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Kosten bei Medikamenten sorgen. Dass sich während der zehn Jahre, in denen Azar zunächst Top-Lobbyist und schließlich Präsident des Pharmakonzerns Eli Lilly war, der Verkaufspreis des Insulins Humalog fast verdreifacht hat, ist gewiss nur ein Zufall. Und dass ein Gericht in New Jersey wegen illegaler Preisabsprachen gegen Eli Lilly ermittelt, ebenso. Es sind alles nur Zufälle – und die haben angeblich kein System. Und das stimmt auch, denn unter Trump sind die »Zufälle« das System.

       22.11.2017

      Nach zehn Monaten Tagebuchschreiben hat sich mir heute die Frage gestellt, ob Trump innerhalb der amerikanischen Gesellschaft als Sensibilisierungs- oder als Desensibilisierungsmaschine fungiert. Die Antwort: Wahrscheinlich ist er beides. Auf der politisch rechten Seite baut er Empfindlichkeiten ab und politisch links baut er sie auf. Wobei die Sache hier wie da den Charakter einer Zwangshandlung trägt. Rechts schwinden die einstmals starken Gefühlswallungen aus machtpolitischen Gründen und links wachsen sie aus identitätspolitischer Ohnmacht.

       23.11.2017

      Heute ist Thanksgiving, und zur Feier des Tages gibt’s ein kleines Gedicht.

      Turkey

      Trumps Truthahn

      heißt Erdoğan.

      Er verspeist ihn mit gemischten Gefühlen,

      denn das Innere des Vogels ist gefüllt mit

      Gülen.

       24.11.2017

      Tagebücher werden nachts geschrieben, weil sie uns das Dunkel vor Augen führen, in dem die Entscheidungen über unsere Tage getroffen werden.

       25.11.2017

      Hierzulande streiten sie sich um die Oppositionsbänke, in den USA dagegen um die Regierungssessel. Der Direktor des Consumer Financial Protection Bureau (CFPB), der amerikanischen Verbraucherschutzbehörde in Finanzangelegenheiten, ist gestern zurückgetreten und hat das Amt seiner Stabschefin übertragen, die damit automatisch zur geschäftsführenden Direktorin geworden ist und die Behörde so lange weiterführen soll, bis Trump einen eigenen Kandidaten vorgeschlagen und der Kongress ihn bestätigt hat. Allerdings wollte Trump nicht so lange warten. Also hat er seinen Kandidaten flugs benannt und ihn, weil er einmal dabei war, auch gleich zum Direktor der Verbraucherschutzbehörde erklärt. Jetzt gibt es also zwei Chefs – und die Juristen können sich in Spitzfindigkeiten darüber ergehen, wer der rechtmäßige ist.

      Diejenigen, die statt Paragrafen lieber auf den gesunden Menschenverstand setzen (bzw. in diesem Falle: auf den kranken), wetten derweil, wer den Washingtoner Stuhltanz gewinnen wird, wobei die Chancen von Trumps Kandidat Mick Mulvaney ziemlich gut stehen, schließlich gehört es seit Trumps Amtsantritt zum guten Ton, dass der künftige Chef einer Behörde diese früher verklagt haben sollte oder zumindest mal ihre Abschaffung gefordert haben muss – und Mick Mulvaney hat da einiges zu bieten, immerhin hat er die Verbraucherschutzbehörde Anfang des Jahres »einen traurigen, kranken Witz« genannt und gesagt, dass manch einer sie gern loswerden würde.

       26.11.2017

      Die Nachrichtenseite Politico titelt heute: »Den USA gehen wegen Trumps Politik die muslimischen Geistlichen aus.« Ich schätze, in den amerikanischen Moscheen gibt’s bald großes Gemekka.

       27.11.2017

      Das geschliffene Wort richtet nichts aus gegen grobe Dekrete. Wenn sie etwas bewirken will, muss die Feinfühligkeit Fleisch werden.

       28.11.2017

      Donald Trump mag mit seiner Wortwahl oft daneben liegen, Menschen verletzen und ganze Gruppen diskriminieren, und doch haben seine Worte ihren Wert, denn sie zeigen, wie groß das Feld des Sagbaren in Wirklichkeit ist. Ihm gegenüber, auf der anderen Seite des Feldes, liegt das »richtige« Sprechen. Hier, im Spiegel des Großmauls, wachsen die Kleinkarierten in ungeahnte Höhen empor, entmündigen sich ihrer Ichs in Empfindsamkeit und Empörung.

