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Baptist Fuchs, 1798 für knapp neun Monate Präsident der Munizipalität im damals französisch besetzten Köln, später Advokat und schließlich königlich preußischer Regierungsrat. Dessen aus Oberwinter stammender Vater Jakob Fuchs, verheiratet mit der Schiffertochter Maria Catharina Weyl, erwarb 1757 als Mitglied der Fischmengerzunft das Kölner Bürgerrecht. 1764 übernahm er gegen eine jährliche Pachtsumme von 2000 Rheinischen Thalern das Amt eines kurkölnischen Brückenmeisters (erst 1822 wurde die »fliegende Brücke« zwischen Köln und Deutz in eine feste Brücke umgewandelt), später wurde er Teilhaber der im Holländerholzgeschäft tätigen Großhandelsfirma von Hausen in Saargemünd.9

      Arnold und Emmi Gründgens lassen ihren Erstgeborenen nach katholischem Ritus auf den Namen Gustav Heinrich Arnold taufen10 – mit »f« wird Gründgens seinen Namen erstmals in einem am 18. April 1921 unterzeichneten Vertrag mit den Vereinigten Städtischen Theatern Kiel schreiben.11 Benannt wird er nach seinen beiden Großvätern Gustav und Heinrich sowie nach seinem Vater Arnold. Dieser versucht sich indes mit wechselndem Glück in verschiedenen Tätigkeiten. Schon bald nach der Geburt seines Sohnes verläßt er die Wäschereimaschinenfabrik Heinemann, betreibt vorübergehend eine Eisen- und Stahlwarenhandlung und vertritt dann die Firma Otto Gruson & Cie., Magdeburg-Buckau, ein in der Stahlformgußherstellung führendes Eisen- und Stahlwerk, das unter anderem Zahnräder produziert. Schließlich leitet er die Düsseldorfer Niederlassung von Rheinhold & Co., Vereinigte Norddeutsche und Dessauer Kieselgur-Gesellschaft. Die 1887 in Celle gegründete Firma fördert aus eigenen Gruben Kieselgur, die man unter anderem als Filter für Wasser und Öle, als Füllstoff in Wärmeisolierungen, Anstrichmitteln und Tabletten und als natürliches Pestizid verwendet; während des Zweiten Weltkrieges wird sie als Trägermaterial für das in deutschen Vernichtungslagern eingesetzte Zyklon-B-Gas dienen.

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      Arnold Gründgens um 1940

      © Privatbesitz Gerrit Gründgens

      Mit Arnold Gründgens’ permanenten Berufswechseln einher gehen zahlreiche Umzüge12: im März 1900 in die Lennéstraße 16, bereits sieben Monate später in die Luisenstraße 53, 1904 in die Kronprinzenstraße 47 und 1909 in eine Wohnung an der Kavalleriestraße 64, die Arnold Gründgens vom jüdischen Tabakkaufmann Robert Samuel mietet, dem späteren Stifter der Robert-und-Hedwig-Samuel-Stiftung, die noch heute die Ausbildung von Jugendlichen insbesondere in Südamerika und Asien fördert. Im August 1912 übersiedelt die Familie Gründgens schließlich nach Düsseldorf-Oberkassel. Zunächst bewohnt man ein Haus in der Düsseldorfer Straße 84 (zu dieser Zeit noch eine ausgesprochen ruhige, beschauliche Wohngegend), im März 1915 wechselt man an die mit Bäumen bewachsene Glücksburger Straße. Dort mietet Arnold, der inzwischen Isolierrohre fabriziert, vom Photographen Jean Kronenberg das schmale, aber durchaus repräsentative Haus mit der Nr. 6: drei Stockwerke und ein Tiefparterre, von welchem man ebenerdig den hinter dem Haus gelegenen kleinen Garten betritt. Die Eheleute Gründgens richten sich im großbürgerlichen Stil der Zeit ein, mit schweren Möbeln aus dunklem Holz; an der Wand hängen die beiden Porträts, die sie bei Fritz Reusing in Auftrag gegeben hatten, einem überregional gesuchten Bildnismaler der Düsseldorfer Schule. Das Bild der Mutter wird Gründgens zeit seines Lebens begleiten.

