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mit schwankender Stimme zu dem Diener:

      »Merkten Sie nichts besonderes an Ihrem Herrn ... als er sich zur Ruhe legte ...?«

      Und ehe jener antworten konnte, hatte Parsenow mit nerviger Faust die Thürklinke gefaßt und drückte durch einen starken Ruck mit Hand und Knie das verriegelte Schloß ein ...

      Das erste, was er sah, war das Gesicht des Bankiers, der reglos auf dem Bett lag. Er kannte diese Gesichtsfarbe, dieses wächserne, durchschimmernde Gelb.

      Und ein intensiver Geruch von bitteren Mandeln erfüllte den Raum.

      »Blausäure...« sagte Parsenow halb in Gedanken vor sich hin.

      Der Diener neben ihm schluchzte und gurgelte vor Schrecken.

      Der Graf wandte sich ab: »Ihr Herr ist tot ... Blausäure-Vergiftung ... Schicken Sie nach seinen Verwandten und lassen Sie hier alles liegen, wie es ist ...«

      »Mein Gott ... mein Gott!« stöhnte der unglückliche Lakai. Er starrte wie geistesabwesend vor sich hin. Dann plötzlich kam über ihn die normale Empfindung des Deutschen in kritischer Lage ... der Drang nach dem Schutzmann! Er lief mit schwankenden Knieen davon nach dem Hausthor zu.

      Parsenow hütete sich wohl, allein in der Wohnung des Toten zurückzubleiben. Einen kurzen Blick warf er noch auf die schweigende Gestalt, dann knöpfte er seinen Mantel zu und trat auf die Straße, von der eben im Laufschritt ein Polizist mit dem Diener zusammen eindrang.

      Gegenüber aber, neben dem reduzierten Privat-Detektivs, stand Krakauer und schielte mit dem Ausdruck eines bösen Raubtieres nach den verhüllten Fenstern.

      »Waren Sie drin, Herr Graf?« schrie er und lief Parsenow bis über die Straße entgegen. »Wo?«

      »Bei van Look ... mich hat er nicht vorgelassenI«

      »Ja ... ich war drin ...«

      »Und ... und ... wie geht's ihm?« frug Krakauer ängstlich.

      »Danke der Nachfrage!« erwiderte Parsenow kühl, »dem Herrn van Look geht es gut ... recht gut!«

      »Gott sei Dank ...« murmelte der Geldmann »... haben Sie lange mit ihm gesprochen?«

      »Nein! ... ich habe gar nicht mit ihm gesprochen.« Parsenow sah sein Gegenüber fast belustigt an ... »Kein Wort ...«

      »Ja ... warum denn nicht?«

      »Weil Herr van Look überhaupt nicht mehr spricht. Er ist tot ... mausetot ...«

      Daraufhin entstand eine längere Pause.

      Der Geldmann rührte stumpfsinnig mit seinem Krückstock in dem Straßenkot ...

      »Da sind 8000 Thaler flöten ...« sagte er endlich vor sich hin.

      »Sie haben Wechsel auf van Look ...?«

      »Ja ... für 8000 Thaler ...« Krakauers Stimme klang schmerzlich bewegt ... »seit gestern hab' ich ihn observieren lassen, um sicher zu gehen! aber ich dacht' es mir!«

      »Na, das Geld können Sie sich sauer kochen lassen.« meinte Parsenow in grimmigem Spott, »oder hoffen Sie, daß doch ... doch noch etwas da ist?«

      »Nichts!« Krakauer schüttelte verzweifelnd den Kopf«, ... glauben Sie mir ... nichts ... ein paar Prozent, wenns hoch kommt ...«

      »Meinen Sie?«

      »Das weiß ich ... 's ist doch ganz klar. So ein alter Fuchs wie van Look giebt sich nicht geschlagen, so lange er noch halbwegs Geldmittel zur Verfügung hat.«

      »Da haben Sie recht ...«

      »Apropos!« Krakauer sah ihn mißtrauisch an ... «Sie sind doch auch dabei beteiligt ... ich meine, Frau von Braneck hatte Geld bei ...«

      »Frau von Braneck hatte ihr ganzes Vermögen bei van Look!« sagte Parsenow, griff nachlässig nickend an die Krempe des Cylinderhutes und ging davon.

      Der Geldmann schaute ihm völlig verdonnert nach. Das war ein schöner Schlag für ihn, dem Parsenow hohe Summen schuldete.

      Er seufzte tief auf... »'s ist 'ne Thränenwelt!« murmelte er vor sich hin und bestieg sein Coupé.

