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die Größe ausübt und deshalb Kontingenzen auch selbst herstellen kann.

      In diesem Sinne erklärt die Strategic Choice Theory die Eigenschaften und die Umwelt von Organisationen als Konsequenzen der Absichten der dominanten Koalition, die unter Berücksichtigung der Umfeldbedingungen, der organisationalen Ziele und den damit verbundenen Ansprüchen an die Anspruchsgruppen (image Kap. 5) die Merkmale in einer Organisation implementiert, die als erfolgreich erachtet werden.

      Zusammenfassend lassen sich die Organisationstheorien dahingehend unterscheiden, wie »erfolgreiche« Merkmale, bezogen auf ein Umfeld, in dem die Organisation agiert, herausgebildet werden – durch externe Kräfte der Selektion oder durch die Nutzung von Einfluss über Ressourcen, Entscheidungen für die bewusste Gestaltung von Merkmalen, um eine Passung herzustellen, durch die Gestaltung von Informationsflüssen oder durch strategische Entscheidungen.

      1.2 Die klassischen, für die AOW-Psychologie relevanten Organisationtheorien

      Im Folgenden sollen nun die prominentesten und für die AOW-Psychologie einflussreichsten Organisationstheorien vorgestellt werden. Als »Klassiker« gelten: Taylorismus, Verwaltungslehre, Human Relations-Bewegung, Likerts New Management-Theorie, Sozio-technische Systeme. Neuere Theorien sind die der High Reliability-Organisationen und der Organisationen als cyber-physische Systeme.

      Nach Greenberg und Baron (2000) sowie Kirchler et al. (2004) lässt sich die Natur von Organisationen, wie Huber (2011) beschreibt, anhand von fünf Hauptdimensionen beschreiben:

      1. Ausmaß der Hierarchie,

      2. Spezialisierung der Arbeit,

      3. Weite der Kontrollspanne,

      4. Anteil der entscheidenden und beratenden Positionen und

      5. Ausmaß an Zentralisierung (Greenberg & Baron, 2000; Kirchler et al., 2004).

      Anhand dieser fünf Hauptdimensionen lassen sich die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Theorien verdeutlichen.

      Im Folgenden werden die prominentesten Organisationstheorien aus der Entstehungszeit von großen Organisationen ab dem Ende des 19. Jhd. bis in die späten 1990er Jahre dargestellt.

      Sie fragen sich vielleicht, warum Sie sich für Theorien, die schon 100 Jahre alt sind, interessieren sollten und wozu Sie diese noch brauchen. Sind diese 100 Jahre alten Theorien nicht »museumsreif«? Das spannende an diesen Theorien ist, dass die damals entwickelten und implementierten Prinzipien, z. B. der Arbeitsteilung oder der Stab- und Linienorganisation, auch heute noch Organisationen in massiver Art und Weise prägen – auch wenn diese Prinzipien heute in anderen »Gewändern« daherkommen. Diese Grundprinzipien zu verstehen bedeutet, die »Natur« des Organisationalen zu verstehen sowie deren Grundproblematik der Arbeitsteilung und der Koordination der arbeitsteilig ausgeführten Tätigkeiten hin auf das Gesamtziel.

      Organisationen – auch heute – stehen in einem ständigen Spannungsverhältnis zwischen dem Grad der Arbeitsteilung und der dafür benötigten Koordination. Koordination ist der »Preis«, der für die Arbeitsteilung in Organisationen gezahlt wird.

      Die im Folgenden vorgestellten Organisationstheorien müssen dabei vor dem Zeitgeist des jeweiligen Entstehungspunkts gesehen werden. Der Zeitgeist und die damit oft verbundenen Menschenbilder sind die kollektiven Erfahrungen und die damit verbundenen geteilten gesellschaftlichen Haltungen einer Zeit (z. B. hohe Einwanderungsquoten in den USA zu Beginn der 1900er Jahre, das Wachstum der Städte, die Nachfrage nach Arbeitskräften, die Entwicklung großer Maschinen) und die damit einhergehenden Werten und Haltungen gegenüber den relevanten Themen und Erfordernissen der Zeit (Gibt es ein Überangebot an Arbeitskräften oder einen Mangel? Welche Bedürfnisse und Nachfragen bringen zunehmender Wohlstand mit sich?).

      Der Zeitgeist, der sich in den klassischen und auch den neuen Organisationstheorien wiederfindet, bezieht sich dabei fast ausschließlich auf den Zeitgeist der Menschen in den aufstrebenden Industrienationen, d. h. den Manager/innen und Wissenschaftler/innen in den USA, in UK und in Europa, der ausgehend von der industriellen Revolution das Arbeiten und Leben in diesen Ländern prägte.

