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waren das wichtigste Ziel.

      Die Grundsätze wissenschaftlicher Betriebsführung gelten als Managementlehre bzw. -theorie, d. h. als die Lehre von der guten Praxis (Kieser, 1999a, 2014b). Dabei identifiziert man gute bzw. bewährte Praxis und formuliert diese als Regeln, damit andere diese ebenfalls verwenden können (Kieser, 1999a/2014b). Dieses Vorgehen erinnert an die »Comps« (s. o.) und die Annahme, dass sich gute »Gene« einer Organisationspopulation (evolutionstheoretische Theorien) verbreiten, indem sie von anderen Organisationen kopiert werden.

      Laut Kieser (1999a) erwies sich der Taylorismus eher als eine Art Ideologie, die sich durch den praktischen Erfolg selbst bestätigte. Gleichsam ist der Taylorismus keine Theorie im engeren Sinne, da keine theoretischen Zusammenhänge postuliert und gegen Alternativhypothesen geprüft wurden, sondern nach Lösungen für Organisationsprobleme gesucht wurde.

      Für die Ingenieurwissenschaften erwies sich die wissenschaftliche Betriebsführung jedoch als äußerst attraktiv, da sich mit den darin postulierten Annahmen die eigene Machtposition festigen ließ.

      In Deutschland begründete die Rationalisierung nach Taylor das Fundament für die Entwicklung des 1924 eingesetzten Reichsausschusses für Arbeitszeitermittlung (REFA), der bis in die Gegenwart als Verband für Arbeitsgestaltung, Betriebsorganisation und Unternehmensentwicklung tätig ist (Schäfer, 2015).

      Aus arbeits- und organisationspsychologischer Sicht führt das tayloristische System zu diversen dysfunktionalen Wirkungen auf die Arbeiter/innen in Bezug auf Arbeitsleistung, Arbeitsmotivation und Qualifikationserhalt sowie auf die Flexibilität einer tayloristisch geprägten Organisation. In Bezug auf die einleitenden Worte zum Organisationsumfeld erweist sich das Taylor-System für Betriebe mit Serienfertigung als geeignet, weniger aber für flexible Fertigung und Innovationen, da Reorganisationen nur mit hohem Aufwand durchzuführen sind (siehe vorne). Die Folgen davon waren eine Aufblähung des mittleren Managements (die Funktionsmeister-Ebene) und der Widerstand der Arbeiter/innen einhergehend mit Arbeitskämpfen, obwohl Taylor doch gerade ein »versöhnliches« und herzliches Miteinander erreichen wollte. So führen die Prämien für den »best man« zu Überanstrengung und die hoch arbeitsteilige Arbeitsweise zu Monotonie und Dequalifizierung (image Kap. 6). Zwei Beispiele dazu sind in den Infoboxen beschrieben. Die Erfolge der Effizienzsteigerung gingen aus heutiger arbeits- und organisationspsychologischer Sicht zum größten Teil auf die Arbeitsintensivierung und nur zu einem kleinen Teil auf die Rationalisierung zurück, mit dem Nebeneffekt, dass die Arbeiter/innen eine erhebliche Mehrleistung mit potenziell gesundheitsgefährdenden Folgen erbringen musste (Lysinski, 1923).

      Die Prämien als Überanstrengungsprämien

      Es wurde kritisiert, dass die Prämien in Taylor-System zu Überanstrengungen führten. Dazu eine Anekdote, die sich im Zusammenhang mit der Übernahme des Taylor-Systems durch die Renault-Werke im Jahre 1913 ereignet haben soll, an der auch ein englischer Ingenieur beteiligt war, wie Kieser (1999a) beschreibt:

      »Als der englische Ingenieur Pittsburgh besuchte, war er erstaunt darüber, dass er nur junge kräftige Arbeiter antraf, und er fragte den Amerikaner, der ihn herumführte: »Wo sind eigentlich die alten Arbeiter?« Zunächst antwortete der Amerikaner nichts; dann, als Fraser nochmals nachdrücklich fragte, bot er ihm sein Zigarrenetui an und sagte so nebenbei: »Nehmen Sie noch eine Zigarre, und während wir rauchen, wollen wir uns den Friedhof ansehen.« (Vahrenkamp, 1976, S. 23)

      Kritikpunkt Dequalifizierung: Wissenschaftliche Betriebsführung im Babiersalon

      »In einem Barbiergeschäft hat ein Arbeiter für heisses Wasser zu sorgen, ein anderer den Seifenschaum zu machen, ein dritter ihn auf das Gesicht aufzutragen, ein vierter das Messer abzuziehen, ein fünfter zu rasieren, während noch einige andere das Waschen, Trocknen und Einparfümieren des rasierten Gesichts zu versorgen hatten.