      Hilda war schon am Vormittag mit ihrem Vater nach Potsdam gefahren, um da Verwandte zu besuchen und sich von ihnen die Sehenswürdigkeiten der romantischen Kasernenstadt zeigen zu lassen. Sie wollte erst spät abends zurückkommen, vielleicht sogar dort übernachten.

      Parsenow hatte also den ganzen Nachmittag für sich und konnte überlegen, was nun weiter geschehen solle.

      Er ging nach Hause, warf sich in den Schaukelstuhl, streckte die Beine von sich und rauchte.

      Stundenlang. Das Zimmer füllte sich mit dem bläulichen Aroma des bessarabischen Tabaks. Der feine Dunst legte sich wie ein Schleier um die Gestalt des Grafen, der schweigend und fast reglos dasaß.

      Er mochte sein Gehirn zermartern wie er wollte. Seine Gedanken führten ihn immer wieder zu demselben Endergebnis, derselben grausamen Alternative hin.

      Entweder blieb er ein Gentleman, wofür er sich bisher hielt und von seiner Umgebung gehalten wurde. Dann war es Ehrenpflicht von ihm, nicht von einer Verlobung zurückzutreten, weil die erhoffte Mitgift geschwunden war. Und fehlte die Mitgift, so mußte er eben zu arbeiten anfangen ...

      Ein grotesker Gedanke! Er, der als Junggeselle nichts gethan, sollte jetzt zu einer Thätigkeit greifen, um auch noch für Weib und Kind Unterhalt zu verschaffen! Das kam ihm wie eine bittere Ironie des Schicksals vor, wie eine Strafe dafür, daß er die Mode mitgemacht und nach der bekannten »reichen Partie« gestrebt hatte.

      Freilich, solche Partien gab es für einen Mann wie ihn noch viele. Verloren war da nichts, sowie er frei war ... sich frei machte ...

      Zornig sprang er auf. Er schämte sich selbst dieser Gedanken. Und der feste Entschluß stieg in ihm auf, unter keinen Umständen von Hilda zu lassen, auch wenn sie selbst, wie er es ihr wohl zutraute, ihm das nahelegen sollte.

      Hastig schrieb er einen Brief an den Major, in dem er ihm kurz und schonend den Tod van Looks, und was damit zusammenhing mitteilte und mit der Bitte schloß, um Hildas willen, die nach diesem schweren finanziellen Schlag des Haltes besonders bedürfe, den Tag ihrer Vermählung so bald als möglich ansetzen zu wollen.

      Tief aufatmend übergab er dem Diener den Brief zur Besorgung ins Hotel, wo ihn der Major bei der Rückkehr finden mußte. Dann litt es ihn nicht länger in dem Zimmer. Er schritt planlos hinaus in die bereits dunkelnden Straßen.

      Vor einer Litfaßsäule blieb er stehen und las mit einem gewissen dumpfen Erstaunen, daß heute Abend im Eden-Theater die Erstaufführung des Vaudevilles »Satanella« stattfinden würde.

      Er sah auf die Uhr. Noch war es Zeit. Und warum sollte er nicht hingehen? Es blieb sich ja gleich, wie er die Zeit totschlug.

      Ohne rechts und links zu sehen, ging Parsenow dahin. Was kümmerten ihn diese Menschen umher, dies Sonntagnachmittag-Publikum, das die Trottoirs erfüllte, geputzte Köchinnen am Arm ihrer Grenadiere, Commis und kleine Verkäuferinnen, Handwerkerfamilien, aus N. und 0., die mit Kind und Kegel dahinzogen, Arbeiter und Fabrikmädchen im Sonntagsstaat. Ein Dunst von schlecht gelüfteten Kleidern und übel qualmenden Cigarren lag in der Luft.

      Es ekelte den Grafen. Rascher schritt er vorwärts.

      Plötzlich blieb er stehen, daß ein hinter ihm herkommendes Pärchen fast an ihn anrannte. Wie das Geheul von hungrigen Wölfen klang es die Straßen herauf, ein regelloser, zerrissener Lärm, der sich mißtönend über das Gewühl emporschwang. Näher und näher kam es. Man unterschied die durcheinanderbrüllenden Stimmen.

      »Das Allerneueste!«

      Die Extrablattverkäufer liefen links und rechts von den beiden Trottoirs dahin und schwenkten schreiend die leuchtenden, noch druckfeuchten Bogen in der Luft.

      »Das Allerneuste!

      »Bankerott und Selbstmord«, heulte nebenan

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