      Menschenbilder sind Teil dieses Zeitgeistes und die vom Zeitgeist beeinflussten Theorien sind Ausdruck von diesen damals herrschenden Menschenbildern, d. h. Axiome (Axiome = eine zwar einleuchtende, aber nicht bewiesene Annahmen) über das Verhalten und Erleben von Menschen (Kirchler, Meier-Pesti & Hofmann, 2004). Menschenbilder beinhalten unausgesprochene Bewertungsstandards oder Gestaltungsrichtlinien dafür, was im Arbeits- und Organisationskontext als zumutbar oder als menschengerecht gelten kann (Kirchler et al., 2004).

      1.2.1 Der Zeitgeist der Industrialisierung und der maschinellen Massenfertigung (1890–1930)

      Industrialisierung in England

      Das, was wir aus heutiger Sicht und im Rückblick »Die Industrielle Revolution« nennen, nahm Mitte des 18. Jhd. in England seinen Anfang (Staehle, 1999). Es kamen zu dieser Zeit verschiedene Entwicklungen zusammen, die als Triebfedern des Kapitalismus gelten (Staehle, 1999):

      • Es begann sich ein Weltmarkt zu entwickeln (z. B. Handel mit Amerika).

      • Adam Smith propagierte die zentrale Bedeutung der gesellschaftlichen und produktionstechnischen Vorteile der Arbeitsteilung (s. u.) für den Wohlstand einer ganzen Nation.

      • Die rechtliche Verankerung der Freiheit und Sicherheit der Person und des Eigentums (womit der Besitz von etwas überhaupt erst attraktiv wurde) setze sich durch.

      • Es kam zur Akkumulation von Kapital in den Händen weniger Produzenten und Entstehung einer großer Klasse von Arbeitern gepaart mit dem Glauben an den Segen dieser Ordnung (freier Wettbewerb, Gewinnstreben, Selbstverantwortung, im Gegensatz zum »göttlichem Willen« oder Schicksal), im Zusammenspiel mit einer protestantischen Arbeitsethik (Askese, harte Arbeit, strenge Pflichtauffassung und die Auffassung, dass man aus Kapital mehr Kapital machen müsse).

      Diese gesellschaftlichen Entwicklungen wurden angetrieben von drei technischen Innovationen: Die erste verwendbare Dampfmaschine wurde 1712 von Th. Newcomen konstruiert und diente zur Wasserhebung in Bergwerken, im Jahre 1735 folgte die Spinnmaschine von J. Wyatt, in 1769 folgten die patentierte Dampfmaschine von J. Watt sowie 1814 die erste Dampfmaschine auf Rädern (als Vorläufer der späteren Eisenbahnen) von G. Stephenson (Staehle, 1999; Bauernhansl, 2014).

      Industrialisierung in Deutschland

      Ende des 18 Jhd., als England schon zu weiten Teilen industrialisiert ist, galt Deutschland noch als Agrarland, denn 85 % der Bevölkerung lebte auf dem Land. Das Handwerk ist bis dahin die noch vorherrschende Produktionsform (Staehle, 1999). Der Beginn der Industrialisierung Deutschlands wird mit den Jahren 1835–1845 angegeben.

      Auch in Deutschland kamen verschiedenen begünstigende Entwicklungen zusammen (Staehle, 1999):

      • Die Vereinheitlichung der Währung und der Wirtschaftspolitik sowie die Schaffung eines wirtschaftlichen Großraums (1834 tritt der Zusammenschluss der deutschen Bundesstaaten zum deutschen Zollverein in Kraft, 1866 wird der Norddeutsche Bund geschlossen, 1871 das Deutsche Reich gegründet).

      • Niedrige Löhne und hohe Nachfrage durch Bevölkerungswachstum, durch Verbesserung der hygienischen Verhältnisse sowie der Ernährung und der Gesundheitsfürsorge. Die Sterblichkeitsrate sinkt, die Geburtenrate steigt. Während um 1800 herum ca. 23 Mio. Personen auf dem Territorium des Deutschen Reiches leben, sind es 1900 ca. 56 Mio.

      • Einführung der Gewerbesteuer (ab 1866), Erleichterung der Kapitalbeschaffung durch die Rechtsform der Aktionsgesellschaft, Maßnahmen staatlicher Sozialpolitik zur Milderung sozialer Risiken (Krankheit, Unfall, Arbeitslosigkeit).

      • Ausbau der Verkehrswege und damit eine Erweiterung der Absatzmärkte und Erleichterung

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