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Bühnenleiter zuckt die Achseln. »Thut mir leid, liebes Fräulein! ... Ich habe Ihnen nie mehr in Aussicht gestellt, als ein paarmaliges Auftreten.

      »Und was soll ich dann thun?«

      »Gehen Sie in die Provinz, Kind!« sagt der Direktor im Fortgehen ... »spielen Sie ein paar Jahre auf kleinen Theatern alles, was Ihnen vorkommt ... die größten Rollen ... und wenn Sie eben ganz auf der Bühne zu Hause sind, dann versuchen Sie 'mal wieder hier in Berlin anzukommen ... oder sonst an einer guten Bühne ...«

      Damit geht er. Die beiden Damen bleiben zurück und sehen sich befangen und feindselig an.

      »Sie haben da ein reizendes Kostüm,« sagt endlich die Lowinska, das Schweigen brechend ... »wirklich sehr chic ...«

      »Ja,« sagt Käthe vor sich hin ... »das ist sehr chic

      »Haben Sie es eigens für die Rolle machen lassen?«

      »Ja ... das ... und ein Reitkleid ... und ein Spitzen-Negligée.«

      »Oh« ... macht die Lowinska etwas verlegen ... »das ist viel ... nun, Sie können die Sachen ja immer wieder brauchen ... besonders die Robe ... wieviel kostet sie denn?«

      »Die kostet mich sehr viel,« erwidert Käthe gleichgültig »... mehr als ich sage. Finden Sie nicht, daß es eigentlich furchtbar lächerlich ist, sich solch kostbare Kleider zu bestellen, wenn man nachher doch durchfällt?«

      »Mein Gott ... das kann jedem 'mal passieren.«

      »Und die Kleider kann man doch immer wieder gebrauchen.« Käthe lacht hell auf ... »und sich neue machen lassen, wenn man Lust hat. Das ist doch alles eigentlich sehr einfach ... was?«

      »Ich verstehe Sie nicht!« Die Lowinska sieht sie befremdet an und da in diesem Augenblick das Klingelzeichen zum vierten Akt tönt, setzt sie rasch hinzu: »nun ... ich muß jetzt wieder in meine Loge ... adieu!«

      Käthe blickt ihr gleichgültig nach. Sie ist völlig ruhig. Es ist, wie wenn ein einziges Wort sie gebannt hält, sich immer und immer wieder in ihrem Kopfe umwälzt: Umsonst! umsonst! ...

      Umsonst hat sie ihrem Ehrgeiz das letzte Opfer gebracht. Es war vergeblich.

      Was nun? Der Bühne entsagen, von der kärglichen Pension der Mutter wieder in dem Ackerstädtchen leben, in dem sie ihre Jugend verbracht ... nein ... unmöglich! Früher vielleicht, wo ihr noch die letzte Hoffnung, die Heirat, übrig blieb ... aber jetzt ...

      Also auf der Bühne bleiben? werden wie die andern auch? ... nur ohne deren Talent und Leichtsinn ... Käthe seufzt auf. Sie empfindet einen Ekel, der in ihr aufsteigt, ein Gefühl der Uebelkeit, den Drang, dieser Welt von Leinwand und Stricken, von Staub und Schminke, von Moder- und Gasgeruch zu entfliehen, für immer zu entfliehen ... gleichviel, wohin.

      »Nanu, Freilein!« sagt die Garderobière zu ihr, als sie die kleine Krauß plötzlich in Hut und Mantel auf den Ausgang zukommen sieht ... »haben Sie sich denn schon abjeschminkt? Herrjeses ... und umjezogen haben Sie sich ooch noch nicht?«

      »Lassen Sie mich!« Käthe schiebt sie rauh zur Seite und tritt auf die Straße hinaus, in die kalte Herbstluft. Die Sterne glitzern über ihr und der Nachtwind streicht kühlend um ihr erhitztes geschminktes Gesicht.

      Am Ufer bleibt sie stehen.

      Vor ihr fließt die Spree langsam durch ihr gemauertes Bett. In der tintenschwarzen Flut, die gurgelnd um die vermorschten Pfähle spielt, glänzt in zitternden Lichtstreifen der Schein der Gaslaternen.

      Große plumpe Kähne liegen reglos auf dem Wasser.

      Auf dem einen beginnt der Spitz, der sich auf dem Deck herumtreibt, plötzlich heftig zu kläffen. Unten in der niedrigen, stickigen Kajüte richtet sich die Frau des Besitzers aus dem Bette auf.

      »Haste nichts jehört, Vater?«

      Der Schiffer schnarcht weiter.

