich weiter vorn zum Vordeck und lag unter einem teilweise zerschossenen Niedergang der Länge nach ausgestreckt. Es war ein bärtiger Kerl mit einem harten Gesicht, das selbst im Tod noch grimmig verzogen war.

      „Drei Tote“, sagte Carberry empört. „Und alle drei lassen diese Halunken einfach so liegen. Wir werden sie nachher mitnehmen und irgendwo an Land begraben.“

      Die Galeone arbeitete und ächzte inzwischen zum Gotterbarmen weiter.

      „Was war das eben?“ fragte Nils Larsen. Er drehte sich um und lauschte mit vorgerecktem Kopf.

      „Das war der Wind, der irgend etwas bewegt hat. Die Geräusche lassen sich kaum unterscheiden. Es kann auch eindringendes Wasser im Achterschiff gewesen sein.“

      „Das hat sich aber verdammt anders angehört.“

      „Das muß weiter vorn gewesen sein“, meinte Stenmark. „Wie ein Stöhnen klang es, nur sehr unterdrückt.“

      Das Stöhnen, oder was immer es auch gewesen sein mochte, wiederholte sich nicht. Dafür traten die anderen Geräusche verstärkt auf, als sie zum Vordeck gingen.

      Ein angelehntes Schott, das der Profos schon seit einer Weile mißtrauisch beobachtete, schwang hin und her. Manchmal knarrte es auch in den Angeln. Das Schott führte ins Vorschiff, aber dahinter war alles dunkel.

      Mit den Pistolen und Blunderbussen in den Fäusten näherten sie sich dem Schott und nahmen seitlich davon Aufstellung.

      Dann trat der Profos einen schnellen Schritt vor und riß es auf.

      Zuerst hatten sie erwartet, daß sich ein paar Kerle in dem Raum verborgen hatten, um sie blitzartig zu überfallen und vielleicht als Geiseln zu nehmen. Deshalb hatte Carberry das Schott auch keine Sekunde aus den Augen gelassen.

      Jetzt aber traf sie fast der Schlag, als das Schott geöffnet war.

      Ein Mann in einem durchbluteten Hemd lag hinter dem Schott und blinzelte aus großen ängstlichen Augen in das hereinfallende Sonnenlicht.

      Der Mann war gefesselt und geknebelt, obwohl er schwer verletzt sein mußte. Er wollte etwas sagen, doch der Knebel hinderte ihn daran, und so folgte nur ein ersticktes Geräusch.

      „Das darf doch nicht wahr sein“, sagte Carberry erschüttert.

      Der Mann in seinen Fesseln bewegte sich so, als ob er sich davonrollen wollte. Seine Angst schien unbeschreiblich zu sein.

      Fassungslos standen Nils, Sven und Stenmark um den Mann herum. Sie konnten auch nicht glauben, was sie mit eigenen Augen sahen.

      „Diese Drecksbande von Strolchen“, sagte Carberry voller Zorn. „Die lassen einen Verwundeten zurück, weil sie sich mit ihm nicht belasten wollten, weil er ihnen lästig war. Sie gehen einfach davon aus, daß wir uns um ihn zu kümmern haben.“

      „Aber warum haben sie ihn geknebelt?“ fragte Stenmark entsetzt.

      Carberry und Sven Nyberg beugten sich schon hinunter, um dem Mann den Knebel abzunehmen. Die Kerle hatten ihn so fest zugezogen, daß der Mann fast erstickt war.

      „Wahrscheinlich wollten sie sein Geschrei nicht hören, weil es ihnen auf die Nerven ging“, meinte Carberry. Der Profos war von Wut bis zum Bersten erfüllt.

      Sten schnitt ihm mit dem Entermesser die Fesseln durch.

      „Keine Angst“, sagte der Profos, als er die wild rollenden Augen des Mannes sah. „Wir tun dir nichts. Du hast von uns nichts zu befürchten. Kannst du uns verstehen?“

      Die Antwort bestand aus einem kläglichen Nicken. Das Gesicht des Mannes verzog sich wie

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