      Sie hätten »eine unbeschreiblich schöne und unbeschwerte Kindheit«13 gehabt, so Gustavs am 23. Mai 1903 geborene, also dreieinhalb Jahre jüngere Schwester Maria Theresia, die sich später als Vortragskünstlerin Marita Gründgens14 nennt. Im Spiel imitieren die Kinder, wie Besucher dem Dienstmädchen distinguiert ihre Visitenkarten überreichen und dann im Salon gestelzte Konversation mit den Eltern pflegen, oder treten voreinander als berühmte Pianisten oder Sänger auf – das jeweils andere Geschwister gibt dann das kritische Publikum. Gustav verkleidet sich gerne als Priester und zelebriert die Messe, Marita fungiert – der Zeit 70 Jahre voraus – als Ministrantin. Beeindruckt ist Gustav besonders, wenn die Mutter große Toilette macht, um an einer gesellschaftlichen Soiree teilzunehmen. Gelegentlich tritt die musisch veranlagte Emmi Gründgens, die in ihrer Jugend bei der Sopranistin Lilli Lehmann, einer der bedeutendsten Wagner- und Mozart-Interpretinnen ihrer Zeit, Gesang studiert hatte, im Rahmen von Wohltätigkeitsveranstaltungen auf. Setzt sie sich zu Hause an den Flügel und singt Lieder von Schumann, Schubert, Wolf oder Brahms, lauscht Gründgens »andächtig den Tönen«15. Während die enge Bindung zu »Mui«, wie der »Gui« gerufene Junge seine über alles geliebte Mutter nennt, der er stupend ähnlich sieht, bis zu deren Tod am 3. Mai 1935 einen großen Raum in seinem Leben einnimmt, wird er den Vater später als schwierigen, verschlossenen, starren und wenig umgänglichen Menschen bezeichnen, »von formaler Korrektheit, geringer Schwingungsfähigkeit und wohl auch mangelnder Durchsetzungsfähigkeit«16. Das Verhältnis zu ihm ist nicht zuletzt deshalb angespannt, weil seine Affären mit den wechselnden Dienstmädchen der Familie nicht zu übersehen sind. Doch erst als Arnold Gründgens am 3. September 1937, also gut zwei Jahre nach Emmis Tod, eine weitere Ehe mit der fast 38 Jahre jüngeren Erica Neuy eingeht, wird Gründgens endgültig von seinem Vater Abstand nehmen17, die Stiefmutter auf Distanz halten und sich weigern, seinen am 23. Oktober 1940 geborenen Halbbruder Gerrit auch nur kennenzulernen.

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      Emmi Gründgens mit ihren beiden Kindern, 1914

      © Theatermuseum Düsseldorf

      »Er war ein reicher rheinischer Kaufmannsprotz, aber was in der Realität übrigblieb, war ein Schein-Dasein. Der Vater hat nie richtig und kontinuierlich gearbeitet«18, gibt Peter Gründgens-Gorski später einmal über Arnold Gründgens zu Protokoll, »ein Industriemann mit progressivem Mißerfolg«19. Dessen Bedürfnis, trotz schwindender finanzieller Mittel, einen großbürgerlichen Lebensstil aufrechtzuerhalten, wird indes verständlicher, wirft man einen genaueren Blick auf seine Familie. Dabei weckt gar nicht so sehr die angesehene Gründgens-Sippschaft in Aachen, als deren »schwarzes Schaf«20 er gilt, seinen Neid – obgleich sein Onkel Julius, der die väterliche Metallwaren- und Holzhandlung übernommen hatte, immerhin wohlhabend genug war, sich am Aachener Lousberg durch den Stadtbaumeister Friedrich Joseph Ark einen zweigeschossigen, fünfachsigen Bau nach dem Vorbild venezianischer Renaissance-Villen errichten zu lassen, »Villa Gründgens« genannt.21 Arnolds einziger Bruder Carl Gründgens praktiziert in Aachen als »Spezialarzt für Chirurgie und Orthopädie«, die fünf Schwestern sind durch gutbürgerliche Eheschließungen wohlversorgt: Anna etwa hat den Direktor des Königlichen Hohenzollern-Gymnasiums in Düsseldorf, Julius Asbach, geheiratet. Eduard Haber, der Ehemann der jüngsten, »Toni« gerufenen Schwester Antoinette, der 1900 in den Reichskolonialdienst des Auswärtigen Amts berufen und 1910 zum Kaiserlichen Geheimen Oberregierungsrat ernannt worden war, avanciert 1917 zum letzten Gouverneur von Deutsch-Neuguinea. Lediglich der Gatte der »Erna« genannten ältesten Schwester Arnoldine, der aus einer gutsituierten Familie stammende Fritz Arnold, der vor der Ehe eine Kolonialwarenhandlung in Nicaragua betrieben hatte, war mit seiner Bank und seiner Getreidemühle in Anselmo im US-Bundesstaat Nebraska nicht allzu erfolgreich gewesen, fungiert jedoch seit seiner Rückkehr 1891 immerhin als Geschäftsführer des Mineralöl-Handels Ernst Schmidt in Oberkassel. Bei ihm in der Kavalleriestraße 19 war Arnold, als er im Juni 1898 aus Bad Godesberg nach Düsseldorf gezogen war, untergekommen, bis er im März 1899 zusammen mit seiner aus Köln übersiedelten Frau Emilie die erste eheliche Wohnung an der Graf-Adolf-Straße bezogen hatte.

      Minderwertig fühlt sich Arnold Gründgens wohl vor allem angesichts seiner Kölner Verwandten: Sein Cousin väterlicherseits und Namensvetter Arnold von Guilleaume, der drittälteste Sohn seiner Tante Antoinette22, nennt wie sein ältester Bruder Theodor von Guilleaume ein Vermögen von 26 Millionen Mark sein eigen. Ihr Bruder Max besitzt sogar 27 Millionen Mark23 und ist der reichste Einwohner Kölns. Jeder der drei verfügt damit über ein ebenso großes Vermögen wie beispielsweise Wilhelm von Siemens, und alle drei sind sogar noch wohlhabender als der Berliner Bankier Robert von Mendelssohn, mit dessen Sohn Francesco sich Gustaf Gründgens 1928 eng befreunden wird – beeindruckt von dessen ihm märchenhaft scheinenden Reichtum. Die Guilleaume-Brüder wurden wegen ihrer Verdienste in den erblichen Adelsstand erhoben:

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