      »Es hat so'n Plumpser gegeben! ich meene als...«

      »Na, wenn schon ...« brummt der Mann im Schlaf und wendet sich schwer auf die andere Seite. Sein Weib späht noch einen Augenblick durch das winzige Fensterchen nach dem Ufer, ehe sie sich wieder zur Ruhe legt. Wagen rasseln dort in Menge vorbei, schwarze Menschengruppen, aus denen die roten Pünktchen der Cigarren glühen, schreiten plaudernd und lachend über das Trottoir. Die Vorstellung ist zu Ende.

      »Interessant ... so eine Première!« sagt Hilda von Braneck, sich behaglich in den Kissen zurücklehnend, zu ihrem gegenübersitzenden Bräutigam ... »wirklich eine schöne Vorstellung.«

      »... blos die eine taugte nichts ... diese kleine Dingsda ...« meint ihr Bruder, »die verzapfte eine böse Komödie ...«

      »Ja« ... erwiderte Hilda ... »sie haben ja auch ordentlich gezischt ... Armes Ding ...« setzt sie nach einer Weile mitleidig hinzu.

      Der graue Herbstmorgen dämmert über dem Tiergarten. Mit gellendem Quaken ziehen die wilden Enten schweren Flügelschlags über die buntbelaubten Wipfel dahin, sie senken sich herunter und schlagen endlich schräge, weite Kreise im Wasser ziehend, schwer auf die spiegelglatte Oberfläche der Spree nieder.

      Am Ufer hinter dem Schlosse Bellevue, wo im leichten Morgenwind die Binsen schauern, hantieren zwei Fischer in ihrem Boot. Der eine bugsiert mit einer Stange einen Gegenstand durch die kalte Flut, der andere macht herausspringend das Boot an der Kette fest. Dann kniet er am Wasserrande nieder und zieht den Gegenstand heraus.

      Schweigend stehen die beiden da. Der eine hat unwillkürlich die Mütze abgenommen. Die Brise streift durch seine Haare und schüttelt lachend die lockeren Binsen. Ein Fisch springt schwerfällig schnalzend aus den Wellen und verschwindet.

      »Det scheene Kleid« ... murmelt schließlich der andere »... schad' drum! sowat hab' ick noch nich' jesehen ...«

      Sein Genosse antwortet nichts. Er sieht sich um und die Straße entlang, an deren Ende eine blaue behelmte Gestalt auftaucht.

      »Na ... da kommt ja glücklich 'n Schutzmann!« brummt er verdrossen.

      Der Schutzmann stellt sich neben die beiden und betrachtet kopfschüttelnd die zarte, ausgestreckte Gestalt, um die sich triefend naß das enge Seidenkleid schließt, und die spitzen, bleichen Züge, an denen da und dort, noch ein Restchen Schminke klebt.

      »... 'n propperes Mächen,« sagt er schließlich traurig und nickt mit dem Kopf ... »det kommt, von die verfluchte Liebe ...«

      Die Lowinska war nicht wenig erstaunt, als sie gegen Mittag die dringende Bitte der Direktion erhielt, wenn irgend möglich an Stelle des plötzlich verschwundenen Fräulein Krauß am Abend zu spielen. Da man deren Rollenheft noch nicht hatte erlangen können, lag das Regiebuch zum Lernen bei.

      Da war keine Zeit zum Ueberlegen. Die Lowinska ließ sich starken, schwarzen Kaffee kochen, rückte ihren Stehspiegel zurecht und begann zu lernen, Stunde auf Stunde. Gegen fünf Uhr fuhr sie ins Theater, probte dort in aller Eile mit dem jugendlichen Liebhaber und dem Oberregisseur ihre Szene im dritten Akt und erklärte sich bereit.

      Es war Sonntag. Das beifallsfrohe, schon im Voraus vergnügte Publikum eines Festtags füllte das ausverkaufte Haus und lauschte mit großer Spannung der Mitteilung des Regisseurs, daß Fräulein Lowinska die an Stelle des plötzlich erkrankten Fräulein Krauß eingetreten sei, sich der gütigen Nachsicht des Publikums empfehle.

      Für die zwei ersten Akte, die man nicht hatte proben können, war denn auch diese Nachsicht durchaus nötig. Um die Ensembleszenen nicht ganz zu verderben, pflanzte sich die Lowinska dicht am Souffleurkasten auf und »schwamm«, so gut es gehen mochte, im Strome mit.

      Anders im dritten Akt. Den hatte sie gelernt und geprobt. Ihr heißes Bühnenblut regte sich, sie improvisierte, wo ihr die Worte fehlten, sie spielte, noch angegriffen durch die Krankheit und aufgeregt durch das Gefährliche der Situation mit einem nervösen Feuer – und als sie, wie gestern ihre Rivalin, nach ihrer großen Szene mit hämmernden Pulsen hinter der Kulisse nach Atem rang, da scholl ihr wie Musik der stürmische

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