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Grauen vor der Zukunft steigt in ihm auf.

      Daß gegen seelische Verstimmungen Cognac mehr wirkt als alle Vernunftgründe der Welt, das weiß er aus Erfahrung. Er tritt an den Schenktisch der Tribüne, wo im Dämmerlicht einzelne Uniformen und Herrenmäntel schimmern, und läßt sich ein Glas fine champagne geben. In dem Augenblick, als er es geleert niedersetzt, weht ihn von hinten ein wohlbekannter Duft, der Parfüm von Ylang-Ylang an. Unwillkürlich wendet er sich um.

      Richtig ... da steht die Ernesti. Sie verzehrt eine Schinkenstulle, trägt dicke Galoschen mit Pelzbesatz und eine Boa um den Hals und sieht sehr mißvergnügt aus. Ueber die Begegnung mit Parsenow scheint sie keineswegs erstaunt, sondern hält ruhig seinen verblüfften Blick aus ...

      »Bei dem Wetter schleppt er mich hier heraus!« sagt sie endlich, ohne daß vorher ein Wort der Begrüßung gefallen, ... »es ist wirklich empörend. Und bloß, um ein paar Gäule zu kaufen, weil er behauptet, ich verdürbe ihm die Orloff-Traber durch zu schnelles Fahren ...«

      »Wer?« fragt Parsenow halb mechanisch, ... »der van Look ...«

      »Weißt Du?« ...die Ernesti sieht sich vorsichtig um, ob niemand sie belauscht ... »Du warst doch viel netter! ... ungelogen ... ich langweile mich zum Umkommen mit dem Menschen ...«

      »Ist er denn so geizig?«

      »Nein ... gar nicht« ... Erna nippt vorsichtig an ihrem Glas mit heißem Grog, ... »er leiht uns sogar das Geld, um das neue Ausstattungsstück herauszubringen ... weißt Du das noch nicht ...? Ich sage Dir ... ich verzapfe da die Rolle der Satanella ... die ist nicht von Pappe ...«

      »Na also ... was willst Du denn mehr?« sagt der Graf. Es ärgert ihn, daß er überhaupt mit Erna zu sprechen begonnen hat, aber er kommt nicht los.

      Erna verzieht gelangweilt den Mund. »Er ist so stumpfsinnig! ... und dann« ... sie neigt sich geheimnisvoll zu dem Ohr ihres Freundes ... »man erzählt so allerlei ... es soll faul mit ihm stehen ...«

      »Mit dem Geld?«

      »Oberfaul!« bestätigt die Ernesti »... ich hab's von verschiedenen Seiten gehört ... freilich ... ob's wahr ist?«

      »Unsinn!« sagt Parsenow kurz und wendet sich ärgerlich ab. »Adieu!«

      »Adieu!« Die Ernesti legt ihm, während er sich umwendet, die Hand auf die Schulter, ... »sag' mal ... kommst Du zu der Premiere der Satanella? ... es wird fein!«

      »Womöglich gar mit meiner Braut?«

      »Warum denn nicht?« meint Erna unschuldig, »... die weiß doch nicht ... und ich hab' so ein entzückendes Kostüm ... rote Tricots und kleine Hörnchen auf dem Kopf ... und ...«

      »... sag' mal!« unterbricht sie der Graf,» ... woher weißt Du das mit van Look?«

      »Gott ... man sagt so ...« erwidert Erna leichthin ... »wenn einer 'mal bei der Ultimo-Regulierung ein paar tausend Märker los wird, heißt's ja gleich: er ist pleite! Ich glaub' eigentlich nicht ...«

      »Gestatten Herr Graf!« Ein auffallend gekleideter Herr in den Vierzigern mit schnarrender Stimme und äußerst sicherem Auftreten taucht neben der Ernesti auf und schneidet ihr das Wort ab ... »ich weiß nicht, ob ich noch den Vorzug habe, von Ihnen gekannt zu sein ...«

      Der Graf erinnert sich allerdings des früheren Rittergutsbesitzers und Rennstallinhabers Schumacher, der es in der Gründerzeit zu großem Vermögen gebracht hatte, nach dem Krach auf einige Jahre verschwunden war und jetzt als Kommissionär und Agent für allerhand Dinge sein Dasein fristet.

      »Was steht zu Diensten?« Parsenows Stimme klingt äußerst kühl.

      »Es handelt sich um Ihren Rennstall! Ich habe einen Käufer dafür.

      Das ist allerdings etwas anderes! Erna Ernesti sieht sich im nächsten Augenblick verlassen am Büffet stehen, bis nach einiger Zeit van Look, den nassen Schirm schüttelnd und mit seinem gewohnten unbeweglichen Gesicht, zu ihr hereintritt. Die beiden andern aber haben sich am Fenster niedergelassen und besprechen, die Portwein-Gläser vor sich, eifrig den Handel.