       29.11.2017

      Melania hat das Weiße Haus für Weihnachten dekoriert. Jetzt ist es das Weißeste Haus. Überall stehen Tannenbäume voller Kunstschnee und Eis, dazwischen Menschen mit eingefrorenen Gesichtern. Es sieht aus, als wäre im Böhmerwald eine Crystal-Meth-Küche explodiert.

       30.11.2017

      Die Schere wird immer zuerst im eigenen Kopf angesetzt – und am Ende sieht man den Schnitt in den Statistiken. In den öffentlich einsehbaren Zusammenfassungen zu Studien, die von der National Science Foundation gefördert wurden, haben amerikanische Wissenschaftler den Begriff »Klimawandel« im Jahr 2017 deutlich seltener verwendet als in den Jahren zuvor. Der Grund ist einfach: Viele Wissenschaftler haben Angst, sich durch eine »falsche« Wortwahl weitere Fördermöglichkeiten zu verbauen oder Jobs nicht zu kriegen. Also spielen sie mit und können später »guten« Gewissens behaupten, dass der Anfang ihrer Karriere ein einschneidendes Erlebnis war.

       01.12.2017

      In mehr als 100 Staaten sind Streubomben geächtet, weil ihr Einsatz oft zu einer hohen Zahl ziviler Opfer führt. Die USA gehören nicht zu diesen Staaten. Statt sie zu verbieten, wollte das Pentagon lieber Streubomben entwickeln, die nicht mehr so sehr streuen. Zehn Jahre lang hat man getüftelt. Rausgekommen ist nichts, nur ein Memorandum, das heute gestreut wurde. Darin heißt es, die alten Streuer dürfen weiterhin eingesetzt werden. Und warum auch nicht? Die ge(s)treuen Verbündeten der USA – die Saudis – haben in letzter Zeit schließlich Unmengen der Bomben gekauft und nutzen sie auch. Sie dienen ihnen als Streusalz für die religiösen Vereisungen in der jemenitischen Wüste.

       02.12.2017

      Der US-Senat hat entschieden, dass im nördlichen Teil des Arctic National Wildlife Refuge, dem großen Naturschutzgebiet in Alaska, künftig Öl- und Gasbohrungen erlaubt sein sollen. Umweltschützer haben 40 Jahre lang dagegen gekämpft. Alaskas republikanische Senatorin Lisa Murkowski aber hat ihre Zustimmung zu Trumps Steuerreform von der Bohrerlaubnis abhängig gemacht. Sie hatte 6.000 km2 Verhandlungsmasse – und ihre Stimme wurde gebraucht. Also hat sie bekommen, was sie wollte. Eine republikanische Hand hat die andere gewaschen. Der ölige Dreck, den sie sich dabei von den Fingern geschrubbt haben, wird demnächst an der Nordküste Alaskas angespült werden.

       03.12.2017

      Gerüchten zufolge plant Donald Trump, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen. Seine einzige Bedingung: die Stadt solle danach JerUSAlem heißen.

       04.12.2017

      Warum haben die armen Schweine aus dem mittleren Westen den reichen Immobilienhai von der Ostküste gewählt? Ganz einfach, weil die Armen etwas gegen Intellektuelle und ihr Gequatsche haben, aber nichts gegen Reiche und ihr Geld. Im Gegensatz zu den Intellektuellen spricht der Hai ihre Sprache. Er findet seine Basis in ihrer Welt, weil er ihrer Welt eine Basis verleiht. Sein Überbau, das viele Geld, ist mit ein bisschen Glück machbar, und wenn nicht, ist es auch nicht so schlimm. Bei den Intellektuellen ist es dagegen genau andersrum. Ihre Basis ist der Überbau, und der besteht aus Kulturquark und Kunstscheiße. Damit erwirtschaften sie das Geld, das sie offenkundig verachten, während sie in den hermetischen Zirkeln ihrer Zielgruppe mit ihren Hypersensibilitäten hausieren gehen.

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