      Es ist richtig, dass jeder dieser Arbeiter als hoch entwickelter Spezialist bezeichnet werden kann. Aber ein so geringer Grad von Fertigkeit und gewerblicher Erfahrung, wie er sich bei seiner Arbeit aneignet, dürfte für ihn, sein Gewerbe und für die Allgemeinheit von geringem praktischem Wert sein.« (Frey, 1920, S. 24)

      Die Psychotechnik als Ergänzung des Taylorismus

      Zur Zeit Taylors etablierte sich die Disziplin der Angewandten Psychologie, die ihre Wissenschaft in die Dienste der Organisationen und der Gesellschaft stellte. Ein prominenter Psychologe, der zur Zeit Taylors lebte, war Hugo Münsterberg (1863–1916). Münsterberg popularisierte den Begriff der sog. »Psychotechnik«, der eigentlich 1903 von William Stern geprägt wurde (Bungard & Lück, 1997). Münsterberg betrachtet die Psychotechnik als die Wissenschaft von der praktischen Anwendung der Psychologie auf Kulturaufgaben, z. B. von Gesundheit, Wirtschaft, Recht, Erziehung, Kunst und Wissenschaft. Die Psychotechnik als Technik betont jedoch das Instrumentarium, dessen man sich bedienen kann, um nicht nur die Naturkräfte, sondern auch die sozialen Kräfte zu beherrschen (Bungard & Lück, 1997).

      Die Psychotechnik hat schwerpunktmäßig die psychologische Auswahl (die Psychodiagnostik) für und die Anpassung des individuellen Arbeiters an den Arbeitsprozess zum Gegenstand (Kieser, 1999c). Kieser (1999c) beschreibt die Psychotechnik als Fortsetzung des Taylorismus mit den Mitteln der Psychologie. Der Begriff der Psychotechnik setzte sich in fast allen Ländern durch, jedoch nicht in den USA, in denen der Begriff der »Applied Psychology« vorherrschte. Der Begriff der Angewandten Psychologie hat sich inzwischen ebenfalls in Deutschland etabliert und den der Psychotechnik ersetzt (Bungard & Lück, 1997). Münsterberg wird somit gerne als derjenige Psychologe angesehen, der die Angewandte Psychologie als Einzelwissenschaft etablierte (Bungard & Lück, 1997).

      Münsterberg war Professor in Harvard aber auch Austauschprofessor (1910/11) an der Berliner Universität mit der Lehrmeinung, den »hilflosen Dilettantismus« des Scientific Managements bei der Behandlung psychologischer Probleme durch den Ansatz der Psychologie der individuellen Differenzen zu ersetzen. Mit Hilfe experimenteller Methoden sollten die individuellen psychischen Merkmale des einzelnen Arbeiters, wie z. B. Ermüdbarkeit, Belastbarkeit, Ausbildung von Geschicklichkeit etc. erfasst werden, um sie bei der Gestaltung von Arbeitsprozessen wirkungsvoller zu berücksichtigen (Kieser, 1999c).

      Münsterberg entstammt einer angesehenen deutsch-jüdischen Kaufmannsfamilie aus Danzig (Bungard & Lück, 1997). Er studiert 1982/83 in Genf und Leipzig Medizin. Durch Kontakte zu Wilhelm Wundt in Leipzig kommt Münsterberg mit der Philosophie und der Psychologie in Kontakt. 1885 promoviert Münsterberg in Philosophie, 1887 in Heidelberg auch in Medizin. Nach dem Studium lässt sich Münsterberg in Freiburg als Privatdozent nieder (1887-1891), wo er sich habilitiert und ein privates psychologisches Labor einrichtet. Es erfolgt 1891 die Ernennung zum außerplanmäßigen (also unbesoldeten) Professor und er hofft auf eine ordentliche Professur, die er wahrscheinlich auch aus antisemitischer Ablehnung der Universitäten heraus nicht erhält. William James ruft ihn 1892 als Professor an die Harvard Universität mit der Aufgabe, das psychologische Laboratorium zu leiten und die höhere Ausbildung der Psychologie zu verantworten (Bungard & Lück, 1997). Münsterbergs Veröffentlichungen sowie Berichte von amerikanischen Studierenden, die bei Münsterberg in Freiburg studierten, waren für seinen Ruf nach Harvard ausschlaggebend. Er baute in Harvard ein psychologisches Labor nach Vorbild des Leipziger Institutes auf und forschte zu verschiedenen grundlagenorientierten und angewandten Fragestellungen. 1895 kehrt er nach Deutschland zurück, erneut mit der Hoffnung auf eine Professur, die ihm aber auch diesmal nicht angeboten wird. 1897 siedelt Münsterberg endgültig in die USA über und gibt das Freiburger Institut auf.

      Beispiele für Münsterbergs Methoden zur Psychodiagnostik sind 1910 die ersten Eisenbahnertests (eignungsdiagnostische Untersuchungen zur Auswahl von Lokführern) oder die Auswahl von Telefonistinnen für die Bell Telephone Company. Die industrielle Psychotechnik setzt sich in vielen Industrieunternehmen durch: 1926 werden bei ca. 110 Industrieunternehmen im deutschen Reich psychotechnische Untersuchungen mit dem Schwerpunkt in Eignungsuntersuchungen

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