      Es ergiebt sich, daß ein Herr Sanin, ein junger Russe, der seit einiger Zeit auf der Berliner Produktenbörse eine Rolle spielt, gesonnen ist, seinen schon bestehenden Traberstall durch den Ankauf einiger Hindernis-Pferde zu vervollständigen, und nicht abgeneigt ist, die Parsenow'schen Steepler in Bausch und Bogen zu erwerben. Er zahlt bar! ... das ist auch viel wert. Und nach einer kleinen Viertelstunde trennen sich der Graf und der Agent mit freundschaftlichem Händedruck. Sie haben beide ein gutes Geschäft gemacht, dessen Kosten der Matador des russischen Kornmarkts trägt, und die beabsichtigte Versteigerung der Pferde wird heute nicht stattfinden.

      Dies letztere hatte der Graf eben angeordnet, als er auf dem Rückweg zur Tribüne seinen Geschäftsfreund Krakauer bemerkte, der ausnahmsweise nicht lächelte, sondern eilfertig auf ihn zukam.

      »Ich suche Sie, Herr Graf,« sagte er ... »bin extra Ihretwegen herausgefahren.«

      »Schmeichelhaft! ... was giebts?«

      Krakauer sah sich um. Dann sagte er leise:

      »Hat Frau von Braneck nicht ihr Geld bei van Look und Compagnie?« »Ja!«

      »Herr Graf!« Krakauer beugte sich bis dicht an sein Ohr ... »'s bleibt unter uns: ziehen Sie's zurück! ... so schnell wie möglich!«

      Merkwürdig, wie es Parsenow fröstelte!

      »Ist's wirklich notwendig?«

      »Nu – halten Sie mich für 'nen harmlosen Menschen?« Krakauer fühlte sich beinahe beleidigt.

      »Im Gegenteil.« Parsenow zündete sich eine Cigarette an. »Sie sind so schlau, daß Sie schon beinahe wieder dumm sind! ... also sagen Sie ... van Look wackelt wirklich?«

      »Heut früh hätten Sie's an der Börse überall hören können. Faul ... oberfaul! ... seine Vettern in Paris, Lejeune Frères und Compagnie haben gestern fallirt... ich glaube nicht, daß der Mann das aushält ... in seiner Lage ... hat allerdings noch einen Onkel in England ... Augustus T. von Look ... ein großer Mann in der City ...«

      »Morgen!« Parsenow schritt eilig der Tribüne zu. Er war bleich geworden. In seinen Ohren klang es immer wieder, bald in Ernas heller Stimme, bald in Krakauers gaumigen Diskant: »Faul ... oberfaul!«...

      Auf der Treppe stand Hilda, die Kapuze des Mantels über dem Kopf. Schon von ferne sah er, daß sie unmutig und gekränkt dreinblickte. Prinz Stayningen lehnte daneben und lachte thöricht vor sich hin. Dahinter glänzte der Attila des kleinen Wendlau, der ziemlich betreten aussah ...«

      »Hören Sie mal, Graf!« sagte er, Parsenow entgegentretend... »thut mir verdammt leid ... hatte ja keine Ahnung, daß die Dame Ihre Braut ist ...«

      »Herr von Wendlau!« Parsenow furchte zornig die Stirne.

      »Sonst hätt' ichs ja nicht gesagt!« fuhr der betrübte kleine Husar fort, »... die Sache war nämlich so ... ich ging eben hier vorbei ... da fragt mich der stumpfsinnige Prinz, ob ich nicht wüßte, wo Sie seien. Natürlich! ... sage ich ... Parsenow sitzt unten am Büffet mit der Ernesti ... na ... und dann ...«

      »Ich danke Ihnen,« Parsenow drückt ihm verbindlich die Hand, ... »das haben Sie reizend gemacht, lieber Wendlau... ganz reizend!«

      Der Leutnant zuckt bedauernd die Achseln. Frau Hilda aber sagt in auffallend bestimmtem Ton: »Ich habe Lust, nach Hause zu fahren, Konrad!«

      »Sofort, liebes Kind ... meine Angelegenheiten hier sind erledigt!«

      »Das scheint so!« erwidert die schöne Frau scharf und schreitet vor ihm die Treppe hinab. Während er ihr folgt, glaubt er hinter sich das spöttische Kichern des fürstlichen Gigerls und des kleinen Husaren zu vernehmen, und kommt sich selbst äußerst lächerlich vor. Er weiß ja, wie man in seinen Kreisen über Pantoffelhelden denkt.

      Schweigend schreiten sie beide über den Kiesweg, während hinter ihnen sich eben das zweite Rennen des Tages entscheidet. Ein Haufe

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